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Landeshauptstadt: „Ein Stück Russland“

Russisch-orthodoxer Friedhof in unmittelbarer Nachbarschaft zum jüdischen Friedhof geweiht

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Nauener Vorstadt - Mit einem Gottesdienst, Prozessionen, Gesängen und Gebeten weihte die russisch-orthodoxe Gemeinde gestern am nördlichen Fuß des Kapellenberges ihren neuen Friedhof ein. Das Einweihungsgebet in russischer Sprache verlieh dem Wunsch Ausdruck, dass die Seelen der Körper, die hier ruhen werden, einmal das ewige Leben finden mögen.

Erzpriester Georgij Antonjuk, Dekan der russisch-orthodoxen Kirche von Berlin und Brandenburg, sparte nicht mit Weihwasser, um das Terrain in unmittelbarer Nachbarschaft zum jüdischen Friedhof zu segnen. Es sei wichtig, dass die Gemeinde jetzt einen Platz für das ewige Leben habe. Die etwa hundertköpfige Gemeinde nahm großen Anteil an der über zweistündigen Einweihungszeremonie, die mit Ausnahme des „Vaterunsers“ in russischer Sprache stattfand.

Unter den Gästen befanden sich Ministerpräsident Matthias Platzeck, Oberbürgermeister Jann Jakobs und die Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Birgit Müller. Außer diesen Gästen begrüßte der Potsdamer Erzpriester Anatolij Koljada Stadtkonservator Andreas Kalesse, der seinen blauen russischen Orden angelegt hatte, besonders herzlich.

Ministerpräsident Platzeck erinnert daran, dass seit 250 Jahren Russen in Potsdam und im Land Brandenburg leben. Gegenwärtig seien es im Land „viele Tausende“. Während seiner Ansprache wollte Platzeck Pausen zwecks Übersetzung ins Russische einlegen, worauf Koljada rief: „Alle verstehen Deutsch“. Später erläutert er, dass „99 Prozent“ seiner Gemeindemitglieder Deutsche seien.

Platzeck sagte, dass von nun an die hier lebenden Angehörigen russisch-orthodoxen Glaubens in „russischer Erde bestattet“ werden könnten und bezeichnete das Friedhofsgelände als „ein Stück Russland“. Es habe viele Jahre gedauert, bis für den Friedhof eine Lösung gefunden wurde. Eine wichtige Voraussetzung, nämlich die Anerkennung der russisch-orthodoxen Kirche als Körperschaft öffentlichen Rechts, musste erfüllt sein, um der Gemeinde das Gelände zu übertragen. Laut Kalesse handelt es sich um städtischen Grund und Boden, der zum Areal der Russischen Kolonie Alexandrowka gehört. Zuvor befanden sich hier Kleingärten. Auch das benachbarte Stück sei als „Friedhofserwartungsland“ deklariert, so dass eine spätere Erweiterung möglich erscheint. Der Stadtkonservator zeigte sich sichtlich glücklich über die Friedhofsweihe. Damit sei die programmatische Ausrichtung der Russischen Kolonie 180 Jahre nach ihrer Errichtung auf Anordnung Friedrich Wilhelms III. nun zum Abschluss gebracht.

„Die Schaffung des russischen Friedhofs war überfällig“, sagte der Oberbürgermeister. Bisher habe es im Land Brandenburg keine Möglichkeit für hier lebende russisch-orthodoxe Gläubige gegeben, nach ihrer Tradition beerdigt zu werden. Daher fanden die Bestattungen in Berlin statt.

Anatolij Koljada spielte auf die Nähe zum jüdischen Friedhof an. Der Erzpriester scherzte, dass sich hier nun altes und neues Testament unter der Erde leicht begegnen könnten, denn beide Ruhestätten seien nur durch einen schmalen Weg voneinander getrennt.

Mit dem neuen Rechtsstatus der russisch-orthodoxen Gemeinde ergibt sich die Möglichkeit, das vom Erzpriester als Pfarrhaus genutzte Haus Nummer 14, die ehemalige Teeküche, der Gemeinde zu übereignen. Das derzeit im städtischen Eigentum befindliche Gebäude im russischen Stil, das laut Kalesse von besonderer baukünstlerischer Bedeutung ist, bedarf dringend einer denkmalgerechten Sanierung.

Günter Schenke

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