1. Freitagsgebet in der Orangerie der Biosphäre: „Eine große Gnade“
Endlich ein Dach über dem Kopf: Muslime haben sich am vergangenen Freitag erstmals in der Orangerie der Potsdamer Biosphäre zum Gebet getroffen. Ein paar Startprobleme gab es aber dennoch.
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Potsdam - Diesmal kann auch Abdul Zran mitbeten. In den vergangenen Wochen musste der 42-Jährige bei den Freitagsgebeten des Vereins der Muslime in Potsdam stets als Ordner darauf achten, dass auf dem Gehweg vor der viel zu kleinen Al-Farouk-Moschee in der Straße Am Kanal zumindest eine Gasse für Passanten freiblieb, wenn sich die Gläubigen dort auf dem Gehweg versammelten. Doch am Freitag kann die Gemeinde nun erstmals die Orangerie der „Biosphäre“ für sich nutzen, mehr als 350 Gläubige kommen insgesamt. „Zum Glück ist das Gebet heute hier, bei dem schlechten Wetter“, sagt Zran. Die Stadt Potsdam hatte den Veranstaltungssaal in der kommunal betriebenen Tropenhalle wie berichtet kurzfristig zur Verfügung gestellt.
Sozialdezernent Schubert glaubt, dass es noch dauert, bis der neue Standort ganz angenommen wird
Zunächst haben die Muslime aber mit Startschwierigkeiten zu kämpfen. Denn als gegen 13 Uhr das Gebet bald beginnen soll, sind noch nicht einmal 100 Personen versammelt, darunter mehrere Journalisten. Auch Sozialdezernent Mike Schubert (SPD) ist gekommen – der als neuer Beigeordneter die seit einem Jahr bekannten Raumprobleme der Muslime kurzfristig auf den Tisch bekommen und wenige Tage später die Orangerie als Ausweichort für die Muslime vorgeschlagen hatte. „Das ist heute natürlich für alle erst einmal ein Probelauf“, meint Schubert gegen 13 Uhr. Es werde wohl noch ein, zwei Gebete dauern, bis der neue Ort am Volkspark ganz angenommen werde, glaubt er.
Doch die Sorge, es könnten zu wenige kommen, erweist sich einige Minuten später als unbegründet. Denn während das Gebet läuft, kommen immer mehr Nachzügler. Manche seien erst zur Al Farouk Moschee gelaufen, andere hätten die Wegezeit zur Biosphäre unterschätzt, heißt es. Die Gemeinde ist jedenfalls vorbereitet: Ein großer grüner Gebetsteppich ist mit Hilfe einer Handy-Kompass-App so ausgelegt, dass die Gläubigen in Richtung des islamischen Wallfahrtsortes Mekka beten können. Zum Ende des Gebets müssen Extra-Teppiche ausgelegt werden.
Mittelfristig wird neuer Moschee-Standort gesucht
Die Orangerie soll als Ausweichquartier den Winter über genutzt werden, mittelfristig wird ein neuer Standort gesucht. Die anderen Besucher der Biosphäre bekommen von dem Gebet kaum etwas mit, die Orangerie ist ein von der Tropenhalle mit einer Glaswand abgetrennter Bereich, den die Muslime durch einen separaten Eingang betreten. So ist das in der Öffentlichkeit sichtbarste Zeichen für das Gebet das Warten Dutzender Männer auf eine Straßenbahn in Richtung Innenstadt, mit der die Gläubigen wieder zurückfahren wollen. Zu Zwischenfällen oder Spannungen mit Anwohnern kommt es nicht. Im Gegenteil: Einige sind extra zu Besuch gekommen, etwa Matthias Finken, CDU-Fraktionschef und Vorsitzender der Interessenvertretung für das Bornstedter Feld. Er sagt, eine Umfrage im Umfeld des Gremiums zu dem neuen Gebetsstandort habe durchweg positive Reaktionen ergeben: „Da gibt es keine Aversionen.“
Auch die AfD, die noch gegen das öffentliche Beten Am Kanal Stimmung gemacht hatte, ist wie angekündigt nicht vertreten. Für Empörung hatte zuletzt zudem gesorgt, dass Unbekannte die Moschee mit einem Schweinekopf schändeten.
Imam Abdallah: "Der Islam fordert uns zu gutem Benehmen und Moral gegenüber allen Menschen auf"
Solchen Vorbehalten, speziell gegen die vielen Flüchtlinge in der Gemeinde, will Imam Kamal Abdallah entgegentreten. Er hat für sein Gebet einen handgeschriebenen Appell an die Gemeinde formuliert. „Der Islam fordert uns zu gutem Benehmen und Moral gegenüber allen Menschen auf, sei es auf der Straße, in den Schulen, auf der Arbeit oder zum Nachbarn, gleich ob dieser Mensch ein Muslim ist oder nicht“, liest Abdallah vor, der seit 16 Jahren in Potsdam lebt. Eltern sollten Wert legen auf Bildung für Kinder, um diesen später eine Ausbildung oder ein Studium zu ermöglichen. Explizit wirbt er für den „gemäßigten Weg des Islams“, auch damit sich Eltern nicht um ihre Kinder sorgen müssten. Und: Der Islam verbiete es, einem Gastland Schaden zuzufügen. „Wir sehen dieses Land als zweite Heimat an. Wir wollen der Wohltat dieses Volkes mit unserer Wohltat begegnen, anstatt sie zu verletzen“, so der Imam in seiner Predigt.
Nach der Predigt ist Abdallah zufrieden. Es seien vielleicht sogar mehr Gläubige gekommen als sonst – allerdings sei dies wegen der verwinkelten Struktur in der Al-Farouk-Moschee nur schwierig abschätzbar. „Aber die Halle hier ist ein guter Ort“, sagt der Imam – auch weil ihn alle Gläubigen endlich sehen könnten. Auch für Frauen hatte die Gemeinde extra Gebetsteppiche ausgelegt. Allerdings kamen nur Männer. „Vielleicht ändert sich das noch“, so Abdallah.
Gespräche über mögliche Hilfen des Landes
Mittelfristig sucht der Moschee-Verein aber einen festes Gemeindezentrum. Auch die genauen Konditionen für die Nutzung der Biosphäre sind noch nicht geklärt, unter anderem finden noch Gespräche über mögliche Hilfen des Landes statt. Allerdings macht Sozialdezernent Mike Schubert deutlich, dass von dem Verein voraussichtlich nur die „real entstehenden Kosten“ für die Nutzung der Halle getragen werden müssten. Andere für künftige Freitage schon gebuchte Veranstaltungen, deren Zahl aber überschaubar sei, könnten dennoch stattfinden, ergänzt Stadtsprecher Stefan Schulz.
Und Abdul Zran? Der bisherige Gebetsordner, der eigentlich in der Flüchtlingshilfe arbeitet, ist glücklich. „Eine große Gnade“ sei der neue Standort für das Freitagsgebet, sagt Zran – und dankt den Stadtvertretern mit Handschlag.
Die Kampagne „Muslime für Frieden, Freiheit und Loyalität“ der weltweit aktiven und als aufklärerisch geltenden Glaubensgemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat macht einmal mehr Station in Potsdam. Am heutigen Samstag steht ihr blaues Zelt mit der Aufschrift „Liebe für alle, Hass für keinen“ in der Brandenburger Straße in der Nähe des Karstadt-Kaufhauses
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