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Landeshauptstadt: Ein Buch und ein Autor, die wütend machen

Jugendliche diskutierten mit Schriftsteller Daniel Höra über sein Werk „Gedisst“

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Innenstadt - Ein kurzer Ausflug ins brandenburgische Schwedt war für Daniel Höra genug, da hatte der Berliner Schriftsteller die Umgebung für sein erstes Jugendbuch gefunden. In einer tristen Plattenbausiedlung spielt die Geschichte „Gedisst“ über Alex, einem 14-jährigen Jungen, der unter Mordverdacht gerät. Gestern las Höra im Rahmen der Potsdamer Kinder- und Jugendliteraturtage in der Stadt- und Landesbibliothek. Höras Zuhörer waren Siebent- und Zehntklässler. Die hatten – wie sich herausstellte – das Buch noch gar nicht gelesen, was die abschließende Diskussion mit dem Autor ziemlich erschwerte.

Denn eigentlich ist „Gedisst“ durchaus diskussionswürdig. Höra zeichnet im Plattenbaugebiet eine eindimensionale Klischeewelt aus Nazis, Perspektivlosigkeit, Alkoholismus und Armut, in der Alex aufwächst. Schließlich soll der 14-Jährige eine alte Frau getötet haben, nachdem er ihr ein paar Einkaufstaschen in die Wohnung gebracht hat. Zeugen haben ihn mit dem Opfer im Hausflur gesehen. So muss Alex selbst anfangen, den wahren Mörder zu suchen. Einfach ist das nicht: Die Presse stempelt ihn ab, einstige Freunde meiden ihn, Neonazis wollen den Tod der alten Dame rächen. All das beschreibt Höra in einem Mix aus Jugend-Slang und einfacher Sprache, den gestern zwar die Lehrer als „100-prozentig getroffen“ bezeichneten, der aber bei den jugendlichen Zuhörern nicht unbedingt auf totale Zustimmung stieß.

Die Jugendlichen hinterfragten auch weniger die Geschichte selbst, sondern wollten den Autor kennenlernen. Der erzählte freimütig, „dass alles ausgedacht ist“ und seine Jugend „auch nie so krass gewesen ist, auch wenn ich die Milieus böser Jungs kenne, weil die mich schon immer mehr interessiert haben als die Guten“. Überhaupt: „Mit dem Buch verbinde ich keine Absicht und will auch keine Botschaft vermitteln“, bekannte Höra. Denn: „Beim Leser etwas zu erreichen, ist nicht Aufgabe von Literatur, sondern eher von Sachbüchern“, meinte der Schriftsteller. Allerdings, das konnte Roland Gohr vom Kinder- und Jugendbereich der Bibliothek berichten, „wühlt Höras Buch die Leser durchaus auf. Die sind nämlich durch die Sprache und einige Darstellungen im Buch richtig wütend“. Vermutlich auch die Schwedter selbst. Von dort, so erzählte es Höra, gab es seit dem Erscheinen von „Gedisst“ noch keine einzige Einladung zu einer Lesung. Kay Grimmer

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