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Eberhard Kessels „Ende des Siebenjährigen Krieges“ aufgefunden und jetzt veröffentlicht

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„Das alles ist unwiederbringlich verloren“, schrieb der Historiker Eberhard Kessel 1966 resignierend an seinen Schüler Johannes Kunisch. Damit meinte er das Maschinen geschriebene Manuskript des Werkes „Das Ende des Siebenjährigen Krieges 1760 - 1763“. Als Mitarbeiter der Kriegsgeschichtlichen Abteilung des Großen Generalstabs hatte er es von 1939 an niedergeschrieben. Das Manuskript verbrannte bei einem Bombenangriff 1945 in seiner Berliner Wohnung, auch ein im Potsdamer Kriegsarchiv hinterlegtes Exemplar war nicht mehr aufzufinden.

Doch es wurde nicht vernichtet, sondern befand sich unter einem 1945 als Kriegsbeute in die Sowjetunion verbrachten Bestand. In den 80er Jahren gab ihn Moskau an die DDR zurück. Als das ehemalige Militärarchiv der Volksarmee nach der Wiedervereinigung aus Potsdam nach Freiburg (Breisgau) verlagert wurde, gelangte auch Kessels Manuskript dorthin. Hier wurde es von dem Potsdamer Militärhistoriker Eberhard Kroener gesichtet, der die hohe Bedeutung des Fundes erkannte. Das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) beauftragte daraufhin den jungen Historiker Thomas Lindner, das Manuskript aufzuarbeiten und zu kommentieren. Nunmehr ist der 1020 Seiten starke Band, dazu ein Schuber mit 41 Karten und Grafiken, im Schöningh Verlag erschienen und erlebte im MGFA seine Buchpremiere, mehr als sechs Jahrzehnte nach der Niederschrift.

Der 1986 verstorbene Eberhard Kessel hatte damit die vom Generalstab schon in der Kaiserzeit auf den Weg gebrachte detaillierte Darstellung der Kriege Friedrichs des Großen, ihrer Feldzüge, Schlachten, Belagerungen und Märsche fortgeschrieben. Bis zum Jahr 1914 waren bereits 19 Bände erschienen, dann wurde die Reihe mit Beginn des Ersten Weltkriegs eingestellt. Unbehandelt blieb die Endphase des Siebenjährigen Krieges 1760 - 1763. Diese Lücke füllte Kessel mit den beiden Teilbänden „Torgau und Bunzelwitz“ sowie „Schweidnitz und Freiberg“, benannt nach den Orten wichtiger Schlachten oder Belagerungen.

Prof. Dr. Johannes Kunisch machte in seiner Buchvorstellung deutlich, dass sich Kessel auf die Operationsgeschichte des Krieges konzentriert hat und damit dem Konzept der bis 1914 veröffentlichten Bände und wohl auch den Vorgaben seiner Auftraggeber im Generalstab folgte. Kunisch wie MGFA-Amtschef Dr. Hans Ehlert wiesen jedoch auch auf andere Arbeiten des Historikers hin, in denen er die friderizianischen Kriege in den gesellschaftlichen Zusammenhang gestellt hat.

550 000 Soldaten verloren im Siebenjährigen Krieg ihr Leben, mindestens ebenso viele Zivilisten. Besonders die Endphase war geprägt von Brandschatzungen, willkürlichen Verwüstungen, Plünderungen und anderen schweren Übergriffen gegenüber der Zivilbevölkerung. Auch Kessel wusste also, dass das von einigen Historikern gezeichnete Bild der „gebändigten Bellona“, also einer gemäßigten Kriegführung, für die absolutistischen Kriege im 18. Jahrhundert ein Trugbild war. Erhart Hohenstein

Eberhard Kessel, Das Ende des Siebenjährigen Krieges 1760 - 1763. Im Auftrag des MGFA herausgegeben von Thomas Lindner. Ferdinand Schönling Verlag, Paderborn 2007, ISBN 978-3-506- 75706-7.

Erhart Hohenstein

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