AUS DEM KLASSENZIMMER: Ein kleiner Moment mit großer Wirkung
In den PNN berichtet die Grundschule am Pappelhain regelmäßig über ihren Alltag im Pilotprojekt „Eine Schule für alle“ des Landes Brandenburg. Heute schreibt eine Lehrerin über ein eher unauffälliges Mädchen.
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In den PNN berichtet die Grundschule am Pappelhain regelmäßig über ihren Alltag im Pilotprojekt „Eine Schule für alle“ des Landes Brandenburg. Heute schreibt eine Lehrerin über ein eher unauffälliges Mädchen.
B. besucht die 2. Klasse einer inklusiven Grundschule. Sie ist ein sehr schüchternes und sensibles Mädchen, das sprachliche Auffälligkeiten hat und eine verlangsamte Arbeitsweise aufweist. Ihr Schulbesuch ist von Unregelmäßigkeiten geprägt. Oft hat sie „Bauchschmerzen“, wenn sie von anderen Kindern gehänselt wurde oder sie kommt zu spät in die Schule, weil die Mutter verschlafen hat. B.s Mutter hat psychische Probleme und erhält Unterstützung bei ihrer Lebensbewältigung.
Es ist die dritte Februarwoche. Die 23 Kinder der 2. Klasse haben sich nach den Winterferien wieder gut an ihren Schulalltag gewöhnt und morgens herrscht das alltägliche Durcheinander. Da sehe ich, wie B., die gestern – mal wieder– gefehlt hat, die Klasse betritt. Oft setzt sie sich dann still und leise auf ihren Platz und wartet auf den Stundenbeginn, ohne weiter aufzufallen. Ich entscheide mich heute für die direkte Konfrontation und frage sie, warum sie gestern nicht in der Schule war. „Ich habe Mama nicht wach bekommen.“ Ein ernster Gesichtsausdruck, eine bebende Unterlippe. Die Zeit bleibt stehen, der Kinderlärm rückt in weite Ferne und für einen Augenblick gibt es nur B. und mich. „Erkläre mir das bitte genauer“, höre ich mich sagen. „Ich habe Mama nicht wach bekommen, und ich hatte so eine Angst, dass sie nicht mehr aufwacht.“ „Und was hast du dann gemacht?“ „Ich habe so lange gewartet, bis sie wieder aufgewacht ist.“ Ich nehme sie in den Arm und sage ihr, dass ich mich freue, dass sie heute wieder da ist und dass es ihrer Mama wieder besser geht. Der Kinderlärm kehrt zurück und damit verbunden der alltägliche Trubel.
Was müssen diese kleinen Menschen schon mit sich herumtragen? Oft entscheidet ein kleiner Moment, in welche Richtung ihr Tag verläuft. Zeit und Ruhe sind dabei entscheidend. Faktoren, die auch an unserer inklusiven Schule Mangelware sind. B. erscheint mir an diesem Tag anhänglicher als sonst. Sie blüht förmlich auf und ich kann ihren Redeschwall kaum stoppen.
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