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Homepage: Ein Büro in Tel Aviv

In Hebräisch fühlt sie sich zuhause, ihr Arabisch soll noch besser werden Seit 2006 arbeitet die Absolventin der Potsdamer Universität, Barbara Viehmann, im Goethe Institut Tel Aviv

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Ihr Büro hat drei Tische. Auf dem kleinsten steht der Computer, dem Besucher zugewandt ein einfacher, mit Broschüren und Zetteln gefüllter Schreibtisch und etwas abseits laden vier Stühle um einen runden Tisch zum gemeinsamen Gespräch. Doch Barbara Viehmann will gar nicht sitzen, sondern den Gästen lieber die Institution zeigen, die hinter ihrem momentanen Arbeitsplatz steht.

Die 28-jährige arbeitet seit Februar 2006 im Goethe-Institut Tel Aviv. Als sie im Dezember vorletzten Jahres noch für die Abschlussprüfung an der Universität Potsdam büffelte, hatte sie die Zusage für das bezahlte Volontariat im Bereich Kulturmanagement bereits in der Tasche. Dass sie unter 500 Bewerbern für Israel ausgewählt wurde, liegt wohl an ihrer Ausbildung, die ideal auf die Stellenbeschreibung passte. Seit 1999 studierte sie Jüdische Studien mit dem vorrangigen Ziel, die hebräische Sprache intensiver zu lernen. Allerdings konnte sie diese schon so gut, dass sie bereits in ihrem zweiten Semester als Tutorin für den Sprachunterricht engagiert wurde. Also stellte sie sich einer neuen linguistischen Herausforderung und schrieb sich an der FU für Islamwissenschaften ein.

Heute kann Barbara Viehmann, die aus der Nähe von Frankfurt am Main stammt, fließend arabisch lesen und schreiben. Kulturelle Angebote für die arabische Bevölkerung Israels zu organisieren ist ihre Aufgabe im Goethe-Institut. Die junge Akademikerin betrachtet Sprache inzwischen nicht mehr als wissenschaftlichen „Selbstzweck“, sondern als Mittel zur Kommunikation. Im Hebräischen fühlt sie sich längst zu Hause, um auch das Arabische bestmöglich einsetzen zu können, besucht sie immer noch Sprachkurse, speziell für die Dialektsprache, schließlich will sie bei ihrer Arbeit auch verstanden werden.

Eine ihrer ersten Ideen für das Goethe-Institut brachte sie aus Berlin mit: Auf einer Gratis-Postkarte, die in Kneipen und Klubs ausliegt, wirbt nun das Goethe-Institut für seine Deutschkurse, denn auch in Israel gilt es, für Weiterbildung und Kultur junge Leute zu begeistern. Für ihre arabische Klientel wurde Barbara Viehmann zunächst nach Nazareth geschickt, um vor Ort eine Standortanalyse zu erstellen und mit dortigen Kultureinrichtungen zu verhandeln. Filmabende, Lesungen, aber auch DJ-Nächte mit deutschen Elektronikmusikern gehören zum Programm des Goethe-Instituts.

Seit ihrem 17. Lebensjahr begeistert sich Barbara Viehmann, deren Nachname in Hebräisch aus nur vier Strichen besteht, für Israel. Den Anstoß gab eine Austauchschülerin, die ihr das Einmaleins auf Hebräisch beibrachte. Nach dem Abitur entschied sie sich, ein Jahr in einem Behindertenwohnheim unweit von Tel Aviv zu arbeiten. Das Studium bot ihr dann die Chance mit einem DAAD-Stipendium ein Jahr in Jerusalem zu leben. Nach nur wenigen Wochen traf sie auf einer Party einen in St. Petersburg geborenen Israeli, der Philosophie studierte. Heute ist sie mit Vladek verheiratet. Ihr Mann spricht inzwischen perfekt Deutsch und ist in Potsdam als Doktorand eingeschrieben. Auf der Terrasse der kleinen Tel Aviver Wohnung, die nur zehn Minuten vom Strand entfernt ist, erzählen beide von der gelegentlichen Sehnsucht nach Berlin, den dortigen Freunden und der großen Altbauwohnung.

Nach dem Krieg mit dem Libanon, machte Barbara Viehmann Interviews mit arabischen und jüdischen Jugendlichen, die sie über ihre Gefühle und Ansichten zum Krieg befragte. Die Aggressionen, die sich da manifestierten, beunruhigen sie immer noch. Ein verklärender Blick auf ihr liebstes Reiseziel und aktuellen Lebensmittelpunkt ist der Realistin suspekt. Stattdessen interessiert sie sich für politische Mechanismen, etwa in ihrer Magisterarbeit, die sie über die israelische Shas-Partei, die Partei der orientalischen Ultraorthodoxen schrieb.

Es ist Sonntag, als Barbara Viehmann durch die Räume des Goethe-Instituts führt – eigentlich der Beginn der Arbeitswoche in Israel. In der deutschen Institution herrscht dennoch eher Freitagnachmittags-Atmosphäre. Die Bibliothek hat geschlossen, die Sprachkurse beginnen erst in den Abendstunden und Veranstaltungen sind für den klassischen Ruhetag der Deutschen nicht vorgesehen. Über solche kleinen interkulturellen Differenzen kann Barbara Viehmann lächeln, denn mit ihnen lässt sich ohne weiteres leben.

Die große Eigenständigkeit, die von ihr in der Arbeit verlangt wird, genießt sie sichtlich. Anders als die „Generation Praktikum“ in der Bundesrepublik, fühlt sie sich nicht ausgebeutet, sondern angeregt. Nicht nur verdient sie genug, um davon leben zu können, ihr Chef legt auch großen Wert darauf, dass sie soviel Erfahrungen wie möglich sammelt. So schickte er sie etwa zwei Wochen an das Goethe-Institut in Ramalla, wo sie mithalf eine Ausstellung aufzubauen, die sie einige Monate später in Tel Aviv selbst betreuen sollte.

Ob sie nach dem Volontariat mit ihrem Mann wieder nach Berlin zurückkehren wird, hängt davon ab, wo ihnen Arbeit angeboten wird. Es könnte also sein, dass sie im kommenden Jahr auf dem Balkon einer großen Altbauwohnung sitzen und sich nach dem Strand von Tel Aviv sehnen werden.

Lene Zade

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