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Blick in die Zukunft. Stefanie Müller-Durand sieht viele Wege in der Medienwelt von morgen.

© Andreas Klaer

FH-Magazin: „Ein Gegenentwurf zur digitalen Zeit“

Stefanie Müller-Durand, Chefredakteurin des FH-Magazins „Fux“, über Selbstbestimmung, die mediale Vielfalt der Zukunft und den Mut zum Ausstieg

Stand:

Frau Müller-Durand, was haben Sie heute Morgen als Erstes gemacht?

Ich habe Frühstück gemacht und dann meine große Tochter in die Kita gebracht. Warum?

Sie haben nicht zuerst Ihre Facebook-Nachrichten und die neuesten Tweets gecheckt?

Nein, dazu kam ich nicht. Das will ich auch gar nicht. Das würde mich nur ablenken. So etwas mache ich meist später.

Sie sind Chefredakteurin des Fux-Magazins der FH Potsdam. Wenn ich das Heft mit seinen dicken Kartonseiten, seinem aufwendigen Druck und seiner materiellen Wertigkeit in die Hand nehme, dann ist das weit entfernt von der modernen digitalen Medienwelt.

Das soll es auch sein. Das Magazin ist bewusst in diese Zeit als Gegenentwurf gesetzt, etwas, in das man sich vertiefen kann, für das man sich Zeit nimmt. Als Möglichkeit, Wissen zu generieren, sich auszutauschen abseits der digital verknüpften Welt. Das eine soll aber das andere nicht ausschließen, es findet einfach parallel statt. So gibt es auch auf dem Blog fux-magazin.de die Möglichkeit, Artikel zu kommentieren. Damit Prozesse reflektiert werden können, braucht es aber grundsätzlich etwas Zeit. Gerade wenn es um eine Fachhochschule geht, an der ganz bewusst tiefere Auseinandersetzungen stattfinden sollen.

Wird solch ein gedrucktes Magazin heute überhaupt noch mitgenommen?

Es ist eine Frage, wie es gemacht wird und wie man es verteilt. Der Fux ist an eigens dafür designten Ausgabe-Ständern aus Holz an den Hochschulstandorten zu erhalten. Das Heft liegt nicht irgendwo herum, man muss es sich bewusst aneignen. Das ist schon unser erstes Statement. Das gibt einen gewissen Wert vor. Wir benutzen ein hochwertiges Recyclingpapier, das eine eigene Geschichte hat und ökologische Farben, es geht um etwas, das man nicht sofort wegschmeißen will. Die Gestaltung ist experimentierfreudig, auch sie lädt den Leser dazu ein, auf den Seiten zu verweilen, sich Gedanken zu machen.

Auch an der Fachhochschule Potsdam sagt manch einer, dass dem bewegten Bild die Zukunft gehört.

Die Zukunft wird komplex bleiben, es wird nicht nur einen Weg geben. Heute existiert eine ganze Fülle von Lebens- und Denkentwürfen, aufgrund der medialen Vielfalt wird viel mehr ausprobiert. Interessant wird es für mich, wenn ich mehrere Dinge im Leben vereinen kann. Der Museumsbesuch bleibt interessant und relevant, wenn es darüber hinaus eine gewisse Vielfältigkeit gibt. Ein Print-Magazin kann für mich genauso anregend sein wie Filmspots auf Youtube oder ein gut gemachter Comic, der auf seine Weise eine Geschichte erzählt. Erst wenn diese unterschiedlichen Medien auf mich wirken, stellt sich für mich ein Gefühl für die Komplexität des Lebens ein.

Das Magazin liegt schwer in der Hand.

Die Fux-Redaktion wollte etwas Haptisches, Materielles machen, das von einer gewissen Dauer ist. Weil es gerade bei den Magazinen heute eine Tendenz gibt, das Greifbare aus ökonomischen Gründen aufzugeben. Doch wer genau hinschaut, sieht, dass es eine Vielfalt hochwertiger, auch nichtkommerzieller Print-Magazine gibt. Etwa das Magazin „Froh!“ aus Köln, das ich unlängst zufällig entdeckt habe. Das ist interessanterweise unserem Fux recht ähnlich, ohne dass wir uns kennen.

Das Magazin hat eine Auflage von 3000 Stück. Er kommt ganz ohne Werbung aus, wird mit Fördermitteln realisiert. Sie müssen sich also nicht am Markt behaupten.

Sobald wir über einen Markt nachdenken würden, müssten wir auch eine breitere oder auch sehr homogene Zielgruppe vor Augen haben. Dann besteht die Gefahr, dass der Fux zu wenig selbstbestimmt wird. Unser Vorteil ist, dass wir speziell für die Fachhochschule Potsdam Geschichten publizieren, auch um den auseinanderliegenden FH-Standorten ein gemeinsames Bild zu vermitteln.

Sie greifen aber auch Diskussionen um die Stadt Potsdam auf.

Wir wollen uns als Hochschule nicht als isolierte Zelle in der Stadt betrachten. Gerade die FH ist noch zu wenig in der Stadt angekommen.

Stefanie Müller-Durand (28) studiert Kulturarbeit an der Fachhochschule Potsdam. Zurzeit schreibt sie ihre Diplomarbeit über Kunstfestivals im städtischen Raum. Sie stammt aus Erfurt und lebt seit 2008 in Potsdam. Für das FH-Magazin FUX hat sie die Chefredaktion übernommen. Zuvor hat sie in Dresden Literatur und Geschichte studiert und mit dem Friedenskreis e.V. Friedensprojekte auf dem Balkan realisiert. Erste journalistische Erfahrungen sammelte sie in Erfurt bei einem Privatradio.

