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Diskussion der F.C. Flick Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz zum Thema Antisemitismus.

© Corinne Holthuizen-Habermann/Flick-Stiftung

Entfernen oder erklären?: Debatte über antisemitische Motive an Kirchen

In der Reihe „Potsdam Publik: Debatten zum Antisemitismus“ wurde am Dienstag über Schmähungen des Judentums im Christentum diskutiert. Deren Wurzeln reichen weit zurück.

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Es ist eines der schwärzesten Bildmotive in der Geschichte des Christentums: Die sogenannte „Judensau“ prangt seit dem Mittelalter an christlichen Kirchen. Ein Schwein, aus jüdischer Sicht also ein unreines Tier, an dessen Zitzen Menschen, die mithilfe ihrer Kleidung als Juden dargestellt werden, säugen. Doch in den letzten Jahren ist um diese antisemitischen Darstellungen eine Debatte entbrannt: Sollen sie weiter an den Mauern der Kirchen prangen? Vor allem die „Judensau“ an der Stadtkirche in Wittenberg, der Predigtkirche Martin Luthers, bewegte dabei die Gemüter. Doch auch im Kreuzgang der ältesten Kirche der Mark Brandenburg, des Brandenburger Doms, findet sich solch eine Darstellung.

Das ist der Hintergrund, über den am Dienstagabend eine illustre Runde im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam debattierte. In der Reihe „Potsdam Publik: Debatten zum Antisemitismus“ sprachen unter Leitung von Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, der Antisemitismusbeauftragte der EKD, Christian Staffa, der Gründer des Moses Mendelssohn-Zentrums Julius H. Schoeps und die Geschäftsführerin der F.C. Flick-Stiftung, Susanne Krause-Hinrichs, über eben jene Judensäue.

Und vor allem Stäblein sprach sich dabei vehement für deren Entfernung aus. „Wo es beseitigbar ist, muss man es beseitigen“, sagte Stäblein. Das gelte insbesondere für die Kirche in Wittenberg: „Ich finde es schwierig, in einer Kirche Gottesdienst zu feiern, wo an der Wand eine solche Figur ist.“ Eine andere Position nahm der Landesbischof indes zur Judensau im Kreuzgang des Brandenburger Doms ein. Sie befände sich ohnehin am Eingang zu einem Museum. Eine Abnahme der dortigen Plastik könne zu weiteren Schäden führen. Deswegen sollte die Plastik erklärt, aber zugleich „visuell entfernt“ werden: Sie solle so verhängt werden, dass sie „nicht ins Auge fällt, aber für die Erklärung weiter sichtbar bleibt.“

Dagegen sprach sich Schoeps „strikt“ gegen eine Entfernung der Plastik aus. „Entferne ich bestimmte anstößige Stellen aus dem Kulturgut, blieben leere Flecken“, sagte Schoeps. „Das ist eine große Gefahr.“ Man könne vieles erklären, und man sollte es erklären. „Ich bin fürs Erklären“, so Schoeps. Andernfalls müsste man etwa auch alle antisemitischen Passagen aus den Werken Wilhelm Buschs oder alle als antisemitisch empfundenen Textstellen des Neuen Testaments löschen. Und auch Krause-Hinrichs betonte, um gegen den Antisemitismus vorzugehen, brauche man die Objekte, die ihn darstellten. „Wenn ich eine Statue abhämmere, ist sie nicht mehr da – dann kann ich es nicht erklären.“ Von den „Judensäuen“, für die Christian Staffa im Verlauf der Debatte den Begriff „Kirchensäue“ vorschlug, sollte man sich deutlich distanzieren. „Wegmachen würde ich es aber auf keinen Fall.“

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