Landeshauptstadt: Ein Ofen, der in der Zimmerecke schwebt
Designstudenten der Fachhochschule präsentieren ihre Arbeiten bis Sonntag in der Ausstellung „Applaus“
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Es ist ein Kachelofen. Aber was für einer! Als wärmespendendes Ei soll er in der Wohnzimmerecke schweben, nur in der Wand verankert: „Feuerstelle“ nennt Jan Gerlach seinen Entwurf schlicht. Ein Designerstück, in dessen wohliger Wärme – befeuert wird der Ofen mit Holz – moderne Großstadtnomaden dem Stress des Jetzt entkommen und sich beim Blick ins Feuer in frühere Zeiten träumen können. Kachelöfen, meint der angehende Produktdesigner der Fachhochschule Potsdam (FH), sind im Kommen: Denn der Mensch von heute besinne sich wieder auf alte Werte, strebe nach Einfachheit, Unabhängigkeit und Authentizität.
Das Ofen-Ei ist eines von 64 Ausstellungsstücken, die noch bis zum morgigen Sonntag im FH-Hauptgebäude in der Pappelallee zu sehen sind. Unter dem Titel „Applaus“ lädt der Fachbereich Design bereits zum sechsten Mal zur Leistungsschau seiner Absolventen ein: Produktdesigner, Interfacedesigner, Kommunikationsdesigner und Medienwissenschaftler zeigen mit ihren Abschlussarbeiten, wie man den Alltag gleichzeitig funktional und schöner machen könnte.
Den Preis für eine herausragende Abschlussarbeit konnte gestern Jan Wielert entgegennehmen. Der 26-Jährige entwickelte ein Konzept zum innerstädtischen Güterverkehr: Bei „S-Cargo“ soll ein Paketlieferdienst ans S-Bahnnetz gekoppelt werden. Dazu entwarf Wielert eine Art „Anhänger“ mit eigenem Motor, die sich im Schlepptau von S-Bahn-Zügen durch die Stadt bewegen. Das Be- und Entladen kann unabhängig von den Haltestellen passieren – nötig sei lediglich ein kurzes „Abstellgleis“. Flächen dafür gebe es in Berlin genug. Der Vorteil liegt auf der Hand: Straßen könnten vom Verkehr entlastet werden. Bei Konzepten zum innerstädtischen Verkehr würde das Gütergeschäft oft zugunsten des Personenverkehrs vergessen, erklärt Wielert. „Dabei macht der Güterverkehr einen Großteil des städtischen Verkehrs aus – und er behindert den Personenverkehr.“
Aus der Stadt und in die Natur hat sich indes Christoph Köhler begeben. Durch die RBB-Dokumentation „20 Mal Brandenburg“ erfuhr er von zwei Marmeladenmacherinnen in Boitzenburg in der Uckermark, die für ihre Spezialitäten vor allem auf Wildfrüchte setzen: Walderdbeere, Hagebutte, Schlehe oder Eberesche-Kirsche. Für die Manufaktur der beiden entwickelte der 28-Jährige ein neues „Corporate Design“ – mit Logo, einer eigenen Schrift, Verpackungen und einem Konzept für platzsparende Messeverkaufsstände. Ob Angela Siebert und Gudrun Fidorra aus Boitzenburg das neue Design tatsächlich übernehmen, ist allerdings noch eine Geldfrage, räumt der Kommunikationsdesigner ein.
Auch Jan Gerlachs Ofen-Ei gibt es vorerst nur als Prototyp. Entstanden ist es in Zusammenarbeit mit der traditionsreichen Ofenfabrik im brandenburgischen Velten, erzählt der 30-Jährige. Jahrhundertealtes Handwerk hat er dabei mit modernsten Technologien kombiniert: „Die Form ist komplett am Computer entstanden“, sagt er. Der berechnete die genaue Form der Kacheln, die Gerlach dann zunächst aus Gips ausgesägt hat – mit einer computergesteuerten Fräse in der FH-Werkstatt. Diese neuen Werkzeuge würden im Ofenbau bislang noch nicht angewendet – dabei ermöglichten sie die Herstellung ungewöhnlicher Formen auch in kleinen Stückzahlen. An seinem Ofen-Ei will Gerlach weiter tüfteln: So habe sich eine Cottbuser Firma gefunden, die den Brennraum optimieren soll – damit es garantiert keinen Qualm gibt.
„Applaus“ im FH-Hauptgebäude, Pappelallee 8-9, geöffnet am heutigen Samstag von 11 bis 22 Uhr und am morgigen Sonntag von 11 bis 18 Uhr.
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