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Der erste reguläre E-Bus auf Potsdams Straßen ist der Doppeldecker von Dirk Poguntke und Susanne Lang.

© Andreas Klaer

Elektro-Bus auf Stadtrundfahrt: Ein Doppeldecker so laut wie ein Föhn

Der erste Elektro-Bus in der Stadt fährt für den Stadtrundfahrt-Anbieter Potsdam City Tour. Chef und Tüftler Dirk Poguntke steckte 3,5 Millionen Euro in die Entwicklung.

Potsdam - Kein Knattern, kein Vibrieren, kein Motorgrollen: Leise und geschmeidig setzt sich der voluminöse Doppeldeckerbus am Luisenplatz in Bewegung und verursacht dabei kaum mehr Lärm als ein Föhn. Seit Juni schnurrt Potsdams erster Elektro-Bus durch die Stadt und erfreut damit nicht nur die Kund:innen von Potsdam City Tour: „Auch Anwohner am Neuen Garten finden den Bus gut, weil er so leise ist“, sagt Susanne Lang, Geschäftsführerin des Sightseeing-Unternehmens.

Verfahren entwickelt, um Diesel- in E-Bus umzuwandeln

Der Bus wirkt äußerlich wie ein 40 Jahre altes Modell, doch unter der Motorhaube befindet sich eine Batterie. „Ich habe schon 2013 mit dem Gedanken gespielt, die Busse auf Elektro umzustellen“, sagt Dirk Poguntke, der sich mit Lang die Geschäftsführung von Potsdam City Tour teilt. Doch war sein Plan nicht, einen Elektro-Bus zu kaufen, sondern einen Dieselbus umzurüsten – und zwar selbst. Der 52-jährige Berliner ist Diplom-Ingenieur für Maschinenbau und hat ein Verfahren entwickelt, um Dieselbusse in Elektro-Busse umzuwandeln.

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Dazu wurde der alte Sightseeing-Doppeldecker komplett entkernt: Motor, Getriebe, Tank – alles kam raus, bis nur noch das Skelett des Fahrzeugs übrig war. Rund drei Wochen dauert ein Umbau und kostet rund 350 000 Euro, dafür gab es auch Förderung vom Bund. Die Batterien haben eine Reichweite von 140 Kilometer – völlig ausreichend für den Einsatz in Potsdam, nachts sind die Busse ohnehin nicht im Betrieb und können aufladen. Das lohnt sich: Eine Aufladung pro Tag kostet etwa 25 Euro, die Tankkosten für den Diesel betragen rund das Doppelte, sagt Lang.

Entkernt. Für die Umrüstung eines Busses von Diesel- auf Elektroantrieb muss das Fahrzeug auseinandergebaut werden. 
Entkernt. Für die Umrüstung eines Busses von Diesel- auf Elektroantrieb muss das Fahrzeug auseinandergebaut werden. 

© privat

Außer der gesunkenen Lautstärke merkt man dem Bus den Umbau nicht an: Alles sieht so aus wie vorher. Einen Unterschied merkt man allerdings bei der Beschleunigung: Die ist um einiges schneller, als bei einem Verbrenner. „Wir mussten die Busse deshalb aus Sicherheitsgründen um 50 Prozent drosseln“, sagt Poguntke und zeigt ein Video von einer Testfahrt, bei der einer der Doppeldecker rasant über einen Parkplatz schießt.

Alle 14 Busse der Flotte sollen Elektroantrieb erhalten

Der Rest der Potsdamer Flotte soll folgen: 14 Busse besitzt Potsdam City Tour, sechs davon sind Doppeldeckerbusse, inklusive des bereits umgebauten. Die anderen fünf sollen im kommenden Jahr ebenfalls elektrisch werden, die kleineren Busse sind danach dran. Umgebaut werden sie in Berlin: 1997 hatte Poguntke zusammen mit Georg Kranefoer die Firma Pokra gegründet, ein international tätiges Busunternehmen inklusive Werkstatt. Hier werden nicht nur die Doppeldecker aus Potsdam umgebaut, auch die Berliner BVG gehört zu Poguntkes Kunden.

Busse haben es Poguntke angetan: 1989 hatte er zusammen mit Gleichgesinnten die AG Traditionsbus gegründet und schraubte aus alten Bus-Teilen funktionierende Busse nach historischem Vorbild zusammen. In den 1990er-Jahren stieg Poguntke professionell in das Busgeschäft ein und bot Sightseeing Touren an, unter anderem mit Berlin City Tour, ab 2001 auch in Potsdam. Vor zwei Jahren entschied er sich, seine Tüftler-Leidenschaft mit der nachhaltigen Modernisierung von Dieselbussen zu verbinden: „Ich war 50 Jahre alt und habe mir Gedanken gemacht, wie die Welt mal nach meinem Ableben aussehen wird“, sagt Poguntke. 

Auf die Politik wollte und konnte er nicht mehr warten: „Ich wollte nicht nur reden, sondern machen.“ Also fasste Poguntke einen Entschluss: 2019 verkaufte er Berlin City Tour und steckte einen Teil des Erlöses in die Entwicklung für sein Verfahren zur Elektrifizierung alter Dieselbusse. „Ich habe 3,5 Millionen Euro aus eigener Tasche investiert“, sagt der Unternehmer. Eine Zukunftsinvestition, denn: „Alle werden Elektro-Busse brauchen“, ist sich Poguntke sicher.

ViP will schrittweise Busse mit sauberem Antrieb anschaffen

Auch die Berliner BVG hat das erkannt: Derzeit hat das Verkehrsunternehmen 137 Elektrobusse auf der Straße, weitere 90 sollen 2022 dazukommen. Die Verkehrsbetriebe in Potsdam (ViP), die bis 2038 insgesamt 80 neue Busse kaufen wollen, haben bislang noch keine konkreten Pläne zur Beschaffung von Elektro-Bussen: „Die ViP-Busflotte wird schrittweise an den Vorgaben der europäischen Clean- Vehicle-Directive ausgerichtet“, sagte ViP-Geschäftsführer Uwe Loeschmann im Mai. Die Direktive sieht vor, dass ab 2026 der Anteil der Fahrzeuge mit sauberen Antriebstechnologien bei 65 Prozent liegen muss. 

Bislang lehnt die ViP Elektrobusse wegen zu hoher Kosten und zu geringer Reichweiten ab. Derzeit befinden sich lediglich fünf Hybrid-Busse von MAN in der ViP-Flotte. Neun weitere solcher Fahrzeuge sollen noch 2021 dazu kommen.

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