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Von Torsten Hilscher: Ein Liliput-Schiffshebewerk

Im Berliner Technik Museum entsteht detailgetreuer Nachbau des berühmten Bauwerkes von Niederfinow

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Berlin/Niederfinow - Auf den Berliner Flohmärkten gelten die beiden Senioren Dieter Masella und Wolfgang Tanneberg als sympathische Sonderlinge. Denn wenn sie in Gebrauchtem stöbern, geht es ihnen nicht um alte Lampen oder Mobiliar, sondern um Schräubchen, kleine Nieten und winzige Seile – je kleiner, desto besser.

Schließlich haben sie eine Mission: Sie wollen im Maßstab 1:50 das Schiffshebewerk Niederfinow nachbauen. „Das originale 1:50-Modell von 1926 haben 1948 die Russen mitgenommen“, sagt Masella. „Das Urmodell hatte eine Firma in Köln gefertigt. Es stand zunächst im Berliner Baumuseum und nach dem Krieg im Hamburger Bahnhof.“ Der Maschinenbauer Jahrgang 1938 ist der technologische Kopf des Zwei-Mann-Unternehmens, das seit mehr als drei Jahren an dem 2 Meter langen und 1,80 Meter hohen Nachbau des technischen Wunderwerkes im Landkreis Barnim werkelt. Das Technik Museum Berlin hat ihnen dafür eine Werkstatt im Haus zur Verfügung gestellt.

„Die Idee zum Nachbau hatte 1994 Siegfried Rudolph, ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Museums“, sagt Masellas Mitstreiter Tanneberg. Rudolph starb 2006. 2011 soll das neue Modell fertig sein. Dann sind insgesamt 13 Jahre seit den ersten praktischen Arbeiten vergangen.

Bis dahin steht den beiden rüstigen Rentnern noch viel Arbeit bevor, die mit normalem Modellbau eigentlich nicht zu vergleichen ist. „Wir haben zwar auf die alten Konstruktionspläne Zugriff und fahren regelmäßig nach Niederfinow, um Fotos zu machen“, berichtet Masella. Aber all die Kleinstmotoren oder Hubanlagen müssen eigens konstruiert werden. Schließlich soll später das Liliputhebewerk als sogenanntes Funktionsmodell - ohne Wasser – tatsächlich bewegliche Teile haben. Auf einer künstlichen Landschaft simulieren dann Schiffe, wie sie über eine Brücke von oben ins Hebewerk gleiten und sich per Aufzug einen Meter nach unten senken lassen.

Fast auf das Gramm genau müssen die Gegengewichte zum Trog-Gewicht passen. „Das war nicht einfach“, sagt der 68-jährige Tanneberg ein wenig stolz und streicht mit dem Finger über die glatten Klötzchen aus Kunststoff. Selbst die verborgene Sicherheitstechnik aus Niederfinow wird in dem Modell nachempfunden.

„Damit könnte der Trog sanft aufgefangen werden“, sagt Masella. „Das ist schon eine grandiose technische Leistung, was die damals vollbracht haben."

Während Mitte der 1920er Jahre zahlreiche Entwurfsbüros der deutschen Ingenieurskunst zu Höhenflügen in Niederfinow verhalfen, sind Masella und Tanneberg auf sich allein gestellt. Das Museum zahlt zwar Material und Aufwandsentschädigungen, ansonsten müssen aber viele Bauteile neu berechnet werden. „Ein Computerprogramm nutze ich dafür nicht“, sagt Masella. Allein eine Formel zur Winkelberechnung habe er aus dem Internet gezogen. Ansonsten wird am Taschenrechner und auf dem Zeichenbrett getüftelt. Am Schluss soll ein 100 Kilo schweres Modell ganz aus Messing stehen.

Genau genommen ist der Nachbau Uhrmacherhandwerk. „Manches Werkzeug haben wir selbst gefeilt“, erzählt Masella. Dazu zählt auch eine Nietzange, mit deren Hilfe die kaum sichtbaren Stecker von 0,8 Millimetern Durchmesser durch schmale Platten und Streben gesteckt werden. „Wir nieten die Elemente tatsächlich so, dass es eine tragbare Konstruktion wirdt“, sagt Tanneberg. Inzwischen sind 38 000 Nietlein verbaut. Das Original-Hebewerk wird von fünf Millionen Nieten zusammengehalten, was den beiden Bastlern dann aber doch zu viel war. Genau sind sie hingegen bei den Hubseilen. 252 Stück wie am Original werden den Trog ziehen und halten. „Dünn, rostfrei und flexibel – so was muss man erst einmal bekommen“, sagt Masella. Gefunden haben sie die Seile letztlich auf dem Flohmarkt.

Torsten Hilscher

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