Landeshauptstadt: Emotionale Fürsorge
Heute ist Alzheimer-Tag: Gesellschaft bietet Seminare „Hilfe beim Helfen“ an
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Heute ist Alzheimer-Tag: Gesellschaft bietet Seminare „Hilfe beim Helfen“ an Wann es angefangen hat, ist schwer zu sagen. Es kam schleichend. Kaum spürbar. „Als mein Vater meinen Geburtstag vergaß, ahnte ich etwas“, erinnert sich der 44-Jährige B. Immer hatte der Vater an den Ehrentag seines Sohnes gedacht. Irgendwas stimmte nicht. Das war vor etwa zwei Jahren. Mittlerweile steht die Diagnose fest: B.s Vater hat Alzheimer. Das Leben der Familie hat sich verändert. „Für uns Kinder ist es leichter, da wir nicht vor Ort leben. Aber für meine Mutter ist es schwer“, sorgt sich B. Sie lebt allein mit ihrem Mann nördlich von Berlin. Mit Hilfe von außen tut sich die 60-Jährige schwer. Sie verdrängt. Die Kinder gaben ihr Literatur über die Krankheit. Doch die blieb ungelesen. Auch wollten sie ihre Mutter mit in das Seminar „Hilfe beim Helfen“ nehmen, doch die Überwindung fiel schwer. Einmal kam sie mit. B. und seine Frau besuchten regelmäßig die siebenteilige Veranstaltungsreihe der Alzheimer Gesellschaft Brandenburg e. V. (AG). Hier erfuhren sie von Entlastungsmöglichkeiten bei der Pflege und bekamen Antworten auf rechtliche Fragen. An diesem Abend treffen sich die Angehörigen von an Alzheimer erkrankten Menschen ein letztes Mal. Vorerst. „Es war gut, einfach zu reden.“ Alle im Kreis nicken. B. erzählt weiter von seinem Vater. Seine Sorgen sind groß. „Manchmal verlässt Vater das Haus.“ Wohin der 66-Jährige geht, weiß niemand. Bisher fand er den Weg zurück. „Doch was ist, wenn er das mal nicht mehr schafft?“ Birgitta Neumann von der AG rät Visitenkarten oder Zettel mit der Adresse in die Taschen der Kleidung des Vaters zu nähen. Sicherheitshalber. „So können Passanten oder die Polizei die Verwandten informieren.“ Ähnliche Sorgen hat Manuela aus der Nähe von Königs Wusterhausen. Ihre Großmutter lebt bei ihr. „Was wird, wenn mir was passiert?“ Zurzeit schaut sie sich Heime in der Umgebung an. Aber es ist nicht einfach. „Selbst für mich ist das schwer auszuhalten.“ Immer wieder werden Fragen unzureichend beantwortet. „Für den Fall, dass meine Oma wegläuft, soll ich einfach eine Fotografie ihren Sachen beilegen.“ Dann könne man sie suchen lassen. Die junge Frau schüttelt den Kopf. Beruhigung ist das keine. Für sie ist klar, dass der Aufenthalt „in so einer Einrichtung“ nur zeitlich begrenzt in Frage kommt. Auch sei nur ungenügend für die Alltagsgestaltung der Patienten gesorgt. Fachberater Lars Möhring weiß aus seiner langjährigen Tätigkeit um die Angst der Angehörigen. „Immer mehr Pflegeheime entstehen, aber sie sind nicht immer geeignet für Demenzkranke.“ Die Patienten benötigen Fürsorge, vor allem auf emotionaler Ebene. Die Häuser könnten das nicht leisten. Höchstens zwölf Prozent des Pflegepersonals habe mehr als einen Tageskurs als Grundlage für den Umgang mit den Patienten. Die Situation sei problematisch. „Im ambulanten Bereich ist es nicht besser.“ Die Strukturen seien nur zart. Viele Angehörige entschieden sich deshalb für die häusliche Pflege. „Allein im Land Brandenburg gehen wir davon aus, dass 60 Prozent aller Erkrankten zu Hause gepflegt werden“, so Möhring. Professionelle Hilfe wie Pflegedienste oder Tageseinrichtungen werden nur von einem Drittel der Pflegenden angenommen. Immer noch sei die Krankheit zudem gesellschaftlich außen vor. Dabei ist eine Zunahme zu verzeichnen. In Potsdam leben knapp 1500 Menschen mit einer Demenzerkrankung. „Diese Zahl wird sich bis 2015 verdoppeln“, erläutert Birgitta Neumann. Ursache ist das hohe Alter, das die Menschen erreichten. An ihrem vorerst letzten Abend informieren sich die sechs Angehörigen über weitere Hilfeangebote. „Sie können jederzeit anrufen“, beruhigt Birgitta Neumann. Derzeit überlegen die Mitarbeiter der AG, ob sie das Seminar im kommenden Jahr fortführen können. Seit zwei Jahren gibt es das kostenlose Angebot „Hilfe beim Helfen“ jeweils im Frühjahr und im Herbst. Der Wunsch nach weiteren Treffen bleibt bei den Teilnehmern meist bestehen. „Art und Weise steht derzeit noch nicht fest.“ Doch die Frauen und Männer verabreden ein baldiges Wiedersehen „zum Reden“. Das ist wichtig, denn schwer wiegt der Kummer, den sie sich von der Seele reden möchten. U. Strube Heute findet der 6. Alzheimer-Tag Brandenburg ab 9.30 Uhr im Tagungshaus BlauArt in Potsdam-Hermannswerder statt.
U. Strube
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