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Homepage: „Ein ideales Anbaugebiet“

„Bis zu 20 Prozent der Energie könnte biologisch sein“ Agrarforscher Jürgen Kern über die Zukunft der Bioenergie, schnellwachsende Gehölze und ihr Potenzial für Brandenburg „Pappeln und Weiden brauchen keinen Dünger“

Stand:

Herr Dr. Kern, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat der Bioenergie mehr oder weniger den Nutzen abgesprochen. Stehen wir vor dem Ende der Energiegewinnung aus Pflanzen?

Nein, mit Sicherheit nicht. Der Anteil der Bioenergie an den erneuerbaren Energien liegt in Deutschland derzeit immerhin bei 67 Prozent und auch weltweit liegt der Anteil in derselben Größenordnung. Es ist auch nicht absehbar, dass Sonne und Wind in den kommenden Jahrzehnten der Biomasse den Platz streitig machen. Natürlich hat die Biomasse ihre Grenzen. Die Studie der Leopoldina hat eine Diskussion zur weiteren Gestaltung der Bioenergieforschung angestoßen. Das ist gut. Gleichzeitig werden aber Handlungsnotwendigkeiten im Agrarbereich nicht aufgezeigt. Die Studie gibt so ein unausgewogenes Bild wieder.

Als ein Problem wird der zu hohe Flächenverbrauch durch Bioenergie genannt. Deckt sich das mit Ihren Erkenntnissen?

Nicht wirklich. Zumindest in Deutschland fand in den letzten Jahren ein verstärkter Energiepflanzenanbau in erster Linie auf stillgelegten Flächen statt. Das sind in der Regel sogenannte Grenzertragsstandorte, auf denen es sich nicht lohnt, Lebensmittel zu erzeugen. Denken Sie etwa an die Bergbaufolgelandschaften in der Lausitz. Da werden zum Beispiel Kurzumtriebsgehölze angebaut, das sind schnellwachsende Baumarten wie Pappeln und Weiden. Die bringen dort zwar keine sehr hohen Erträge, versprechen den Landnutzern aber doch einen gewissen Profit.

Was macht Pappeln und Weiden so interessant für Bioenergie?

Die schnell wachsenden Kurzumtriebsgehölze, also die Bäume, die nach oberirdischer Ernte schnell wieder ausschlagen, haben einmal gepflanzt ein nachwachsendes Rohstoffpotenzial von mindestens 20 Jahren. Der Vorteil dieser Anbaumethode liegt darin, dass der Boden nur einmal vor der Pflanzung gepflügt wird. Dadurch werden deutlich weniger Treibhausgase emittiert als beim Anbau einjähriger Kulturen wie Getreide, Mais und Raps, die eine jährliche Bodenbearbeitung erfordert. Eine besondere Rolle spielt hierbei das Lachgas, das für unser Klima etwa 300-mal schädlicher ist als Kohlendioxid.

Ist das auch eine Option für Brandenburg?

Gerade für die schnell wachsenden Gehölze ist Brandenburg ein ideales Anbaugebiet. Denn diese Gewächse haben eine sehr hohe Wasser- und Nährstoffausnutzung, was im relativ trockenen Osten Deutschlands ein echter Standortvorteil sein kann. Da braucht man keinen Stickstoffdünger. Regen und Boden reichen aus, um die Pappeln und Weiden bei Laune zu halten.

Die Konkurrenz des Bioenergiesektors zur Lebensmittelproduktion bleibt ein Problem.

Das will ich nicht kleinreden. Hier muss man kritisch hinschauen. Wenn wir unsere Tanks mit Palmöl aus Südostasien füllen, ist das nicht richtig. Wir haben allerdings neue Zertifizierungsregelungen, nach denen ein Landnutzungswandel auch außerhalb Deutschlands geprüft werden muss. Dadurch soll der Schutz sensibler Ökosysteme, wie des tropischen Regenwaldes, garantiert werden. Der Hauptkritikpunkt sind tatsächlich die Biokraftstoffe, die unter Verdacht stehen, nicht immer den gewünschten Effekt hinsichtlich der Minderung von Treibhausgasen zu haben. Aber auch für sie gibt es neue Regelungen, nach denen sie im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen mindestens 35 Prozent weniger Treibhausgase emittieren sollen. Bis zum Jahr 2018 wird diese Mindestanforderung schrittweise sogar bis auf 60 Prozent angehoben. Die Politik kann also Fehlentwicklungen entgegensteuern, sodass wir den künftigen Einsatz von Biokraftstoffen nicht gänzlich verdammen sollten.

Sehen Sie einen Mittelweg zwischen Bioenergie und Nahrungsmittelproduktion?

Durchaus. In Deutschland gehen wir diesen Weg bereits. Auf zweieinhalb Millionen Hektar werden derzeit Energiepflanzen angebaut, das sind nur 13 Prozent der verfügbaren landwirtschaftlichen Nutzfläche. Richtig ist allerdings, dass wir darauf achten müssen, die Flächen in erster Linie der Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung zu stellen. Die Förderpolitik für Bioenergie wie auch für andere erneuerbare Energiequellen dient dem Aufbau neuer eigenständiger Wirtschaftszweige im Energiesektor. Wenn die sich etabliert haben, kann die Förderung auch zurückgefahren werden.

Womit sollen wir in Zukunft unsere Biogasreaktoren befüllen?

