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Landeshauptstadt: Ein Jahr nach der Eröffnung abgebrannt

Potsdams Traditionsbäcker Braune feiert seinen 160. Geburtstag mit einer Nacht des Backens

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Holzgetäfelte Wände, ein großer Seitenspiegel, Tüllgardinen über dem Schaufenster – wer den Laden von Bäcker Braune in der Friedrich-Ebert-Straße betritt, macht eine Zeitreise in die Dreißigerjahre. Aus dieser Dekade stammt nahezu die komplette Inneneinrichtung des Potsdamer Traditionsbäckers, der am „Tag des Handwerks“ am Samstag offiziell sein 160. Jubiläum feiert. „Festakt“ des Ganzen ist die Nacht des Backens, die bereits am Freitag um zehn Uhr abends beginnt, und bei der Besucher die Backstube bei laufendem Betrieb erleben können.

Von den 127 Handwerksbäckern, die es vor 80 Jahren noch in Potsdam gab, ist Braune heute einer von vier verbliebenen. Traditionen werden hier gepflegt: Braune ist der einzige Potsdamer Bäcker, der – so wie früher üblich – montags geschlossen hat. „Manche Kunden haben dafür kein Verständnis“, sagt Konditormeister Werner Gniosdorz, „aber heute, wo man alles einfrieren und aufbacken kann, kommt man doch einen Tag ohne Bäcker aus.“ Ganz konsequent verkauft Braune auch keine Brezeln und anderes Laugengebäck: „Dafür gibt es hier in Brandenburg keine Tradition“, begründet Gniosdorz. Der 57-Jährige, der den Betrieb in fünfter Generation führt, weiß, wovon er spricht, denn anlässlich des 150. Jubiläums 2003 hatte er sich intensiv in die umfangreichen historischen Dokumente vertieft, die seine Vorfahren hinterlassen hatten. Dazu zählen auch Unterlagen seines Ururgroßvaters Gustav Braune, mit dem vor 160 Jahren alles begonnen hatte: Am 2. Juli 1853 kaufte Braune für 8500 Taler das Haus in der Nauener Straße 19, in dem bereits seit 1734 gebacken wurde.

Braune hatte in Potsdam kurz zuvor einen Meisterbrief gemacht und musste von Anfang an mit vielen Problemen kämpfen: Die Bäckerei, auf dessen Hof sich ein Sarglager und eine Tischlerwerkstatt befand, war mit 7100 Talern überschuldet. Am siebten Mai 1854 brach ein Feuer aus, welches das Haus zum Teil zerstörte, da die Löschkräfte erst eine Stunde nach Ausbruch des Brandes eintrafen. Erst ein Jahr später konnte Gustav Braune seine Bäckerei wiedereröffnen.

1893 übernahm sein Sohn Wilhelm das Geschäft. Er ließ den Laden noch im selben Jahr komplett neu einrichten und versah ihn für 1168,50 Mark mit Blattgold, Spiegeln und Marmorplatten. Nachdem die Bäckerei den ersten Weltkrieg gut überstanden hatte, übernahm 1920 Wilhelm Braune junior das Ruder.

Zwischen 1921 und 1931 folgte eine große Modernisierung – es sollte für lange Zeit die letzte bleiben: Der erste elektrische Teigkneter wurde angeschafft, der Betrieb vergrößert und der Verkaufsraum erhielt das Aussehen, so wie man es heute kennt. Nach dem Bombenangriff am 14. April 1945 wurde das Haus beschädigt und der Betrieb musste eine Woche ruhen, auch nach der Besetzung Potsdams wurde die Arbeit für einige Tage eingestellt – die einzigen Betriebsunterbrechungen in der Geschichte der Bäckerei.

Wilhelms Tochter Käte Braune heiratete 1952 den Potsdamer Bäckermeister Josef Gniosdorz; die Übernahme des Familiennamens Braune lehnte das Standesamt jedoch ab. In der Mangelwirtschaft der DDR hatten es vor allem Konditoren nicht leicht: „Wir bekamen 100 Kilo Sultaninen zugewiesen – damit mussten wir ein Jahr auskommen!“, sagt Werner Gniosdorz. Doch auch mit dem täglich' Brot ließ sich schlecht wirtschaften, da die Preise vom Staat festgelegt waren: „Eineinhalb Kilo Roggenbrot kostete immer 78 Pfennig“, erinnert sich Gniosdorz.

Werner Gniosdorz, der praktisch in der Bäckerei aufgewachsen ist, begann ab 1984 mitzuarbeiten und übernahm das Geschäft 1989 wenige Monate vor dem Mauerfall. Mit der Einführung der D-Mark halbierten sich die Produktionsmengen von einem Tag auf den anderen, da die Potsdamer nun auch im Westen einkaufen konnten – nach der ersten Euphorie kamen die Kunden jedoch langsam wieder zurück. Es war eine dringende Modernisierung der Technik nötig; bis 1990 war sogar noch ein Ofen von 1922 genutzt worden. „Nach der Wende kam ein französischer Bäcker zu Besuch“, erzählt Gniosdorz, „er konnte nicht fassen, dass in der Backstube neben einem neuen Teigkneter noch ein alter mit Riemenantrieb stand. ‚Hier fehlt eine ganze Generation an Maschinen!’, meinte er.“ Heute hat die Bäckerei 20 Mitarbeiter, über die Hälfte davon ist seit 20 Jahren dabei. Ob Braune auch in Zukunft ein Familienbetrieb bleiben wird, schien bislang unklar: Gniosdorz' ältere Tochter arbeitet als Reisekauffrau, die jüngere hat Biologie studiert. Doch es tut sich was: „Meine jüngere Tochter hat ein Jahr lang in Belgien als Biologin gearbeitet – und jetzt lernt sie Konditorin“, sagt der Konditormeister. „Was auch immer das heißen mag! Mehr weiß ich an dem Punkt auch noch nicht.“ Wer weiß – vielleicht hat Braune in einigen Jahren ja seine erste weibliche Inhaberin. Erik Wenk

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