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Das Konzept der Inneren Führung verlangt von den Soldaten, dass sie einen moralischen Kompass in sich tragen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Bundeswehr diskutierte in Potsdam über Innere Führung: Ein Maßstab, den Soldaten in sich tragen

Die Bundeswehr hat in Potsdam über das Konzept der Inneren Führung diskutiert. Es soll die Soldaten befähigen, selbst Entscheidungen zu treffen, wenn die Äußere Führung ins Verderben führt.

Potsdam - Der Begriff mutet zunächst sperrig an, ist nicht greifbar – und doch ist es ein so grundlegendes wie wichtiges Prinzip der Bundeswehr: Innere Führung. Nicht nur Zivilisten, auch viele Truppenangehörige wissen mit diesem grundlegenden Konzept der Bundeswehr wenig anzufangen. Vor allem ist es aber eines: eine Lehre aus dem Nationalsozialismus, der Grundstock der nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufgebauten demokratischen Armee. Und weil auch in der heutigen Truppe diesbezüglich noch Nachholbedarf besteht, fand am vergangenen Mittwoch ein Panel unter dem Titel „Innere Führung – konkret für junge Soldatinnen und Soldaten“ in Potsdam statt. Veranstaltet vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw). Voller Saal – das Publikum: fast ausschließlich Soldaten.

Innerhalb der Truppe gelte die Innere Führung als „etwas Monstranzartiges“, sagte der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), bei der Veranstaltung. „Deshalb mögen es viele auch nicht so gerne.“ Eine Statistik des ZMSBw aus dem Jahr 2013 gibt ihm Recht: In der Gruppe der 17- bis 25-jährigen Soldaten beurteilten 47 Prozent der Befragten das Konzept als „teils positiv, teils negativ“ und sieben Prozent als negativ. Und das bei einer tragenden Säule des Truppen- Selbstverständnisses. Die Befragung ergab: Je jünger die Soldaten, desto weniger können sie mit dem Begriff der Inneren Führung etwas anfangen, desto negativer stehen sie dem Konzept gegenüber.

Das Gegenteil von Befehl und Gehorsam

Um Innere Führung zu begreifen, sagte Bartels, helfe es, sich ihr Gegenteil bewusst zu machen: Äußere Führung. Befehl und Gehorsam. „Es gibt aber etwas anderes, auf das man auch hören muss“, sagte der Wehrbeauftragte. „Und das muss ein Maßstab sein, den jeder Soldat in sich hat: ein Urteil über Gut und Böse, über Falsch und Richtig, über Recht und Unrecht.“ Das sei es, was Innere Führung im Kern ausmache, sagte Bartels. Wenn die Äußere Führung – wie in der deutschen Geschichte – ins Verderben führe, müsse jeder Soldat in der Lage sein, selbst eine Entscheidung zu treffen.

Im Klartext: Es geht um den Staatsbürger in Uniform. „Er muss die Gesellschaft, in der er lebt, bejahen“, sagte Thomas Kossendey (CDU), der bis 2013 Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium war. „Wer diese Gesellschaft nicht bejaht, wird nicht in der Lage sein, sie glaubwürdig zu verteidigen.“

Anlass ist das aktuelle Geschehen in der Truppe

Dass ausgerechnet jetzt über das grundlegende Prinzip in der Bundeswehr diskutiert wird, kann auch als Reaktion auf die jüngsten Vorfälle in der Bundeswehr gesehen werden. Missbrauchsvorwürfe nicht nur in Pfullendorf, der aufgeflogene mutmaßliche Rechtsterrorist Franco A., 400 neue Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus in der Truppe allein im vergangenen Jahr. Entsprechend einer „Weisung für die politische Bildung im Jahr 2018“ sollen die Soldaten künftig auch einen Werte-Unterricht erhalten, wie jüngst die „Bild“-Zeitung berichtete. Die Themenauswahl soll dabei „ihren Bezug im aktuellen Geschehen“ finden, zitierte die Zeitung aus der Weisung. Konkret sollen die Soldaten demnach in den Themen „Würde/Werte“ sowie „Historische Bildung und Tradition“ geschult werden.

Mit der Veranstaltung zeigte das ZMSBw dann auch, dass die aktuelle Kritik der Linke-Fraktion im Bundestag ganz offensichtlich fehlgeht. Die Fraktion hatte dem Bundeswehr-Institut Mitte Januar vorgeworfen, dass es den Nationalsozialismus und den Holocaust ignorieren würde. Zu der Veranstaltung eingeladen hatte das Institut schon im Dezember, einen Monat vor der Kritik der Linke-Fraktion. Der wissenschaftliche Leiter des Instituts, Michael Epkenhans, hatte im PNN-Interview entgegnet: „Das ZMSBw hätte sich gewünscht, dass seine Forschungen gerade zu diesem wichtigen Thema in Gänze ein wenig intensiver beobachtet worden wären.“ Aktuell bereitet eine Historikerin des Zentrums eine Veröffentlichung zu Gewaltexzessen an der Ostfront vor.

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