Nicht nur Energiepflanzen, auch landwirtschaftliche Abfälle haben ein hohes, bislang nicht voll erschlossenes Potenzial für die Bioenergie. Gerade bei der Biogasproduktion spielen die Reststoffe etwa von Mais eine wichtige Rolle. Ursprünglich waren es ja auch tierische Reststoffe wie Gülle und Mist, die für die Biogaserzeugung vergoren wurden. Das seit Anfang des Jahres novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sieht nun eine besondere Förderung von Bioabfallvergärungsanlagen vor, immer dann, wenn der Abfallanteil mindestens 90 Prozent beträgt und die nachgerotteten Gärreste stofflich genutzt werden.

Die Landwirte sehen den Anbau von Energiepflanzen recht positiv. Sie verweisen darauf, dass bei der Produktion auch Futtermittel für Tiere anfallen. Sie sagen, sie produzieren für Tank und Trog.

Das ist richtig. Das hat die Leopoldina-Studie nicht ausreichend beachtet. Wenn man die gesamten Reststoffverwertungsmöglichkeiten betrachtet, dann sieht die Ökobilanz am Ende doch sehr viel günstiger aus.

Gerade die Fleischproduktion mit ihrem hohen Futtermittelbedarf ist aber ein Problem. Sollten wir weniger Fleisch essen?

Ich bin kein Vegetarier, aber jeden Tag muss man nicht Fleisch essen. Grundsätzlich wird in Deutschland zu viel Fleisch verzehrt, einmal in der Woche sollte reichen.

Welche Alternativen gibt es, außer Soja?

Bei der Frage der Eiweißversorgung von Tier und Mensch interessieren wir uns generell für die Pflanzenfamilie der Leguminosen, also der Hülsenfrüchte, wozu auch Soja zählt. Diese Pflanzen sind in der Lage, durch ihre Wurzel-Pilz-Symbiose den Luftstickstoff zu binden. Das erklärt auch ihren relativ hohen Eiweißgehalt. Hülsenfrüchte, wie Bohnen, Erbsen und Linsen, die früher selbstverständlich zum Speiseplan gehörten, sind aus der Mode gekommen. Eine Renaissance der eiweißhaltigen Pflanzen ist aber durchaus denkbar. Neue Förderprogramme sind vom Bund geplant, um die Züchtungsforschung heimischer Leguminosen voranzubringen und damit zum Beispiel den massiven Soja-Import aus Brasilien nach Deutschland einzudämmen.

Aber Monokulturen sind ein Problem.

Ja, das stimmt. Durch Monokulturen verringert sich zwangsläufig die Artenvielfalt. Gerade auf die Biodiversität muss aber geachtet werden, denn sie trägt mit dazu bei, dass unsere Böden nicht ausgelaugt werden und fruchtbar bleiben.

Wie lassen sich die Nahrungs- und Bioenergieproduktion kombinieren?

Zum Beispiel durch Agroforstsysteme. Das sind Mischbestände von nachwachsenden Gehölzen, kombiniert mit Nahrungsmittelanbau. Außerdem kann Tierhaltung auf derselben Fläche integriert werden. Weitere Beispiele für traditionelle Agroforstsysteme in Deutschland sind Streuobstflächen sowie die Waldweidenutzung. Früher waren diese ökologisch wertvollen Nutzungsformen viel weiter verbreitet, im Zuge der Intensivierung und Mechanisierung der Landwirtschaft sind sie aber stark zurückgegangen. Ich halte es für sehr wünschenswert, dass land- und forstwirtschaftliche Nutzung in Zukunft wieder stärker miteinander verbunden werden.

Was ist mit der sogenannten Wunderkohle, die sich aus biologischen Abfällen gewinnen lässt?

Zunächst einmal würde ich nicht von einem Wundermittel sprechen. Wir werden mit dem thermischen Verfahren, das bei mindestens 200 Grad Celsius läuft, kurzfristig nicht alle Abfallprobleme lösen. Aber die als Biokohlen oder Pflanzenkohlen bezeichneten energiereichen Stoffe haben weitaus mehr Potenziale.

Welche?

Wir wollen Biokohle nicht nur energetisch, sondern auch stofflich nutzen. Gerade im Land Brandenburg könnte ein solches aus Biomasse gewonnenes Kohlegranulat helfen, die nährstoffarmen Sandböden aufzuwerten. Wir erhoffen uns so, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Einmal Kohlenstoff in einer stabilen Form zu binden, um auf die Weise die Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid zu verringern. Zum anderen haben diese Kohlenstoffverbindungen den Vorteil, Böden hinsichtlich ihres Wasser- und Nährstoffhaltevermögens zu verbessern. Die Forschung steht da gerade erst am Anfang. Es könnte auch Risiken geben hinsichtlich neuer Stoffe, die sich bei dem Prozess bilden können. Damit befassen wir uns derzeit sehr intensiv.

Wo sehen Sie die Bioenergie in 20 Jahren?

Wir schätzen den Anteil, den die Bioenergie für den gesamten Primärenergieverbrauch bereitstellen kann, bei zehn bis 20 Prozent. Im Moment sind es acht Prozent. Das ist ausbaufähig, bis zu 15 Prozent sind auf jeden Fall drin, gerade mit den Kurzumtriebsplantagen. Die haben wir bisher nur auf einer Fläche von 4000 Hektar. Da kann noch viel mehr passieren.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Jürgen Kern (56) ist Koordinator des Forschungsprogramms „Stoffliche und energetische Nutzung von Biomasse“ am Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB).

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