ÄTHIOPIEN – ARMES LAND: Ein Zeichen von Ermyas Mulugeta
Am Jahrestag des Angriffs lud sein Löwenherz-Verein zum Fest auf den Luisenplatz / Projekte geplant
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Der Staat Äthiopien liegt im Osten von Afrika, Hauptstadt ist Addis Abeba. In den 1980er Jahren herrschten Hungersnöte, die durch Misswirtschaft der damals sozialistischen Regierung ausgelöst wurden. Konflikte gibt es mit dem Nachbarstaat Eritrea, der 1993 seine Unabhängigkeit von Äthiopien erklärte. Die rund 75 Millionen Einwohner erwirtschaften ein Bruttoinlandsprodukt von rund 150 Dollar pro Kopf – in Deutschland sind es knapp 34 000 Dollar. Und: Deutschland ist größter Abnehmer von äthiopischem Kaffee. HK
Innenstadt - Am ersten Jahrestag des Angriffs auf ihn hat der Potsdamer Ermyas Mulugeta ein Zeichen für die Integration von Ausländern und gegen Rassismus gesetzt. Gemeinsam mit Oberbürgermeister Jann Jakobs dankte er am Ostersonntag den Bürgern der Stadt für ihre gezeigte Solidarität. Mit dem von ihm gegründeten Verein Löwenherz e.V. hatte Mulugeta ein Fest unter dem Motto „Farbe tut gut“ auf dem Luisenplatz organisiert, zu dem bis zum späten Abend mehrere hundert Besucher kamen.
Jakobs und Mulugeta riefen zu entschiedenem Engagement gegen Rassismus in der Bevölkerung auf. „Es gibt andere Menschen, die durch solche Taten gestorben sind“, erinnerte Ermyas Mulugeta an die mehr als 130 Todesopfer rechtsextremer Gewalt in Deutschland seit 1990. „Mir tut es sehr weh, dass solche Leute nicht mehr unter uns stehen“, sagte er den Tränen nahe. Gleichzeitig dankte der 39-jährige Deutsch-Äthiopier allen, die ihm nach dem Angriff geholfen haben, „besonders den Ärzten des Klinikums ,Ernst von Bergmann’, ohne die ich hier nicht stehen würde“. Durch ihre und die Hilfe vieler anderer Menschen gehe es ihm wieder „sehr gut“.
Am Ostersonntag vergangenen Jahres war Erymas Mulugeta leblos am Boden liegend von einem Taxifahrer an der Straßenbahnhaltestelle Charlottenhof gefunden worden. Zwei Personen waren beim Eintreffen des Taxifahrers geflohen. Kurz zuvor zeichnete die Handymailbox von Mulugetas Ehefrau Steffi eine Nachricht auf, bei der anscheinend der Beginn des Streits zwischen Mulugeta und den mutmaßlichen Tätern zu hören ist. Dabei fallen Beleidigungen wie „Nigger“. Der Fall „Erymas M.“ hatte bundesweite Aufmerksamkeit erhalten und löste kurz vor der Fußballweltmeisterschaft eine Debatte um so genannte „No Go“-Areas in Ostdeutschland aus – Orte also, die Ausländer nicht ohne Angst vor Gewalt betreten können. Zum Fall „Ermyas M.“ findet derzeit am Potsdamer Landgericht der Prozess gegen zwei Angeklagte statt. Deren Verurteilung gilt laut Beobachtern der Verhandlung aus Mangel an Beweisen allerdings als unsicher.
Auch Oberbürgermeister Jann Jakobs – der kurzfristig am Freitag seine Teilnahme am Fest zugesagt hatte – erinnerte an die „dramatische“ Situation in Potsdam vor einem Jahr. Und an die Kundgebung auf dem Luisenplatz fünf Tage nach der Gewalttat, bei der tausende Potsdamer gegen Rassismus und Rechtsextremismus demonstrierten. Mit Blick auf die später geäußerten Zweifel an einem rassistischen Tatmotiv sagte Jakobs, dass er in einer vergleichbaren Situation wieder so handeln würde. Er sei sicher, dass das Gericht ein „gerechtes Urteil“ fällen werde: „Egal, ob es uns gefällt oder nicht“, so Jakobs. Mulugeta äußerte sich nicht zum Prozess, sagte jedoch, dass er bei seiner Einschätzung bleibe, wonach er wegen seiner dunklen Hautfarbe angegriffen worden sei. Judith Porath vom Verein Opferperspektive, der Opfer rechtsextremer Gewalt betreut, sagte, es dürfe nie vergessen werden, dass Mulugeta „fast totgeschlagen“ worden sei.
Bei dem Fest stellte Erymas Mulugeta auch die geplanten Projekte seines im Oktober gegründeten Vereins vor. Der Löwenherz e.V. hat nach eigenen Angaben zurzeit mehr als 20 Mitglieder und sucht einen Bürositz, möglichst in der Brandenburger Vorstadt. Von dort aus soll ab Mai ein erstes Kulturprojekt koordiniert werden – 20 Schüler aus Potsdamer Grundschulen und 20 Schüler aus Äthiopien sollen Fotoausstellungen über ihren Alltag erarbeiten und im jeweils anderen Land an Partnerschulen präsentieren. „Erste Gespräche mit Grundschulen sind geführt“, sagte Steffi Mulugeta.Im Laufe des Jahres soll zudem unter dem Namen „Gudalema“ein Konzept für ein Projekt entstehen, bei dem in sechs Dörfern in Äthiopien jeweils zwei Brunnen gegraben und so bis zu 3500 Familien mit sauberem Wasser versorgen werden sollen. „Ich schreibe bereits erste Förderanträge“, sagt Ermyas Mulugeta: „Ich möchte die Hilfe für mich an andere Menschen zurückgeben.“
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