Landeshauptstadt: Ein bisschen Frieden
Im Hans Otto Theater feierten 600 Gäste den Ball der Wirtschaft – das erste Mal „mit wirklich gutem Gewissen“
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Berliner Vorstadt - Sie schafft es tatsächlich. Ein paar Takte ihres Schlagers, und die Unternehmer, Politiker, Geschäftsführer befreien die Teelichte aus den Tischdekorationen und schwenken sie durch die Luft. Manche singen leise mit: „Ein bisschen Frieden, ein bisschen Sonne für diese Erde, auf der wir wohnen “ Und Sängerin Nicole, blonde Lockenmähne und 80er-Jahre-Anzug, versöhnt sogar den Intendanten – auch er hält eine der kleinen Kerzen in der Hand.
Dabei hatte Uwe Eric Laufenberg der Wandlung seines Theaters vom Haus der Kunst zum Ort des Vergnügens zu Beginn eher zurückhaltend zugeschaut. Das werde immerhin eine gute Milieustudie, schließlich spiele er bald in der Strauß-Operette „Die Fledermaus“ den Herrn von Eisenstein, hatte Laufenberg gefrotzelt, als die Gäste am frühen Samstagabend zum „7. Ball der Wirtschaft“ ins Foyer des neuen Hans Otto Theaters an der Schiffbauergasse drängten. Der Ball ist zwar schon der zweite in dem spektakulären Neubau am Tiefen See, doch während beim „Dezemberball“ des Marketing-Clubs nur 260 zahlende Gäste kamen, sollen es nun rund 600 sein. Für sie wurde der Theatersaal umfunktioniert, die Stühle herausgeschraubt, die Bühne zum Tanzparkett umfunktioniert, vier Deko-Kronleuchter mit Plastikschmuck aufgehängt. „Auf der Bühne tanzen, das ist exotisch – und nicht vergleichbar mit einem Hotel“, weiß Theater-Direktor Volkmar Raback.
Und wirklich, die Tanzfläche füllt sich schon beim Eröffnungswalzer und bleibt den ganzen Abend gut frequentiert. Was nicht allein an dem außergewöhnlichen und perfekt inszenierten Ambiente liegen dürfte. Den Menschen aus der Wirtschaft scheint einfach nach ausgelassenem Feiern zumute zu sein – denn endlich haben viele wieder Erfolg. „Als es nicht so toll lief, hatte manch einer Beklemmungen, hier so viel Geld auszugeben“, sagt Victor Stimming, Präsident der Potsdamer Industrie- und Handelskammer. Jetzt „sind alle gelöst“. Dazu hat wahrscheinlich auch Ministerpräsident Matthias Platzeck beigetragen, selbst wenn er wegen „familiärer friedenssichernder Maßnahmen“ – einer Geburtstagsfeier, für die er spätestens um 21.30 Uhr wieder zuhause in Babelsberg sein will – nur kurz bleiben kann. Doch er stellt fest: „Das ist das erste Mal, dass wir diesen Ball mit wirklich gutem Gewissen feiern können.“ Die Talsohle der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes sei durchschritten, nun folge „kein leichter Weg, aber ein schönerer“. Für 2007 hoffe und wünsche er, dass die Arbeitslosigkeit weiter sinke, es Ansiedlungserfolge gibt wie im Vorjahr in Frankfurt (Oder), wo drei Solar-Fabriken in Betrieb gingen, und man in der Lage sei, „die Stimmung weiter zu tragen“.
Das sehen sicher auch die Christdemokraten so – den Ball allerdings nutzen Innenminister Jörg Schönbohm und Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns augenscheinlich dazu, nach den monatenlangen CDU-Querelen die eigene Stimmung aufzubessern. „Heute wird gefeiert – beides“, hatte Junghanns schon bei seiner Ankunft angekündigt, und meinte nicht nur den Ball, sondern auch seine Wahl zum Brandenburger CDU-Chef vor einer Woche. Schönbohm, sein Vorgänger im Amt, dreht gut gelaunt Runde um Runde auf dem Tanzparkett – am liebsten mit Andrea Braun, der Ehefrau des Unternehmers Uwe Braun, der in Golm eine „Denkfabrik“ baut.
Unterdessen sind im Theater 65 Köche und Servierkräfte im Einsatz, bestücken die drei Büfetts und die Austernbar – den Auftrag für die Gastronomie hatte das Inselhotel mit seinem Küchenchef Arno Schmädicke bekommen. Im Atrium und im Foyer wird flaniert und parliert, auch über die Potsdamer Entscheidung der Woche: Den Beschluss zum Bebauungsplan für den Landtag. Da Oberbürgermeister Jann Jakobs den Debatten durch Nicht-Erscheinen aus dem Weg ging, muss Horst Müller-Zinsius, Chef der Pro Potsdam GmbH, darüber Auskunft geben, wie der millionenschwere PDS-Forderungskatalog zu bezahlen ist. „Wir müssen sehen, ob wir Grundstücke von der Stadt kaufen müssen“, so Müller-Zinsius. „Und es könnte sein, dass wir dann zur Refinanzierung selbst etwas verkaufen müssen.“ Wohnungen würden es aber nicht sein. Also droht keine Palastrevolution.
Aber die orangene kommt bestimmt: Denn am Tag nach dem Ball steht „Julia Timoschenko“ auf dem Theaterspielplan. „Morgen tobt hier wieder die Revolution“, sagt Intendant Laufenberg. Es klingt ein wenig beruhigt.
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