Sie müssten also das Magazin weiter streuen?

Nein, das wäre schon der nächste oder übernächste Schritt. Wir sind erst einmal dabei, zu hinterfragen, was der Hochschule selbst gut tut. Auch damit sie sich stärker auf sich selbst konzentrieren kann.

Das Leitthema der neuen Ausgabe ist Entfaltung, ich lese von Neuanfängen, Studienabbruch, aufrechter Haltung

die Themen ranken sich stark um die Persönlichkeiten, die am Magazin mitarbeiteten. Diese Fragen stellten wir uns, weil einige Fux-Macher am Ende des Studiums oder vor persönlichen Veränderungen stehen. Genauso stellen wir aber auch die Frage nach dem Entwicklungspotenzial der Hochschule, danach, wo die Zukunft der Wissensvermittlung liegt.

Eine andere Geschichte erzählt vom Ausstieg auf dem Biobauernhof.

Das ist die Geschichte einer Studentin, die ihr Bauingenieur-Studium abgebrochen hat, um ein anderes Leben zu führen. Es gibt immer wieder Studierende, die merken, dass eine Anhäufung von Wissen und Erfahrung innerhalb einer Stadt oder eines Berufs nicht alles im Leben sind. Das konkrete Leben, das Greifbare, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, die viel zu wenig stattfindet, das sind Bedürfnisse, die hinter so einem Wechsel im Leben stehen. Das ist eine Frage der Entfaltung. Dazu bedarf es natürlich auch einer gehörigen Portion Mut.

Wo sehen Sie sich später: in einem Newsroom der Tagesmedien oder eher bei einem Art-Magazin?

Für mich haben Magazine einen bedeutenden Stellenwert. Ich mag es einfach, mir auf diese Weise Wissen anzueignen, mich mit der Welt auseinanderzusetzen. Das kann ich mir gut vorstellen. Auch den Kulturjournalismus. Für die Redaktion des Fux gebe ich Ideen, plane, schreibe. Das liegt mir, ich bin jemand, der die Stricke zusammenhält, eher eine Führungspersönlichkeit. Aber alleine an einem Schreibtisch zu sitzen und einsame Entscheidungen treffen zu müssen, damit würde ich mich nie wohlfühlen.

Wie war das Interview mit dem FH-Präsidenten?

Sehr entspannt. Eckehard Binas ist eine interessante Persönlichkeit. Er ist reflektiert, hat sehr viel Wissen und kann ausschweifend über die Welt nachdenken.

Das Interview ist ohne ein Foto Ihres Gesprächspartners erschienen.

Das war Absicht. Ein Foto wäre gestalterisch zu naheliegend gewesen. Natürlich hat es eine journalistische Berechtigung, den Interviewpartner mit einem Bild zu zeigen. Aber ein Bild ist sehr viel starrer als ein Gespräch, das hat eine ganz andere Dynamik. Das haben wir uns bewusst gemacht und stattdessen Piktogramme entworfen, die die Antworten im Interview in verschiedene Symbole übersetzten. Für uns zählte hier das innere Bild, das die Leser sich von dem Interviewten machen.

Wir dürfen Sie aber schon fotografieren?

Selbstverständlich. Das ist ja Ihre Entscheidung, wie sie die Geschichte transportieren wollen.

Wie geht es mit dem Fux weiter?

Eine gute Frage. Ich schreibe gerade meine Abschlussarbeit. Das bedeutet, dass die koordinierenden Aufgaben bei der nächsten Ausgabe von anderen gemacht werden müssen. Ich werde natürlich noch weiter mithelfen. Ansonsten ist das kostenfreie Magazin zu zwei Dritteln über einen symbolischen Euro vom Semesterticket finanziert, das restliche Drittel haben wir bei der Kanzlerin der FH angefragt. Es muss also nur die Nachwuchsfrage geklärt werden.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

HINTERGRUND

Die dritte Ausgabe des FH-Magazins „Fux“ ist unlängst zum Thema „Entfaltung“ erschienen. Was den Menschen in seiner Entfaltung unterstützt, was ihm im Weg steht, das haben die Macher des Fux-Magazins der Fachhochschule Potsdam in den Mittelpunkt gestellt. Auf 68 Seiten beschäftigen sie sich mit Umwegen, Engagement und Idealen. Zwei Lehrende der Sozialen Arbeit erörtern in der Ausgabe die Voraussetzungen für eigenständiges Handeln. Eine Absolventin erzählt davon, wie man eine Abschlussarbeit im Team verfasst, eine andere spricht von ihren ernüchternden Erfahrungen während ihres Auslandssemesters im italienischen Florenz. Das Magazin erscheint einmal pro Jahr, an der Entstehung sind Studierende der FH Potsdam ehrenamtlich beteiligt. Das Magazin wurde nominiert für den Designpreis Brandenburg 2013 und erhielt den Ehrenpreis der Freunde und Förderer der FH. Die aktuelle Ausgabe ist am FH-Campus Pappelallee im Hauptgebäude, in der Friedrich-Ebert-Straße 4 vor dem Dekanat (1. Stockwerk) sowie beim Pförtner erhältlich. (PNN)

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