zum Hauptinhalt
Chefarzt Bernd Köhler (2.v.l.) bringt am 10. September den kleinen Till zur Welt – seit Juli ist es bereits die 20. Kaisergeburt im Bergmann-Klinikum.

© Bergmann-Klinikum

Kaisergeburten am Bergmann-Klinikum in Potsdam: Ein emotionaler Schnitt

Das Bergmann-Klinikum in Potsdam bietet neuerdings auch Kaisergeburten an: Entbindende Mütter können dabei das Kind sofort sehen, weil das Tuch bei der Geburt per Kaiserschnitt gesenkt wird. Doch es gibt auch Kritik.

Von Peer Straube

Stand:

Potsdam - Susanne Mießner ist glücklich. Die 25-Jährige hält ihren Sohn Till im Arm, streichelt ihm liebevoll über das Köpfchen, schiebt den Nuckel zurecht. Erst vor wenigen Tagen erblickte Till, 50 Zentimeter groß und 4250 Gramm schwer, im Bergmann-Klinikum das Licht der Welt – per Kaisergeburt. „Es war so schön, sein Kind gleich bei der Entbindung zu sehen“, sagt Mießner. Trotz des Kaiserschnitts habe sie ihrem Sohn in die Augen sehen können: „Es war gleich eine Verbindung da.“

Wie ein Kaiserschnitt, aber mit zwei Unterschieden

Eine Kaisergeburt ist im medizinischen Sinne nichts anderes als eine Geburt per Kaiserschnitt – allerdings mit zwei wichtigen Unterschieden. Die Mutter und wenn gewünscht auch der Vater bekommen ihr Kind noch während der Entbindung zu Gesicht, und die Mutter kann die Geburt durch Pressen unterstützen, wie bei einer normalen Entbindung. Als erstes Krankenhaus im Land Brandenburg bietet das städtische Bergmann-Klinikum seit Juli diesen Service an – 20 Eltern haben sich seitdem bereits für eine Kaisergeburt entschieden.

Die Reaktionen der werdenden Eltern sei „unglaublich positiv“ gewesen, sagt Bernd Köhler, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Frauenhilfe. Mit einem solchen „überwältigenden Glücksmoment“ für die Eltern habe er trotz seiner jahrelangen Berufserfahrung nicht gerechnet. Vorreiter ist das Bergmann-Klinikum bei der Kaisergeburt nicht. In der Berliner Charité wird das Verfahren bereits seit drei Jahren angewendet, als erstes Krankenhaus in Deutschland.

Medizinischer Eingriff soll in angenehmeres Geburtserlebnis verwandelt werden

Der Grund ist simpel: Der oftmals medzinisch notwendige, aber emotional wenig beglückende operative Eingriff soll in ein etwas angenehmeres Geburtserlebnis verwandelt werden. Das Prozedere ist zunächst dasselbe wie beim Kaiserschnitt: Die Mutter bekommt eine Rückenmarksnarkose und die Bauchdecke wird geöffnet. In dem Moment, wo das Köpfchen des Babys zu sehen ist, wird das Tuch, das das Geschehen bei der Operation normalerweise vor den Augen der Eltern verbirgt, abgesenkt. Mutter und Vater bekommen ihr Kind so noch während der Geburt zu Gesicht und nicht erst, wenn es abgenabelt und gesäubert worden ist. Zudem dürfen die Mütter während der Entbindung auch mitpressen.

„Das macht die Geburt auch für uns leichter“, sagt Köhler. „Zugucken und mitmachen“, beschreibt der Chefarzt die Zielstellung. Zwischen Mutter, Vater und Kind entstehe so eine viel nähere Bindung, als sie bei einem normalen Kaiserschnitt möglich sei, erklärt auch Dorothea Fischer, die neue Leitende Chefärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe.

"Kein hippes Event"

Genau diese positiven Aspekte der Kaisergeburt sind es auch, die Kritiker auf den Plan gerufen haben. So erklärte etwa Alexander Strauss von der Frauenklinik der Kieler Uniklinik in einem Zeitungsinterview, er halte die Methode für bedenklich. Ziel eines Kaiserschnitts sei nicht, daraus ein „schönes Familienereignis“ zu machen, sondern den Geburtsvorgang „verantwortungsbewusst zu begleiten“. Auch Hebammen warnen vor einer Verharmlosung des Eingriffs. Ein Kaiserschnitt sei gut und richtig, wenn er medizinisch notwendig sei, aber man sollte „kein hippes Event“ daraus machen, sagte Katrin Petrischek vom Landeshebammenverband Brandenburg den PNN. Gerade jetzt, wo die Zahl von Kaiserschnitten wieder zurückgehe, sei es „kontraproduktiv, wenn man den Eltern das jetzt wieder schmackhaft macht“.

Köhler weist diese Kritik zurück. Nur 26 Prozent der Kinder im Bergmann-Klinikum kämen per Kaiserschnitt zur Welt. Damit liege man weit unter dem Bundesdurchschnitt von 35 Prozent oder dem Brandenburger Durchschnitt von 33 Prozent. Man wolle die Quote auch nicht erhöhen. Nach wie vor genieße die natürliche Geburt die höchste Priorität im Bergmann-Klinikum, sagt Köhler. In den Fällen aber, wo es medizinisch notwendig sei, einen Kaiserschnitt durchzuführen, wolle man den Eltern diesen Schritt durch das Angebot einer Kaisergeburt leichter machen – und dies auch nur, wenn es keine Komplikationen gebe. Bei einem Notkaiserschnitt komme so etwas nicht in Betracht.

Emotionaler Eingriff

Darum werde man das Angebot auch nicht aktiv bewerben, sagt Köhler. Versprechen könne man den Eltern ohnehin nichts, im Zweifel gehe die Sicherheit vor. Auch Susanne Mießner habe er erst unmittelbar vor der Entbindung gefragt, ob sie zu einer Kaisergeburt bereit sei. Die 25-Jährige würde das jederzeit weiterempfehlen, zumal sie bereits ein Kind per Notkaiserschnitt entbunden hat. Diesmal war es viel emotionaler: „Beim ersten Schrei konnte ich meinem Sohn gleich in die Augen sehen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })