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Von Kay Grimmer: Endlich ohne Zerstörung

Filmeffekte-Spezialist Volker Engel erzählte vor Schülern über seine aktuelle Arbeit in Babelsberg

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170 Schüsse in vier Wochen. Volker Engel ist kein Scharfschütze in dem Sinne. Der Meister der visuellen Effekte sorgt für computergenerierte Filmsequenzen, in der Fachsprache „Shots“ – also „Schüsse“ – genannt und verfeinert aktuell Roland Emmerichs Shakespeare-Drama „Anonymous“, das Regisseur jüngst in Babelsberg drehte. Bis zum 9. Oktober habe er noch Zeit, Hintergründe und visuelle Effekte, die real nicht vorhanden sind, am Computer zu zaubern, erzählte der oscarprämierte Filmemacher Engel gestern Vormittag im Babelsberger Filmgymnasium. Dort berichtete der in Bremerhaven geborene Experte für visuelle Filmeffekte vor Schülern mit dem Schwerpunkt Film über seinen Weg von Norddeutschland nach Los Angeles und seinen Beruf, der „vor allem Leidenschaft benötigt“.

Infiziert mit dem Film-Virus wurde Engel, als er 1978 als 13-Jähriger den Film „Star Wars“ im Kino sah. Dieses Science-Fiction-Märchen sei „für viele Filmemacher meines Jahrgangs die Initialzündung“ gewesen, so Engel. Schon kurz darauf experimentierte der junge Volker Engel mit der Animationstechnik und erstellte mit der Super-Acht-Kamera kurze Trickfilme. Heute stehen ihm millionenschwere Budgets zur Verfügung, um Effekte wie in den Emmerich-Endzeitdramen „2012“ oder in „Independence Day“ zu zaubern, erzählt der bodenständig wirkende Engel. Für die Arbeit bei „Independence Day“ erhielt der Filmemacher, damals erst 32 Jahre alt, 1997 den wichtigsten Branchenpreis, den Oscar. Es ist kein Zufall, dass alle Engel-Filme von Regisseur Roland Emmerich stammen, die beiden bilden seit Jahrzehnten ein eingespieltes Team. Schon seit 20 Jahren arbeiten sie zusammen, erst in Deutschland, kurz darauf auch in Hollywood.

Seitdem lässt Engel den Boden erbeben, Wassermassen über die Kinoleinwand fließen, die Erde versinken. „Vor jedem Film überlege ich mir gemeinsam mit dem Regisseur: Was kann real umgesetzt werden, was muss am Computer entstehen“, beschreibt Engel seine Herangehensweise. Das ist bei Naturkatastrophen schnell entschieden, doch wie sieht es mit Gebäuden und Straßenzügen aus? Ist ein Computerbild besser oder ein Modell? „Das hängt auch immer vom Budget ab“, so Engel.

Viel Arbeit hatte er jedenfalls bei Emmerichs Endzeitdramen wie „2012“. Über 1300 Sequenzen erstellten Engel und sein Team oder ließen sie von anderen Firmen erarbeiten. „Dabei haben wir auch auf Babelsberger Knowhow zurückgegriffen und die Firma Piximondo beauftragt.“ Die visuellen Effekte für „Anonymous“, den aktuellen Streifen von Emmerich und Engel, erarbeitet lediglich seine Firma. „Als Roland Emmerich mit dem Historienfilm ankam, haben wir uns gefreut: Endlich durften wir mal eine komplette Stadt per Modell und Computer erstellen, die nicht gleich wieder zerstört wird“, lacht Engel. Auch für einen erfahrenen Filmemacher wie ihn sei dieser Streifen eine „Herausforderung“. „Immerhin erstellen wir das London des 16. Jahrhunderts, davon gibt es nichts mehr.“ Engels Lieblingsobjekt die „London Bridge“, die zu Shakespeares Zeiten die einzige Themse-Überquerung der Stadt und mit Wohnhäusern bebaut war. Inspiriert von Bildern der damaligen Architektur und Stadtkarten erstellten die so genannten VFX-Experten Häuser und Straßenzüge am Computer.

Anhand der ominösen Abkürzungen im Filmmetier lasse sich auch schnell erkennen, ob man es mit echten Profis zu tun habe, lüftet Engel vor den Schülern auch Geheimnisse. So würden richtige Filmemacher von CG sprechen, Computer Graphics. Leute, die sich oberflächliches Wissen angelesen hätten, sprächen oft von CGI, Computer Generated Imagery. „Diese Begriffe stehen aber meist nur in Zeitschriften, an Filmsets wird fast nur von CG gesprochen“, erklärt Engel. Und er macht darauf aufmerksam, dass die SFX, also „Special Effects“, keineswegs sein Metier sind, sondern visuelle Effekte, englisch Visual Effects, abgekürzt VFX. „Die Special Effects sind Explosionen oder Feuerbälle, die direkt vor der Kamera passieren.“ Seine Arbeit sehe man beim Dreh nicht, die visuellen Effekte werden nachträglich in die Szenen eingefügt.

Bis Mitte November werde Emmerich noch an „Anonymous“ arbeiten, Engel wird dann bereits seit gut sechs Wochen fertig sein und sich womöglich in Los Angeles in seinem Apartment erholen. Dort steht sein Oscar. „Nicht so abgedreht wie bei anderen als Türstopper sondern auf dem Kaminsims“, gesteht Engel. Ein wenig deutsche Ordnungsliebe hat er sich auch nach 20 Jahren USA bewahrt.

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