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Landeshauptstadt: Eine Frau, die standhielt

Anni von Gottberg gründete vor 80 Jahren die Bekennende Kirche in Potsdam

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Ein kritisches Schreiben bietet Anlass genug, kurz darauf wird die Potsdamerin Anni von Gottberg von den Nazis verhaftet. Es ist ein Brief der Bekennenden Kirche, an dem die Machthaber Anstoß nehmen. Von Gottberg wird vorgeworfen, das Papier der innerkirchlichen Oppositionsbewegung vervielfältigt zu haben. Im Herbst 1937 nimmt man sie fest, verhört sie an ihrem Wohnort sowie im Polizeigefängnis am Berliner Alexanderplatz, durchsucht ihre Wohnung und lässt sie schließlich wieder laufen. Verurteilt wird sie wegen dieser Sache nicht.

Von den Verhören ließ sich die couragierte Frau nicht einschüchtern. Bereits Ende Oktober 1937 organisiert sie einen Abend der Bekennenden Kirche in Potsdam. Gleichwohl war sich die mutige Christin den Gefahren ihres Handelns bewusst: Der Abend könne „ja wohl Folgen haben“, schreibt von Gottberg an Ida Schönherr, der Mutter des späteren Bischofs Albrecht Schönherr. Und weiter: „Sorgen Sie sich bitte nicht um mich, ich tat ja nur meine Pflicht und daß der Herr mich rief soll uns nur freudig stimmen.“

Vielen Potsdamern ist Anni von Gottberg vor allem bekannt durch die nach ihr benannte Straße im Kirchsteigfeld. Künftig wird auch eine Gedenktafel am einstigen Wohnhaus von Gottbergs in der Weinbergstraße 35 an diese mutige und glaubensstarke Christin erinnern. Am heutigen Dienstag werden um 19 Uhr der evangelische Stadtkirchenpfarrer Simon Kuntze und die Potsdamer Ethnologin Jeanette Toussaint die Gedenktafel enthüllen. Die im Potsdamer Kirchenkreis angesiedelte Arbeitsgruppe „Kirche und Nationalsozialismus“ hat die Veranstaltung vorbereitet.

Das Datum der Gedenktafelenthüllung ist nicht zufällig gewählt: Der 12. August 1934 gilt als Geburtsstunde der Bekennenden Kirche in Potsdam. Denn zu diesem Datum, damals ein Sonntag, hatte von Gottberg Christen in ihre Wohnung in der Weinbergstraße 35 – damals Augustastraße – eingeladen, um in Potsdam den Anfang zu machen für den Aufbau der Bekennenden Kirche, jener Strömung innerhalb der evangelischen Kirche, die sich gegen die zunehmende Einflussnahme des nationalsozialistischen Staates wehrte und dabei versuchte, die politische Gleichschaltung mit den braunen Machthabern zu verhindern.

„Von verschiedenen Seiten ist der Wunsch geäussert, in Potsdam Stützpunkte der bekennenden Kirche zu schaffen“, schreibt von Gottberg in ihrer Einladungskarte. Und weiter: „Gegliedert nach den Gemeindebezirken sollen sich Familien finden, in deren Räumen Gruppen bis zu 20 regelmässig etwa alle 3 Wochen zusammenkommen“.

Innerhalb dieser Schar Gleichgesinnter organisierte von Gottberg Bibelkreise, in denen über die Auslegung der Heiligen Schrift diskutiert wurde. Und zugleich wurden auf diesen Treffen kirchenpolitische Neuigkeiten ausgetauscht. Von Gottberg gehört in dieser Zeit der Friedens-Erlösergemeinde an. Wenn sie in dem zur Friedensgemeinde gehörenden Friedenssaal Bibelabende organisierte, musste sie ständig mit dem Widerstand von Johann Rump rechnen. Er war Pfarrer an der Friedenskirche und gehört den Deutschen Christen an, einer Gruppierung innerhalb der evangelischen Kirche, die mit den Nationalsozialisten konform geht. „Ich bin begierig ob Rump mich das nächste Mal an die Luft setzt oder ich ihn, er ist sieben Wochen auf Urlaub“, schrieb von Gottberg im August 1935 an Albrecht Schönherr. Etwa zur selben Zeit wurde von Gottberg Mitglied im Kreisbruderrat der Bekennenden Kirche.

Doch selbst mit Vertretern dieser oppositionellen Kirchenströmung in Potsdam geriet von Gottberg in Konflikte, weil sie sich konsequent gegen jegliche Zusammenarbeit mit den vom NS-Staat eingerichteten Kirchenausschüssen aussprach, mit deren Hilfe die Nationalsozialisten nun Einfluss auf die kirchlichen Strukturen nahmen. Unter den Vertretern der Bekennenden Kirche war es hingegen umstritten, ob nicht unter gewissen Bedingungen eine Zusammenarbeit mit den Kirchenausschüssen möglich sein könne.

Als „sehr fest in ihren Ansichten“ beschreibt Gerda von Normann, die heute 91-jährige Schwiegertochter von Gottbergs, ihre Schwiegermutter. Diese habe einen festen Glauben besessen, der sie über die Untiefen der damaligen Zeit hinweggetragen habe. Von Normann, die heute in Hamburg lebt, erinnert sich an Diskussionen mit ihrer Schwiegermutter: „Dann ließ sie in der Regel auch nichts anderes gelten“. Von Gottberg erlebte das Kriegsende in Potsdam und beteiligt sich weiter aktiv am kirchlichen Leben. Mitte der 1950er Jahre erkrankte sie schwer und siedelte nach Hamburg über, wo ihr Sohn Sigurd mit seiner Familie lebt. Dort starb sie 1958 im Alter von 73 Jahren. Begraben ist sie auf dem Bornstedter Friedhof. Holger Catenhusen

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