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Links und rechts der Langen Brücke: Eine Frage der Ehre

Peter Tiede über eine ganz eigene Art der Nichtwertschätzung

Stand:

Gemeine Fatalisten sehen Brandenburg mitunter auf dem Weg zu so etwas wie Sachsen-Anhalt. Gemeint ist damit meistens die bundespolitische (Nicht-)Bedeutung, manchmal sind es auch Niveaufragen. Nicht gemeint ist ein Aufwärtstrend. Man mag das bösartig finden und eine abgehobene Berlinsicht, zumal die Landespolitik in der Bundeshauptstadt im Durchschnitt auch eher tumb daherkommt. Aber nun ist das mit dem Niveau doch passiert – und zwar in Potsdam. Die Stadt, das sei gesagt, kann diesmal nichts dafür. Es liegt am Land, an der Regierung. Die ist irgendwie dabei, sich im platten Land einzufurchen und wenig nach links und rechts – und noch weniger hoch zu gucken. Wenn, dann scheu.

Da wurde also am Donnerstag in Potsdam (immerhin: Medienstadt!) von der Stadt und wichtigen Medienvertretern der Medienpreis M100 verliehen. Den haben schon Größen wie der Architekt Lord Norman Foster, Bernard Kouchner, Gründer der Organisation Ärzte ohne Grenzen, der Musiker und Aktivist Bob Geldof, der „Mohammed-Karikaturist“ Kurt Westergaard oder der chinesische Blogger Michael Anti In diesem Jahr: der „Stehende Mann“ vom Istanbuler Taksim-Platz, Erdem Gündüz. Springer-Boss Mathias Döpfner kam mit dem Fiat-Boss John Elkann. Und in Brandenburg interessiert das: niemanden. Zumindest nicht aus der Regierung. Keine Europabeauftragte, kein für Europa oder Kultur oder sonst was zuständiger Minister, kein Staatssekretär da; und diesmal auch kein Ministerpräsident (der neue war bei der IHK Cottbus). Nur der alte Regierungssprecher, der ein eigenartig gestörtes Verhältnis zu Medien entwickelt hat, wurde gesichtet im Rafael-Saal der Orangerie. Das war’s vom Land.

Mal abgesehen davon, dass es Politiker aus einem ostdeutschen Bundesland, die die friedliche Revolution miterlebt und mitgestaltet haben, auch nichtamtlich interessieren könnte, den Mann zu erleben, der allein und schweigend inmitten der Proteste um den Gezi-Park in Istanbul im Wortsinn seinen Mann stand: Man darf sich auch beruflich für die Europa-Fragen interessieren, die diskutiert wurden, oder für die entzückende Rede einer jungen russischen Journalistin über ihr Europa („Warum brauche ich für mein Zuhause ein Visum?“), oder für die Worte eines so streitlustigen Autors wie Robert Menasse Und, herrjeh, wenn der Blick aus dem Kiefernland schon nicht geweitet wird, dann sollte man zumindest den Anstand haben, sich trotzdem blicken zu lassen, Wertschätzung zu zeigen, auch wenn man nicht auf der Rednerliste steht. So aber – einfach: Kein Benehmen, Kreis- statt Landesklasse? Auf jeden Fall: Man sollte Sachsen-Anhalt nicht Unrecht tun.

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