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Eichenprozessionsspinner: „Ein Einsatz aus der Luft kommt nicht infrage“

Stadt plant Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners mit Windkanonen vom Boden aus. Dipel ES soll in die Bäume geschossen werden. Allerdings sei bislang unklar, ob die Maßnahme zulässig sei, heißt es

Von Matthias Matern

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Potsdam - Mehr als 50 000 Euro hat der Kampf gegen den Eichenprozessionsspinner die Stadt im vergangenen Jahr gekostet. Jede vierte Eichen war von den giftigen Raupen des Nachtfalters befallen. Sogar Kitaspielplätze mussten gesperrt werden. Statt wie 2012 die gespinstartigen Raupennester für viel Geld von den befallenen Bäume saugen zu lassen, würde die Stadt in diesem Jahr lieber das umstrittene Schädlingsbekämpfungsmittel Dipel ES einsetzen. Doch der Streit zwischen dem Land Brandenburg und dem Bund, welches Mittel das geeignetste ist und wie es angewendet werden kann, hat für reichlich Verwirrung gesorgt. „Was wir dürfen und was nicht, wissen wir momentan eigentlich gar nicht“, bestätigt Stadtsprecher Jan Brunzlow.

Während Brandenburgs Landesregierung von der Bundesregierung fordert, sie müsse per Notfallzulassung auch eine flächendeckende Anwendung von Dipel ES aus der Luft über Siedlungsgebieten und Alleen erlauben, verweist der Bund auf die Gesetzeslage und fehlende EU-Zulassungen. Im Gegenzug wirft Potsdams CDU-Chefin und Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Katherina Reiche, wie berichtet Brandenburgs Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) vor, eigens geschaffene Sonderregelungen zu ignorieren. Zudem behauptet Reiche, das von Brandenburg favorisierte Mittel sei bei Weitem nicht so harmlos, wie Vogelsänger vorgebe. Experten zufolge kann Dipel ES bei direktem Kontakt Hautreizungen auslösen. Ein Streit, der an Potsdams Plänen teilweise vorbeigeht. „Ein Einsatz von Dipel ES aus der Luft über Siedlungsbereichen kommt für uns keinesfalls infrage“, sagt Stadtsprecher Brunzlow. Schließlich befänden sich dann unter den Fliegern auch Kindergärten und Schulen. „Wir sehen das sehr kritisch.“

Gefürchtet sind die Raupen wegen ihrer sogenannten Brennhaare. Deren Nesselgift kann bei Hautkontakt zu schwersten allergischen Reaktionen führen. Zudem sind die Haare auch dann noch gefährlich, wenn sie längst beim Häuten abgeworfen wurden und einzeln in den verlassenen Nestern hängen oder aber an Blättern kleben. Landesweit erkrankten im vergangenen Jahr knapp 3700 Menschen durch das Nesselgift.

Brunzlow zufolge will Potsdam in diesem Jahr vom Boden aus gegen die Falterraupen vorgehen. „Wir haben uns vorsorglich über verschiedene Anwendungsmöglichkeiten informiert“, berichtet der Stadtsprecher. So könnte das Dipel ES etwa mit einer Art Windkanone von unten aus in die Bäume geschossen werden. Dafür kämen derzeit zwei Firmen infrage. „Wir haben bereits eine Ausschreibung gestartet, aber noch keinen Zuschlag erteilt“, so Brunzlow. Schließlich stünden alle Pläne unter dem Vorbehalt, dass der Einsatz genehmigt werde. Eine entsprechende Menge Dipel ES habe man aber bereits beim Land geordert.

Reiche zufolge soll der Einsatz vom Boden aus in Ortschaften künftig möglich sein. Die Erteilung einer Genehmigung für die Anwendung von Dipel ES mit Bodengeräten auf Flächen der Allgemeinheit sei grundsätzlich möglich, heißt es in einer aktuellen Übersicht mehrerer Bundesbehördern über Bekämpfungsmaßnahmen gegen die Raupen.

Welche die verträglichste Maßnahme sei, werde derzeit noch geprüft, heißt es dagegen seitens der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Ob Absaugen oder Besprühen, von unten oder von oben bevorzugt werde, stehe noch nicht fest. Allerdings sei man daran interessiert, die Parks möglichst nicht sperren zu müssen, hatte Stiftungssprecher Ulrich Henze noch einen Tag zuvor gesagt. Im vergangenen Jahr hat die Stiftung eigenen Angaben zufolge gut 1300 Eichen auf ihrem Gebiet absaugen lassen. Im Park Sanssouci waren den Angaben zufolge 70 Prozent und im Park Babelsberg 60 Prozent aller Eichen betroffen. 150 000 Euro gab die Stiftung ingesamt für den Kampf gegen die Raupenlarven aus.

Gesundheitliche Bedenken gegen Dipel ES hält Birgit Korth, Leiterin des Referats Wald- und Forstwirtschaft im Landesagrarministerium, für unbegründet. Auch Rückstände des Mittels auf bereits behandelten Flächen seien unwahrscheinlich. „Dipel ES wird durch Regen schnell abgewaschen. Zudem wird die Wirkung auch durch starke Sonneneinstrahlung gemindert“, meint Korth. 

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