Landeshauptstadt: Einmal bis Feuerland
Der Extrem-Radfahrer Thomas Kühnl aus Potsdam wird Weihnachten in Südamerika verbringen
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Chris Reas „Driving Home For Christmas“ über einen einsamen Fernfahrer, der seine Familie vermisst, ist einer der bekanntesten Weihnachtssongs. Bei Thomas Kühnl hält sich die Sehnsucht nach dem Zuhause in Deutschland allerdings in Grenzen. Der 49-Jährige ist seit Monaten in Südamerika unterwegs und wird auch die Feiertage dort verbringen. Erst im Herbst 2014 will er zurückkommen.
Das Besondere daran: Dieser spezielle Fernfahrer reist allein und weder mit Bus, Bahn oder Flugzeug, sondern nur mit seinem Fahrrad. „Ich will so viele Länder des Kontinents bereisen wie möglich und jeden Kilometer genießen“, schreibt er aus Valparaíso in Chile, eine Hafenstadt mit 278 000 Einwohnern.
Der Potsdamer, der an der früheren Pädagogischen Hochschule Sport und Geografie studierte, hat einen ganz anderen Song im Ohr, der ihn anspornt. „Einmal bis Feuerland, bitte“, heißt es in einem ebenfalls sehr bekannten Lied der Brandenburger Band Keimzeit. Und dorthin, an die Südspitze des Kontinents, will er mit seinem Fahrrad kommen. „Dieses Lied möchte ich genau dort hören, am Ende der Welt“, schreibt Kühnl. Von der Inselgruppe ist er zurzeit noch über 3000 Kilometer entfernt. Über 6000 hat er bereits hinter sich, 28 000 könnten es am Ende der kompletten Tour sein.
Losgefahren ist Thomas Kühnl in Quito in Ecuador. Am 3. Juli ging der Flieger, Kühnl hatte sich akribisch vorbereitet. Vor allem musste er das Gepäck sorgfältig auswählen. Neben Bekleidung und Ausrüstung, Ersatzteilen und Zelt packte er Flaschen, Solaranlage für Stromerzeugung, Laptop und Kamera ein. Alles muss aufs Fahrrad passen. Allein der Reiseführer wiegt ein Kilogramm. „Was auf keinen Fall mitkommt, ist das Handy“, sagte sich Kühnl. Es ist nicht das erste Mal, dass er mit dem Rad unterwegs ist: Seit über 30 Jahren reist er durch Europa und andere Kontinente, zunächst lediglich mit einem Rucksack, später stieg er um aufs Rad. Kam anfangs noch die Familie mit, Frau und Tochter, reist er jetzt allein. Touren durch Südeuropa, Ungarn oder Rumänien sind für ihn mittlerweile kleinere Ausflüge. 2004/2005 radelte er durch die USA und Mittelamerika und wusste, er müsste eines Tages wiederkommen. Jetzt ist der Süden dran. Dafür hat er sich über ein Jahr von seiner Arbeit als Lehrer an einer kleinen Berliner Privatschule freistellen lassen.
Unterwegs verständigt er sich mit Englisch und zunehmend auch Spanisch. Viele interessante Mitreisende lerne er kennen, Radfahrer aus ganz Europa. Er genieße aber auch das Alleinsein, eine Herausforderung auf langen Strecken, wenn die Gegend karg ist und man nur alle 100 Kilometer an einer Hütte vorbeikommt, erklärt er. Kühnl schläft in Hostels oder darf in einer Ecke in einer Kirche oder Schule übernachten. Manchmal bleibt ihm nur sein Zelt. In den Bergen des Altiplanos, einer Hochebene in Südost-Peru und West-Bolivien, war es allerdings so windig, dass er sein Zelt am Fahrrad und dem Gepäck anbinden musste.
Mittlerweile hat er einige seiner Traumziele erreicht, die Ruinenstadt der Inkas, Machu Picchu in Peru, und den größten Salzsee der Welt, den Salar de Uyuni in Bolivien. Jetzt in Chile ist es Sommer, 25 bis 40 Grad und im Landesinneren noch heißer. Demnächst will er weiterfahren, von Valparaíso die Küste entlang nach Süden, dort sei es milder, feuchter und sogar tropisch, an der Küste gibt es Regenwald. Um die Weihnachtszeit will er das Seengebiet im Süden von Chile und Argentinien erreichen. Dass er Weihnachten und Silvester nicht in Deutschland ist, stört ihn kaum. „Ich vermisse nicht viel aus Deutschland“, schreibt er, nicht den Einkaufs- und Umtauschstress und nicht die Weihnachtssüßigkeiten schon im Oktober. Weihnachtsbäume haben die Chilenen nicht, dafür in manchen Gegenden Feuerwerk zu Weihnachten. „Und sie treffen sich mit Familie und Freunden und essen viele süße Dinge wie riesige Eisportionen“, so Kühnl. „Aber es gibt auch die Menschen, die Berge an Geschenken kaufen und sich dafür verschulden. Also kein großer Unterschied zu Deutschland“, schreibt er.
Ein Geschenk wird auch Thomas Kühnl bekommen. „Ich warte seit zwei Wochen auf ein Paket mit einem Teil für den Kocher, einem neuen Einsatz für den Wasserfilter, einer neuen Halterung für meine Radtasche und neue Spannriemen. Alles sehr schöne Geschenke. Ich habe mir auch eine Faltmüslischüssel und Nahtabdichter zu Weihnachten geschenkt“, schreibt Thomas Kühnl aus der chilenischen Hafenstadt.
Auf www.reisen-mit-und-ohne-rad.de kann man verfolgen, wo Thomas Kühnl gerade unterwegs ist, Eintragungen lesen und Bilder seiner Reise anschauen.
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