Landeshauptstadt: Eine Minute Stille
In Potsdam wurde der Opfer der Pariser Terroranschläge mit einer Schweigeminute gedacht. Eine unmittelbare Gefahr in Potsdam sehen die Behörden nicht. Oberbürgermeister Jakobs warnt vor Panik
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Innenstadt - Schock, Trauer, Wut – und Besorgnis. Nach den blutigen Terroranschlägen von Paris gedachten viele Potsdamer der Opfer und setzten Zeichen der Freundschaft mit Frankreich. Rund 250 Mitarbeiter der Stadtverwaltung beteiligten sich am Montagmittag an der europaweiten Schweigeminute für die bislang 129 Todesopfer und rund 350 Schwerverletzten, die eine Serie von Anschlägen der Terrororganisation IS am Freitag in Paris gefordert hatte. Auch in vielen Schulen wurde eine Schweigeminute eingelegt, auch der Verkehrsbetrieb beteiligte sich und rief seine Bus- und Tramfahrer zur einminütigen Pause auf. Die Passanten auf der Brandenburger Straße gingen hingegen weiter ihren Einkäufen nach, während die ersten Stände für den am Montag beginnenden Weihnachtsmarkt aufgebaut wurden.
Er sei schockiert von der Brutalität dieser abscheulichen Tat von Extremisten, erklärte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Die Terrorakte richteten sich nicht nur gegen Frankreich, sondern auf die Freiheit in Europa und die Art und Weise, „wie wir in unserer toleranten und bunten Welt leben wollen“. Jakobs verwies auf die lange Tradition französischer Aussiedler, die Potsdam zu der Stadt gemacht hätten, die sie heute sei. Am Abend war eine Diskussionsveranstaltung zum Edikt von Potsdam geplant, das sich in diesem Jahr zum 330. Mal jährt. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm gewährte damit den Hugenotten, die in ihrer Heimat verfolgt wurden, Aufnahme in Brandenburg.
Eine unmittelbare Gefahr in Potsdam sehe er nach den Anschlägen von Paris nicht, sagte Jakobs am Rande der Veranstaltung den PNN. Dennoch schloss er Konsequenzen nicht aus. So werde man die Lage rund um die Flüchtlingsheime sehr genau beobachten, sagte Jakobs. Sollten Einrichtungen von fremdenfeindlichen Übergriffen bedroht sein, „werden wir unverzüglich reagieren“. Als erster Schritt würde dann die Polizeipräsenz vor den Flüchtlingsquartieren verstärkt. Die Heime würden bereits rund um die Uhr von einem Sicherheitsdienst bewacht. Man dürfe jetzt aber nicht in Panik verfallen, betonte Jakobs.
Die Landespolizei wiederum teilte mit, man sehe für die Sicherheit in Brandenburg und damit auch Potsdam keine stärkere Gefährdung als in den letzten Wochen und Monaten. Gleichwohl seien die Kollegen sensibilisiert: „Im täglichen Dienst liegt das Augenmerk auf höchster Wachsamkeit, intensiver Aufklärung und verstärkter Präsenz in der Öffentlichkeit, gerade auch im Zusammenhang mit größeren Veranstaltungen.“ Für die bevorstehenden Weihnachtsmärkte will die Stadtverwaltung die Veranstalter in Sachen Sicherheitsbestimmungen noch einmal sensibilisieren. Das machte die zuständige Marketingchefin der Stadt, Sigrid Sommer, auf PNN-Anfrage deutlich.
Jakobs erklärte, er werde dem französischen Botschafter in einem Brief sein Beileid ausdrücken. Auch mit seinem Versailler Amtskollegen werde er telefonieren und deutlich machen, „dass wir fest an der Seite unserer französischen Freunde stehen“. Mit der Welterbestadt Versailles strebt Potsdam bekanntlich eine Städtepartnerschaft an, es wäre nach Bobigny die zweite mit einer französischen Kommune.
Nach den Anschlägen tragen Bundespolizisten in Berlin und Brandenburg ab sofort bei größeren Einsätzen Maschinenpistolen. Das habe das Präsidium aufgrund der aktuellen Lage angewiesen, sagte der Sprecher der Bundespolizeidirektion Berlin, Thorsten Peters. Am Berliner Hauptbahnhof und an den Flughäfen Tegel und Schönefeld seien bewaffnete Beamte zu sehen. Auch bei Einsätzen entlang der deutsch-polnischen Grenze und bei größeren Kontrollstellen werden Maschinenpistolen getragen. Für Potsdam sei solcherlei allerdings nicht vorgesehen, sagte Peters auf Nachfrage.
Radikaler Islamismus hat in Potsdam seit Jahren keine nennenswerte Rolle gespielt. Die Al-Farouk-Moschee in der Straße Am Kanal etwa stuft der Verfassungsschutz als unbedenklich ein. Im aktuellen Bericht der Behörde heißt es in Bezug auf Potsdam: „In Brandenburg konnten bislang keine salafistischen Strukturen festgestellt werden.“ Wolfgang Brandt, Sprecher des Innenministeriums, bestätigte am Montag: „Es liegen derzeit keine Hinweise auf sogenannte Hasspredigten oder Frequentierung der Moschee durch islamistische Extremisten vor.“
Weiter sagte Brandt, für Brandenburg werde von einem islamistischen Potential von rund 60 Personen ausgegangen. Diese orientierten sich aber vorwiegend an Berliner Strukturen und besuchten dort die einschlägigen Moscheen und sonstigen Anlaufstellen. Diese Personen würden mehrheitlich als gewaltbereit eingeschätzt. Sie seien zwar bislang nicht durch Gewalttaten aufgefallen, „sie beteiligen sich aber an der Verbreitung und Verherrlichung von Gewalt-Videos und sonstigen Droh-Botschaften“. Zahlen für Potsdam nannte er nicht. Inzwischen gebe es Hinweise auf eine zunehmende Vernetzung der brandenburgischen Islamisten untereinander, so Brandt weiter.
Im Januar hatte es wie berichtet eine Razzia gegen einen 30-jährigen Islamisten im Flüchtlingsheim am Schlaatz gegeben – vorgeworfen wurde ihm, Teil einer islamistischen Logistikzelle gewesen zu sein, die schwere staatsgefährdende Gewalttaten in Syrien vorbereitet habe. Indizien dafür, dass die Zelle Anschläge plante, hatten aber nicht vorgelegen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte noch am Sonntagabend erklärt, es hätte bislang etwa 100 Hinweise auf Terroristen unter Flüchtlingen gegeben – von denen sich bislang keiner bestätigte.
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