zum Hauptinhalt
Chronist seiner Zeit. Der Singer-Songwirter Woody Guthrie.

© Library of Congress

Homepage: Eine Welt ohne Grenzen

Was Woodie Guthrie mit Albert Einstein teilte

Stand:

Du kannst nur schreiben, was du siehst. Mit diesem immer wieder zitierten Satz hatte der US-amerikanische Sänger und Aktivist Woody Guthrie einst seinen Blick auf die Welt beschrieben. Eigentlich ein unsinniger, weil selbstverständlicher Satz. Doch kennt man das Leben Guthries, macht er Sinn. Er war immer wieder unterwegs, trampte in den 1930er Jahren durch die armen Regionen der USA, schrieb Songs über rechtlose Arbeiter, mittellose Farmer und die Flüchtlinge der verheerenden Staubstürme in der „Dustbowl“ genannten Großen Ebene. Guthrie reiste während der Weltwirtschaftskrise quer durch das Land: als singender Chronist. Er schrieb, was er sah.

In seinen Liedern setzte Guthrie sich für die Gerechtigkeit ein, kämpfte mit Linken und den Gewerkschaften dafür, die Welt zu verändern, erhob seine Stimme für die kleinen Leute, die Wanderarbeiter, für ausreichende Löhne und Gleichberechtigung. Für seine Tochter Nora Guthrie ist ein Zitat ihres Vaters für dessen Haltung zentral: „Ain’t gonna be treated this way“. Ihr Vater sei der festen Überzeugung gewesen, dass es niemand verdient hat, schlecht behandelt zu werden. Das Einstein Forum hatte Nora Guthrie zu einem Workshop über ihren Vater eingeladen, der vergangene Woche in Potsdam stattfand. Mit der Ausnahme-Biografie Guthries mag nicht jeder vertraut sein, aber spätestens wenn „This Land is your Land“ erklingt, weiß man, wer Guthrie ist.

Die Direktorin des Einstein Forums, Susan Neiman, habe keinen Tag gezögert, als man anfragte, ob sie einen Workshop über den linken Singer-Songwriter im Potsdamer Think Tank veranstalten wolle. Seine Lieder hätten ihre Kindheit in den USA begleitet. Später, als sie Kant studierte, habe sie dann auch begriffen, dass Guthries Song „This Land is your Land“ eine Aufforderung war, die sozialen Verhältnisse zu verändern. Aber Neiman habe sich auch für Guthrie entschieden, weil es einen Link zu Albert Einstein gibt. Die beiden trafen sich einst in Princeton. Was daraus wurde, sollte Guthries Tochter Nora an dem Abend in Potsdam noch erzählen.

Woody Guthries Leben war kurz und tragisch, und dennoch höchst kreativ: 3000 Songs, zahllose Gedichte, Prosaseiten, Zeichnungen und Illustrationen sind von ihm überliefert. Er zog singend durchs Land, arbeitete für verschiedene Radio-Shows und ließ seine Gitarre auch im Kampf gegen Nazi-Deutschland nicht zuhause. Dreimal war Guthrie verheiratet, acht Kinder hatte er, von denen drei durch tragische Unfälle ums Leben kamen, wie auch in seiner Kindheit seine Lieblingsschwester Clara, die an tödlichen Verbrennungen starb. Seine Mutter starb früh an der unheilbaren Nervenkrankheit „Chorea Huntington“. Die Erbkrankheit traf schließlich auch ihn, 1967 starb der 1912 geborenen Guthrie mit 55 Jahren daran. Die Krankheit machte ihm bereits früh im Leben zu schaffen, er wurde schließlich ein hilfloser Mann. Bis dahin war sein Leben ein Leben „on the road“. Guthrie war ein Getriebener. „Unrast war sein Wesenskern“, sagte der Zeit-Reporter Christoph Diekmann im Einstein Forum.

Was bleibt, ist das Phänomen Woody Guthrie, wie Guthrie-Experte Michael Kleff in Potsdam sagte. Ohne Guthrie hätte es Bob Dylan nicht gegeben, nicht die Protest- und Bürgerrechtsbewegung, nicht das Aufbegehren gegen den Vietnam-Krieg. Die Beatles fühlten sich durch ihn inspiriert, heute noch spielen Musiker wie Billy Bragg oder die Klezmatics seine Songs, die Occupy-Bewegung hat sie zu ihrem Soundtrack erkoren.

Die Verbindung zu Einstein schließlich brachte Woody Guthrie zu der Einsicht, dass es eine Welt ohne Grenzen gibt. Einstein hatte ihm erklärt, er solle sich die Unendlichkeit des Universums wie ein kugelartiges Gebilde vorstellen, auf dem man endlos in alle Richtungen gehen könne. Guthries Tochter Nora brachte den „Einstein Theme Song“ mit nach Potsdam. „If I can’t get East or West, I still can get around“, heißt es darin. Dieses Denken habe sie in John Lennons Song „Imagine“ wiedergefunden, sagte Nora Guthrie: eine Welt ohne Grenzen und Religionen. So sei sie auch aufgewachsen.Jan Kixmüller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })