Landeshauptstadt: Ein wissenschaftlicher Widerständler
Urania verleiht dem Archivar Gebhard Falk heute ihren Wilhelm-Foerster-Preis
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Wenn der Name Gebhard Falk erwähnt wird, verbinden ihn die Potsdamer mit dem Widerstand gegen den Abriss der Garnisonkirche. Am 26. April 1968 hatte der Stadtverordnete auf die internationale Bedeutung des Baudenkmals aufmerksam gemacht und sich für dessen Erhalt eingesetzt. Drei Abgeordnete schlossen sich ihm an. Den politisch motivierten Abrissbeschluss konnten sie nicht verhindern, aber sie gaben mit ihren Gegenstimmen ein für die Volksvertretungen der DDR außergewöhnliches Beispiel an Zivilcourage.
Heute erhält Dr. Gebhard Falk den Wilhelm-Foerster-Preis 2006. Die Potsdamer Urania würdigt damit nicht vordergründig den 68er Akt des Widerstandes, sondern das Lebenswerk des Archivars. Wer heute ein Buch der Reihe „Werte der deutschen Heimat“, eine unersetzliche heimatkundliche Bestandsaufnahme, in die Hand nimmt, findet Gebhard Falk dort als Autoren. Für den Band „Havelland um Werder, Lehnin und Ketzin“ (1992) leitete er gemeinsam mit Heinz-Dieter Krausch die Redaktion. Er verfasste mehrere historische Schriften über die Universität Frankfurt (Oder) und veröffentlichte einen Dokumentenband zu den Ereignissen der 1848/49er Revolution im Land Brandenburg. Die Zahl der ortsgeschichtlichen Beiträge, wie sie Falk auch für die „Neuesten Nachrichten“ schrieb, lässt sich kaum noch überblicken.
Dabei waren die Publikationen nur ein Nebenschauplatz seiner beruflichen Tätigkeit. Im Staatsarchiv Potsdam (später Brandenburgisches Landeshauptarchiv) bestand seine Hauptaufgabe in der Erschließung und wissenschaftlichen Aufbereitung der schriftlichen Quellen zur Geschichte der Provinz Brandenburg im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Damit legte er wesentliche Grundlagen zur weiteren Erforschung der Landes-, Orts- und Heimatgeschichte.
Gebhard Falk war nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Pädagogik als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Jena tätig und dort 1955 promoviert worden. Als die DDR ab Mitte der 50er Jahre ihr Archivwesen ausbaute und dafür Mitarbeiter suchte, absolvierte Falk ein Zusatzstudium auf diesem Gebiet an der Potsdamer Fachschule. Das Interesse daran war bereits durch seinen Vater, Museumsdirektor und Stadtarchivar in Plauen, geweckt worden. Im Archiv zu arbeiten, ist entgegen der landläufigen Meinung alles andere als langweilig. Als Gebietsreferent für Frankfurt (Oder) spürte Falk wertvolle Aktenbestände auf und schaffte sie manchmal Lkw-weise in die Sanssouci-Orangerie, wo das Staatsarchiv seinen Sitz hatte. Zuweilen schob er dort, weil es an Wachpersonal mangelte, auch Nachtwachen, in denen „viel Zeit zur Sichtung von Akten“ und zur Vorbereitung von Publikationen blieb. Als Dozent führte er den Archivarnachwuchs unter anderem in die Schriftkunde ein. Unter Zeitdruck stehende Kanzler des 16. Jahrhunderts verfassten beispielsweise ihre Dokumente handschriftlich mit vielen Verkürzungen, fast einer Art Steno. Falk lehrte seine Studenten die hohe Kunst, aus dem Schriftbild die Handbewegungen der Schreiber nachzuvollziehen. Wichtige Aussagen konnten auf diese Weise rekonstruiert werden.
Spannend, hin und wieder sogar kurios gestaltete sich die Beratung der Archivnutzer, die Gebhard Falk ab den 70er Jahren übertragen wurde. Gemeinden, die ihr Ortsjubiläum feiern wollten, zogen dafür manchmal nicht stichhaltige Urkunden heran. Dennoch ließen sich Bürgermeister nach dem Einspruch des Archivars nur schwer von ihrem Vorhaben abbringen. Sie hatten unter dem Zeichen des Jubiläums die Ortsbevölkerung für den Bau eines Kindergartens oder die Neupflasterung der Dorfstraßen mobilisiert, sollten sie sich das von einem „Schriftgelehrten“ kaputtmachen lassen? Hoch schlugen die Wellen auch, als nach der „Wende“ nahezu jede Gemeinde ein Ortswappen im Briefkopf führen wollte. Falk bewertete die Entwürfe und leitete gegebenenfalls aus den Namen und der Geschichte der Orte eigene Vorschläge ab. Dabei stieß er nicht immer auf Gegenliebe. Manche Gemeindevertretungen drohten an, in Bürgerversammlungen demokratisch über das Wappen entscheiden zu lassen. Lange dauerte es, bis beispielsweise die Groß-Kreutzer Falks Hinweis folgten, dass das slawische Wort für Wildbirne in ihrem Ortsnamen steckt und auf den von ihnen für das Wappen favorisierten Apfel verzichteten.
Der Wappenstreit blieb nicht auf das ländliche Brandenburg begrenzt. Nachdem Gebhard Falk gemeinsam mit Fritz Strömbach, dem damaligen Direktor der Verkehrsbetriebe, schon zu DDR-Zeiten den Adler ins Potsdamer Stadtwappen zurückgeholt hatte – einige wollten ihn durch einen Schwan als „Friedensadler“ ersetzen – , entbrannte nach Wiederbegründung des Landes Brandenburg eine heftige Auseinandersetzung um das Landeswappen. Wenn heute der Rote Adler in schlichter Form ohne Zutaten aufsteigt, dann er verdankt er das auch dem Einsatz des kundigen Archivars.
Der zurückhaltende Mann tritt ungern vor einem größeren Publikum auf. Bei der Verleihung des Foerster-Preises wird er nicht umhinkönnen. Wenn er seine wissenschaftliche und politische Überzeugung vertreten musste, ist er ohnehin nicht davor zurückgeschreckt, siehe Garnisonkirche. Sein Einsatz für die Rettung des Baudenkmals habe ihm keine Karrierenachteile gebracht, meint er rückblickend. Allerdings waren die Aussichten auf eine Professur oder einen Leitungsposten für einen Mann, der sich der SED verweigert hatte und der Liberal-Demokratischen Partei beigetreten war, ohnehin gering. Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke, die übrigens der Abstimmung über den Kirchenabriss ferngeblieben war, habe ihm seine Haltung nicht verübelt, erinnert sich Falk.
Später bekam er im Wettstreit mit einem SED-Funktionär sogar das Haus am Brauhausberg zugesprochen, in dem er noch heute lebt. Aber das war keine politische Entscheidung der Oberbürgermeisterin, sondern der Wertschätzung kinderreicher Familien in der DDR geschuldet. Mit seiner Frau Erdmute, im Vorjahr feierte das Ehepaar Goldene Hochzeit, hat Gebhard Falk fünf Kinder.
Erhart Hohenstein
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