zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: „Ein Supergefummele“

Infrastrukturminister Dellmann und Gewoba-Chef Westphal testeten das Leben jenseits der 60

Stand:

Am Schlaatz – Schon das Anziehen ist eine Herausforderung. „Ein Supergefummele!“, ruft Brandenburgs Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD) den Pressevertretern entnervt zu. Er versucht, einen Hemdknopf zu schließen. Aber die Handschuhe, die er dabei trägt, sind mit kratzigem Klettverschluss-Stoff gefüttert – damit sollen Arthrose-Schmerzen simuliert werden. „Es piekt“, stellt der Minister fest. Seine Stimme versteht man kaum mehr. Schuld ist ein Visier vor seinem Gesicht, dass außerdem einen gelben Schleier vor die Augen legt. Gestern Vormittag schlüpfte Dellmann zusammen mit Gewoba-Chef Jörn-Michael Westphal in so genannte „Age Explorer“. Mit diesen neun Kilo schweren Anzügen soll nach Angaben der Hersteller die körperliche Beeinträchtigung eines 70-Jährigen erlebbar werden.

„Generationen- und Behindertengerechtigkeit muss für sämtliche Politikbereiche eine Rolle spielen“, forderte Dellmann kurz vor der Umkleide-Aktion. Einmal im Anzug hatte er allerdings kaum noch Energie für programmatische Ansagen. In einer Wohnung in der vierten Etage eines Plattenbaus im Weidenhof testete der Minister zusammen mit Westphal das Leben jenseits der 60. Mit allem, was im schlimmsten Fall dazugehört: Arthrose, Rückenschmerzen, Grüner Star, Schwerhörigkeit, eingerostete Gelenke.

Unter diesen Umständen die Kaffeemaschine in Gang zu setzen, erforderte die vollste Konzentration vom Gewoba-Chef Westphal. „Wie in einer abgeschotteten Welt“ fühle er sich mit den schalldämpfenden Kopfhörern. Sein Unternehmen sieht er allerdings auf der seniorenfreundlichen Seite: Seit 2006 gibt es eine Stelle für „Senioren-Marketing“. Auch Nachbarschaftstreffs und Angebote wie einen Einkaufsservice zählt Westphal auf. Außerdem existiere seit zwei Jahren eine Musterwohnung in der Newtonstraße 7. Dort könnten sich Mieter jeden Dienstag von 9 bis 15 Uhr anschauen, welche Umbauten zur Wohnungsanpassung möglich sind. So gebe es zum Beispiel eine Dusche mit ebenerdigem Eingang. Finanziert werden könnten solche Maßnahmen über Kranken- oder Pflegekassen, Förderprogramme oder über eine höhere Miete. „Es geht viel ohne Mehrkosten“, betonte Dellmann. Man müsse sich allerdings auch als Mieter frühzeitig mit dem Gedanken an die altersbedingten Einschränkungen auseinandersetzen.

Noch im Sommer dieses Jahres werde ein Förderprogramm zur Wohnraumanpassung in Kraft treten, so Dellmann. Den nachträglichen Aufzugseinbau unterstützt das Land bereits seit Beginn des Jahres: Pro Jahr sollen nach Dellmanns Wünschen damit 600 Fahrstühle gebaut werden. Das Land übernehme 50 Prozent der Kosten, maximal jedoch 6000 Euro pro Wohneinheit.

Auch die Gewoba prüfe momentan, welche Häuser sich für den nachträglichen Aufzugeinbau eigneten, so Westphal. Der Weidenhof 8 gehört nicht dazu: Ein Außenfahrstuhl würde dort nur die halbe Treppe erreichen. Jana Haase

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })