Landeshauptstadt: Er bringt sie alle zum Sprudeln
Der „Fontänendienst“ dreht die Wasserspiele aller Potsdamer Schlossparks täglich per Hand auf
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Noch hört man nur ein leises Brummen, doch nur einen Knopfdruck später ist das ganze Pumpwerk in der Moschee an der Breiten Straße von einem gewaltigen Dröhnen erfüllt. Der Boden zittert, am Saugrohr beginnt sich ein Rad zu drehen, an der Seite tropft etwas Wasser herunter. Gerade hat Klempner Lars Baumbach das Herz aller Wasseranlagen im Park Sanssouci in Gang gesetzt, die große, 200 Kilowatt starke Hauptpumpe, die nun bis zum Abend 500 Kubikmeter Havelwasser stündlich durch das fast 90 Kilometer lange Leitungsnetz pumpen wird. Von der Havel wird das Wasser über einen Höhenunterschied von etwa 35 Metern durch die Hauptschlagader – eine teilweise sanierte Gusseisenleitung von 1843 – zum Ruinenberg gepumpt, von wo das Wasser per Eigendruck in das verzweigte Parkwassernetz eingespeist wird.
Um erst mal etwas Wasser anzusaugen, hatte Baumbach zuvor die Vorpumpe eingestellt, und dann aufmerksam in das Brummen gelauscht: „Dabei muss man immer auch Ohrenzeuge sein. Mit etwas Erfahrung hört man, wann man die Hauptpumpe einzuschalten hat. Tut man das zu spät, dann steht die Moschee unter Wasser – ist gelegentlich schon mal passiert.“
Das Anschalten der Hauptpumpe, die sowohl die rund 800 Zapfanlagen der Gärtner als auch die rund 25 Fontänen des Parks Sanssouci mit Wasser versorgt, war aber noch der leichteste Teil von Baumbachs Arbeit. Wer denkt, dass er sich danach einfach an einen Computer setzt und die zahlreichen Wasserspiele, Brunnen und Fontänen per Knopfdruck an- und wieder ausschaltet, der irrt: Der 39-jährige Klempner, der für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten arbeitet, schwingt sich auf den Drahtesel und beginnt mit seiner Tour, denn er hat heute „Fontänendienst“. Das heißt, alle Fontänen werden direkt vor Ort per Hand aufgedreht. Dazu braucht Baumbach nichts weiter als den wuchtigen Schieberschlüssel, den er an die Mittelstange seines Fahrrads gehängt hat.
Von Mai bis Oktober kümmert sich der Fontänendienst um alle Potsdamer Parks, aber in Sanssouci gibt es natürlich am meisten zu tun. Täglich um 9.30 Uhr beginnt die Tour: „An einem Tag mit Fontänendienst fahre ich etwa 30 Kilometer mit dem Rad: Zum Anmachen der Fontänen zehn Kilometer, zum Ausmachen noch mal, und zwischendurch muss ich ebenfalls herumfahren und den Druck nachjustieren“, sagt Baumbach.
Die erste Station ist an der Friedenskirche, wo unter anderem der „Christusbrunnen“ auf seine Inbetriebnahme wartet: Baumbach hebelt mit dem Schieberschlüssel den kleinen Metalldeckel im Gras auf, setzt sein Werkzeug an, dreht ein paar Mal kräftig, und schon schießen Wasserstrahlen aus den vier Putten-Mündern am Sockel der Statue. Aber einer der Münder spuckt nicht so, wie er soll, anscheinend ist die Metall-Öffnung verstopft. „Aus der Havel können immer mal Holzstücke, Muscheln oder kleine Fische mit angesaugt werden, die dann in den Öffnungen stecken bleiben“, so Baumbach. Das Überprüfen und Freimachen von Abflussgittern und Fontänenmündungen gehört bei jedem Wasserspiel zur Standardprozedur. Spezialwerkzeug braucht Baumbach dazu nicht: Er nimmt einfach ein kleines Stöckchen vom Boden, stochert kurz in der Metallöffnung, und schon ist der Wasserstrahl wieder in Form.
Weiter geht’s zur „Blumenfontäne“, zur „Viehtränke“ oder zur „Jubiläumsfontäne“ – mit ein paar Handgriffen bringt Baumbach sie alle zum Sprudeln und stellt die Höhe ein, manche nur wenige Meter, manche über zehn. Eines seiner Lieblings-Wasserspiele ist die Fächerfontäne im Sizilianischen Garten, besonders, wenn die Seerosen im Becken schwimmen. Für Baumbach gehört der Fontänendienst definitiv zu seinen schönsten Aufgaben im Park: „Es ist schon toll, wenn man die Ventile aufdreht und dann sieht, wie das Wasser herausschießt, außerdem kommt man immer wieder mal mit den Besuchern ins Gespräch.“
An Regentagen würden natürlich weniger Fontänen angestellt, denn „dann sieht sie ja keiner“, so Baumbach. „Auch wenn es heiß ist, müssen wir oft einige Fontänen auslassen, weil die Pflanzen natürlich erste Priorität haben und genügend Wasser bekommen müssen. Im letzten Sommer stand die Havel wegen der Hitze so niedrig, dass wir kaum Wasser ansaugen konnten.“ Die größte Fontäne ist natürlich die „Große Fontäne“ direkt vor Schloss Sanssouci, mit rund 20 Metern Höhe. Bei voller Leistung würde sie auch 35 Meter schaffen, aber das nimmt dann natürlich den Druck von anderen Fontänen. Man müsse daher bei jedem Aufdrehen ein Gefühl für die richtige Höhe haben, damit auch andere Wasserspiele zur Geltung kämen, sagt Baumbach. Und so schön sie auch anzuschauen sind: Allzu hoch dürfen die Fontänen auch nicht sprudeln, denn wenn es windig ist, werden nicht nur die Parkbesucher nass, sondern auch umstehende Statuen, die vom Wasser angegriffen werden können.
Viele der Fontänen seien sanierungsbedürftig, sagt Baumbach, etwa die gesamte Anlage im Schloss Charlottenhof, die zurzeit völlig stillgelegt ist. Heute sind noch etwa die Hälfte der Fontänen in Betrieb, die vor dem Zweiten Weltkrieg liefen. Ein Jahrhundert früher, beim Alten Fritz also, lief aber noch weniger: „Damals hat man ja noch versucht, die Fontänen mit Holzrohren und Windmühlenkraft zu betreiben“, erzählt Baumbach. „Das einzige, was Friedrich II. hin und wieder gesehen hat, war zum Beispiel die kleine Fontäne vor der Bildergalerie – wenn es zu Ostern genügend Schmelzwasser gab, das vom Ruinenberg herunter floss. Das waren dann 20 Minuten Freude.“
Bleibt die Frage: Warum automatisiert man die Fontänen nicht einfach? Bei einzelnen, zum Beispiel der „Großen“, ist das bereits der Fall, sagt Baumbach, aber die Automatik sei auch störanfällig und außerdem müsse man ohnehin dauernd den Druck und die Abflussgitter prüfen. „Da kann man genauso gut selber aufdrehen.“
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