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Positives Testergebnis. Vor drei Jahren erfuhr Conrad R. von seiner HIV-Infektion. Der Alltag des 42-jährigen Potsdamers hat sich seitdem geändert: Bevor er verreist, packt er erstmal die Pillen um. Auch der Traum vom eigenen Haus hat sich erledigt.

© Andreas Klaer

Von Jana Haase: Eine komplizierte Reise

Vor drei Jahren erfuhr Conrad R. von seiner HIV-Infektion. Seitdem hat sich sein Alltag geändert

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Vor der Reise werden zuerst die Pillen umgefüllt und eingepackt. Eine Dose ins Handgepäck, eine in den Koffer. „Zur Sicherheit, falls irgendwas abhanden kommt“, erklärt Conrad R.* routiniert. Regelmäßige Flugreisen gehören zu seinem Job als Servicetester. Und von den blassrosa Tabletten hängt seine Gesundheit ab. Jeden Abend muss der Potsdamer eine von den riesengroßen Dingern schlucken. Entdecken darf sie am Flughafen aber keiner, denn mit den Reiseplänen wäre dann möglicherweise Schluss. Conrad R. ist HIV-positiv. Und damit hat er etwa in den USA oder in China Einreiseverbot. Deshalb greift der 42-Jährige zu einem Trick und füllt die Tabletten in andere Dosen um. Erwischt wurde er bisher noch nie.

Mehr als drei Jahre ist es jetzt her, dass Conrad R. von seiner Infektion mit dem tödlichen Virus erfuhr. Im April 2006 verschwand sein damaliger Freund plötzlich ins Krankenhaus. Andere Bekannte verhielten sich am Telefon ausweichend, von einer Syphilis-Erkrankung war die Rede. „Da habe ich schon geahnt, was los war“, erinnert sich Conrad R.: „Ich brauchte eigentlich nur noch zum Arzt, um mir die Bescheinigung abzuholen.“ Sein Verdacht sollte sich bestätigen: HIV-positiv. Sein Freund war untreu gewesen und hatte ihn danach angesteckt.

„Sauer war ich nie“, sagt Conrad R. heute über den Vertrauensbruch. „Wir sind ja beide das Risiko eingegangen und haben uns gegen ein Kondom entschieden“, erklärt er. Mit dem damaligen Freund ist er immer noch in Kontakt, auch wenn er längst mit einer neuen Liebe glücklich zusammenlebt.

Ein halbes Jahr dauerte es 2006, bis die Behandlung anschlug und die Nebenwirkungen wie entzündete Schleimhäute, Ausschläge, Durchfall, Leberprobleme und das Schwindelgefühl nach Einnehmen der Tablette nachließen. „Ich war schon immer eher diszipliniert“, sagt der kräftige Mann mit den raspelkurzen Haaren und der durchdringenden Stimme.

Heute liegt er dank der Medikamente wieder „unter der Nachweisgrenze“: Die Virusbelastung in seinem Blut ist gering, die Zahl der T-Helferzellen, die für die Immunabwehr verantwortlich sind, wieder ausreichend. Alle sechs Wochen kontrolliert der Arzt die Werte. Eigentlich könnte Conrad R. ganz normal leben.

Aber normal ist das Leben als HIV-Positiver eben nicht, auch wenn Conrad R. mit Arbeitskollegen, Bekannten und Freunden offen über die Krankheit spricht und damit angenommen wird. Denn es gibt da eben diese komplizierten Vorbereitungen auf die vielen Dienstreisen. Oder die Banken, die ein Darlehen nur gewähren, wenn man eine Lebensversicherung vorweisen kann: „Der Traum vom Häuschen im Grünen oder von der beruflichen Selbstständigkeit hat sich für mich erledigt“, sagt Conrad R., der sich dann stigmatisiert fühlt.

Besonders ärgerlich ist er über manche Ärzte: „Viele geben sich bei HIV-Positiven gar keine Mühe mehr mit der Diagnose“, ist die Erfahrung des Potsdamers. Nach einer Darm-Operation in einer Klinik etwa seien ihm Sitzbäder verweigert worden, eine Zahnärztin habe ihn für eine Wurzelbehandlung zum Kiefernchirurgen geschickt.

Conrad R. engagiert sich heute auch ehrenamtlich, unter anderem bei der Aidshilfe Potsdam: „Man will andere bewahren vor dem Fehler, den man mal selbst gemacht hat“, erklärt er. Auf den Aids-Galas vergangener Jahre war er öfter Gast. In diesem Jahr hat Conrad R. allerdings keine Zeit: Er plant eine Urlaubsreise.

*Name von der Redaktion geändert

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