
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Ein Bett zum Austoben
Nach Hollywood wollte Filmproduzentin Sonja B. Zimmer nicht gehen: Jetzt hat sie die Stars in Babelsberg
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Der Film erwischt sie in einer Disko in Stuttgart. 24 Jahre alt ist Sonja Zimmer, gerade hat sie ihr Dolmetscherstudium aufgegeben und keinen Plan, wie es weitergehen soll. Es sind die 1980er Jahre, Berlin liegt in einem anderen Land und Potsdam existiert faktisch nicht – aus Stuttgarter Perspektive also. Da taucht dieser Freund von früher auf. „Und was machst Du so?“, floskelt Sonja Zimmer. „Ich bin beim Film“, sagt der Freund – und damit tut sich für die 24-Jährige eine Welt auf, die sie nicht mehr loslassen wird. Als sie erfährt, dass Regisseur Roland Emmerich gerade „jemanden für die Requisite“ sucht, schlägt die anfängliche Begeisterung in Ehrgeiz um: Sonja Zimmer bewirbt sich – und kriegt den Job.
„Ich wusste gar nicht, was man genau machen muss, war aber mit Feuer und Flamme dabei“, erinnert sich die gebürtige Ludwigsburgerin heute an ihr erstes Projekt. „Emmerich war meine Filmschule“, sagt sie. Mit seinem Film „Joey“ startet sie 1985 in eine Karriere, die sie bis in die Produzentenetage von Studio Babelsberg führen wird.
Dort, in einem Backsteingebäude auf dem Studiogelände, hat Sonja Zimmer jetzt ihr Büro: Blaue Mappen mit Drehbüchern und Kostenkalkulationen stapeln sich auf dem Tisch, an der Wand hängen Kinderzeichnungen ihrer Tochter, Fotos von Filmdrehs, Dankesschreiben, Plakate. Zimmer gehört zum siebenköpfigen Team der „Studio Babelsberg Motion Pictures“, der Studio-Tochter also, die neue Projekte an Land zieht und laufende Produktionen koordiniert: Passende Drehorte müssen gefunden, Büros gebucht, Handwerker engagiert, Hotels reserviert, Rechnungen geschrieben werden. Denn Regisseure und Schauspieler sollen reibungslos arbeiten können: „Wir bereiten das Bett, in dem sie sich kreativ austoben können“, sagt Sonja Zimmer.
Die 49-Jährige verantwortet den Bereich der europäischen Koproduktionen, war Produktionsleiterin für den deutschen Teil von „Der ewige Gärtner“, betreute „Die Fälscher“, arbeitete für „Operation Walküre“, „Der Vorleser“ oder „Inglourious Basterds“ – und ist Koproduzentin von „Hexe Lilli – Der Drache und das magische Buch“, der bei der morgigen Filmpreis-Verleihung in Berlin beste Chancen auf eine „Lola“ hat.
Der Kinderfilm hat alle Zutaten, die ihn zum Publikumserfolg machen, den Produzenten aber Alpträume bereiten: „Kinder, Tiere, viele Tricks“, erklärt Sonja Zimmer. Dinge, die der knappen Zeitplanung jederzeit einen Strich durch die Rechnung machen können. Gedreht wurde der Film an 44 Sommertagen im Babelsberger Superfilmjahr 2007, zeitgleich mit „Der Vorleser“, „Operation Walküre“ und „The International“.
„Da haben wir hier wirklich rotiert“, erinnert sich Sonja Zimmer: „Das Märchenschloss haben wir aus Platzmangel auslagern müssen“, erzählt sie. Trotzdem ist ihr der Hexenfilm ein Herzensprojekt geworden: „Das war ein wahnsinnig schönes Arbeiten“, schwärmt sie: „Nach all den historischen Filmen auch mal was Buntes", fügt sie hinzu und lacht. Ein Teil der märchenhaften Sets, die die Babelsberger Handwerker unter Leitung von Robert Samtleben bauten, ist momentan im Potsdamer Filmmuseum zu sehen.
Dass Stefan Ruzowitzky der richtige Regisseur für das Projekt war, davon war Zimmer gleich überzeugt: „Der weiß einfach, was er macht“, sagt die Produzentin, die den Österreicher bereits vor ihrer Babelsberger Zeit kennengelernt hat: Bei seinem Thriller „Anatomie 2“ war Sonja Zimmer Produktionsleiterin.
Damals arbeitete sie freiberuflich in Berlin – und das, obwohl sie ihrem Mentor Emmerich nach Hollywood hätte folgen können. Aber Sonja Zimmer entschied sich für Deutschland, weil sie bei ihrer kranken Mutter bleiben wollte. Sie wechselte einige Jahre in die Fernsehbranche, ging nach München, Frankfurt und schließlich Berlin, wo sie heute lebt.
Dass sie ihre Arbeit gut macht, muss sich in dieser Zeit herumgesprochen haben. Denn eines Tages bekommt sie einen Anruf von Studio Babelsberg: Henning Molfenter will sie für „Der ewige Gärtner“ verpflichten. Die endgültige Zusage bekommt sie „in einem Skilift in Österreich“, erinnert sich Sonja Zimmer: „Ich war furchtbar aufgeregt und habe mich gefragt, ob mein Englisch überhaupt reicht.“ Immerhin sollte sie mit Hollywood-Stars wie Ralph Fiennes und Rachel Weisz zusammenarbeiten.
Der Film brachte Babelsberg dann 2006 einmal mehr Oscarglanz und wurde für Sonja Zimmer der Einstieg ins Studio. „Wenn mir das früher jemand erzählt hätte“, überlegt sie und schüttelt den Kopf: „Meine Entscheidung, nicht nach Hollywood zu gehen und Hollywood jetzt hier zu haben...“ Die beinahe ehrfürchtige Begeisterung, die sie damals in der Stuttgarter Disko gepackt hat, ist immer noch spürbar. Auf der anderen Seite bedeutet Filmemachen für Sonja Zimmer heute aber auch einfach „schöne Projekte mit netten Menschen“.
Einen Traum hat sie immer noch: „Ich möchte, dass Roland Emmerich in Babelsberg dreht.“ Der Kontakt zu dem Regisseur von Kassenschlagern wie „The Day After Tomorrow“ ist jedenfalls noch da. Zimmer traf ihn zuletzt zur Oscar-Verleihung im Februar in Los Angeles. Emmerich in Babelsberg – „da würde sich für mich ein Kreis schließen.“ Jana Haase
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