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Bilder gegen die Angst. Eine mehr als zehnjährige Drogenkarriere hat Marina U. hinter sich. Heute ist die HIV-positive Potsdamerin clean, kann sogar wieder arbeiten  und malt. In den Räumen der Aidshilfe stellt die 47-Jährige ihre Bilder erstmals aus.

© Andreas Klaer

Von Jana Haase: Ein Kind vom Bahnhof Zoo

Jahrelang ging es für Marina U. nur bergab: Drogen, HIV, Knast. Die Aidshilfe zeigt jetzt Bilder der Potsdamerin

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Sie war eines der Kinder vom Bahnhof Zoo. Dass Marina U. heute lebt und über diese Zeit erzählen kann, ist gelinde gesagt ein Wunder. In den 1980er Jahren spritzte sich die gebürtige Berlinerin Heroin, nahm Schlaftabletten, war obdachlos und arbeitslos. Jahrelang bewegte sich ihr Leben scheinbar nur in eine Richtung: nach unten. Sie saß im Knast wegen der Drogen, ging nach Hamburg zum Entzug, wurde rückfällig. „Christiane F., die kannte ich auch“, sagt Marina. Als sie 1985 auch noch die HIV-Diagnose bekam – zu einer Zeit, als die Mediziner der tödlichen Immunschwächekrankheit hilflos gegenüberstanden – wollte sie sich aufgeben. Wozu die Qual mit dem Entzug? „Ich sterbe doch eh, dann kann ich auch weitermachen“, beschreibt die 47-Jährige ihre Gedanken von damals: „Dass ich überlebt habe, war Glück.“ Drogen, sagt sie heute in der Rückschau, „sind der Drachen, der dich zerfrisst.“

Marina U. hat sich nicht fressen lassen. Heute ist sie clean, wohnt in Potsdam, geht sogar wieder arbeiten, in einer Werkstatt. Nicht jeder in ihrer Umgebung weiß von ihrer Geschichte, deswegen will sie ihr Foto auch nicht in der Zeitung sehen. Gegen die Angst vor der Krankheit und vor dem Tod malt Marina heute Bilder. Seit gestern zeigt sie die Werke erstmals öffentlich: In den Räumen der Aidshilfe Potsdam, die anlässlich des 20-jährigen Vereinsgeburtstages zum Tag der offenen Tür eingeladen hatte.

Dort, in der Kastanienallee 27, sind nicht nur gemalte Bilder zu sehen, sondern auch Collagen, Zitate und Fotos, die Marinas Weg illustrieren: Die schwierigen Zeiten, aber auch die Erfolge – Marina ist bei der Arbeit mit Kollegen zu sehen, oder entspannt beim Spaziergang im Park. Mit Tusche, Kreide, Bleistift arbeitet die 47-Jährige, aber auch Röntgenbilder macht sie zu Kunst. Die Ideen, erklärt sie, die sind plötzlich einfach da: „Bilder sind für mich Freiheit.“

Marina U. ist eine Kämpferin – mit ihren wachen Augen, der kleinen, robusten Figur, dem Bürstenhaarschnitt. Dass sie trotz Krankheit und Drogenkarriere den Schritt zurück ins Leben gepackt hat, dabei hat ihr auch der Potsdamer Aidshilfe-Verein geholfen.

„Die Aidshilfe war am Anfang mein Anlaufpunkt, um nicht allein zu sein“, erzählt Marina von den ersten Kontakten 1999. Und Sozialarbeiterin Sabine Frank erinnert sich an sie als Klientin, die sich zuerst für invalide und arbeitsunfähig gehalten hatte. „Das war ein langer Weg“, rekapituliert die Sozialarbeiterin. Dass Marina ihre Bilder jetzt bei der Aidshilfe zeigt, sei auch ein Zeichen des Vertrauens in die Arbeit der Aidshilfe.

Marina ist eine von rund 60 HIV-Betroffenen aus Potsdam und ganz Brandenburg, die die Aidshilfe um die beiden Sozialarbeiterinnen Hortense Lademann und Sabine Frank, den Projektmitarbeiter Alexander Leffers und rund ein Dutzend Ehrenamtler heute betreut. Laut Robert-Koch-Institut leben in Brandenburg derzeit 610 Menschen mit dem HI-Virus.

Neben der Präventionsarbeit an Schulen und auf der Straße, aber auch für Mediziner, ist die Betreuung von Betroffenen ein Schwerpunkt der Aidshilfe. Die Mitarbeiter beraten in persönlichen Treffen, begleiten Betroffene bei Amtsgängen oder bei der Arbeitssuche: Denn seit 1996 wirksame Medikamente verfügbar sind, ist den Betroffenen auch der Blick in die Zukunft wieder erlaubt.

Dafür ist auch das „Rote-Schleifen-Frühstück“ jeweils am 2. und 4. Freitag des Monats ein Forum. Es werde sowohl von HIV-Positiven als auch von Angehörigen genutzt, berichtet Sabine Frank. Auch Marina ist Stammgast. Über die Jahre hinweg seien aus den Treffen bei der Aidshilfe Freundschaften gewachsen, erzählt sie: „Hier ist mein Halt.“

Die Ausstellung ist bis Ende Februar zu den Öffnungszeiten der Aidshilfe jeweils montags und mittwochs von 14 bis 20 Uhr und beim „Rote-Schleifen-Frühstück“ am 11. und 25. Februar ab 10 Uhr zu sehen.

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