Homepage: Eine sehr intensive Erfahrung
Wie eine junge Studentin im Ausland den roten Faden für ihren Beruf fand, der sie zur Ministerin machte
Stand:
Studieren in Brandenburg ist ein wundervoller Start. Dessen ungeachtet empfehle ich aber voller Überzeugung, es nicht dabei zu belassen. Der berühmte Blick über den Tellerrand ist ein großer Gewinn. Es macht einen so viel sicherer, wenn man den Blick von außen auf das eigene System wagt, sich auseinandersetzt mit dem Leben und den Erfahrungen in anderen Ländern, sei es in Bezug auf die Selbstständigkeit, mit der Studierende arbeiten, die Betreuungssituation, die eigenen Lehrer oder die Stimmung an den Universitäten und Hochschulen.
Mit meinem Studium der Biologie und Politologie konnte ich Auslandsaufenthalte in Schweden und Costa Rica verbinden. Zwei Erfahrungen, die unterschiedlicher kaum sein konnten. Die Studienbedingungen in Lund waren hervorragend. Das Leben in der schwedischen Universitätsstadt bot mir unglaublich viele neue Möglichkeiten. Absolut faszinierend – die Natur. Was mir auffiel und was mich beeindruckte, war damals der vergleichsweise lockere Ton zwischen Studierenden und Professoren. Überhaupt schienen die Professoren eigentlich immer ansprechbar.
Costa Rica war meine erste Begegnung mit Südamerika. Dort hat mich insbesondere die Artenvielfalt in Flora und Fauna begeistert. Damit wollte ich mich beschäftigen, genau deshalb war ich dort. Fremd war die ganz andere Gesellschaftsstruktur, die Situation von Frauen, die vielen nicht versorgten Kinder, die massiven Probleme durch die industrielle Lederproduktion und den Kaffeeanbau. Ich habe dort mit eigenen Augen gesehen, was es bedeutet, wenn das Wasser verseucht ist. Großflächig waren Böden vergiftet durch vegetabilische Gerbungsprozesse. Die Gewässer stanken bestialisch, wo Kaffeefruchtfleisch in Teichen verfaulte. Anderseits herrschte eine große Lebensfreude. Überall gab es Musik und Kneipen für jeden Geschmack und natürlich Sonne und Meer.
Nach meinen Auslandsaufenthalten war mir klar, in welche Richtung sich mein Studium entwickeln sollte: weg von der reinen Theorie, hin zum Umweltingenieurwesen. Und ich war fest entschlossen, auch in meinem späteren Beruf mit sich entwickelnden Ländern zusammenzuarbeiten. Im Rückblick ist mir der Reiz des Neuen noch immer sehr bewusst. Daran konnten auch Heimweh und anfängliche Sprachprobleme nichts ändern. Es macht einem schon zu schaffen, wenn man nur die Hälfte versteht und dann garantiert das Falsche antwortet. Das sollte man nicht unterschätzen. Andererseits war es immer wieder ein tolles Gefühl, wenn das Ziel erreicht war. Mich als Fremde zu fühlen, war für mich eine sehr intensive Erfahrung.
All das kann ich in vielerlei Hinsicht ausdrücklich weiterempfehlen. Bei mir wurde die internationale Kooperation zum roten Faden für mein weiteres Berufsleben, bei der Promotion, bei der Wahl von Projekten, bei der Arbeit als Hochschullehrerin. Internationalität ist den Brandenburger Hochschulen ein prioritäres Anliegen. Es gibt überall spezielle Angebote, überdurchschnittlich im Bundesvergleich.
Ich weiß, nicht immer sind Auslandserfahrungen einfach in die Bachelor-Studiengänge zu integrieren. Aber überall intensivieren die Studiengangsplaner ihre Bemühungen, Mobilitätsfenster dafür zu öffnen. Und selbst wenn das nicht optimal organisiert ist, kann ich die Studierenden nur ermuntern, es dennoch zu wagen. In den Masterstudiengängen geht es dann deutlich leichter. Man bekommt jedenfalls mehr zurück als man an Mühe aufwendet. Viele Studierende sind sehr motiviert und haben deshalb Angst, Zeit zu versäumen. Aber „versäumen“ kann man eigentlich bei einem Auslandsaufenthalt nichts. Wenn man Herz und Geist öffnet, wird man sich immer bereichert fühlen.
Unterstützung bei der Planung und Organisation von Auslandssemestern bieten unter anderem der Deutsche Akademische Austauschdienst DAAD, viele weitere Stiftungen, Studienausaustauschprogramme mit festen Strukturen oder auch der Erasmus-Austausch. Wer noch unsicher ist oder Orientierung braucht, sollte sich von den Akademischen Auslandsämtern an den Hochschulen und von den Lehrenden beraten lassen. Wichtig ist, sich gründlich zu informieren und die Erfahrungen anderer für sich zu nutzen.
Es ist absolut wünschenswert, dass möglichst viele der neuen Studierenden den Mut fassen und als unsere „Botschafter“ in die Welt reisen. Denn sie bringen so auch die „Welt“ zu uns nach Haus. Auslandsaufenthalte im Studium sind in jedem Fall ein Gewinn!
Prof. Dr.-Ing. Dr. Sabine Kunst ist Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.
Sabine Kunst
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