Landeshauptstadt: Erfolgloser Kampf
Lindenstraße 54: Vortrag über KPD-Widerstand
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Zwölf Vorträge sind in der Veranstaltungsreihe „Menschen unter Diktaturen“ in der Gedenkstätte Lindenstraße 54 zu hören. Ein einziger, nämlich der an diesem Abend, wie ein Besucher am Donnerstagabend erstaunt feststellte, bezieht sich auf die Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945. Da war die Lindenstraße 54 Untersuchungsgefängnis des Volksgerichtshofes sowie Sitz des rassenideologisch motivierten Erbgesundheitsgerichtes. Insbesondere Linke kritisieren an der Gedenkstätte eine Vernachlässigung der NS-Zeit, die nach 1945 Gefängnis des sowjetischen Geheimdienstes und der DDR-Stasi war. Immerhin sei nun ein Wissenschaftler eingestellt worden, der das seit langer Zeit erwartete Ausstellungsmodul über die braune Herrschaft erarbeiten wird, wie Hans-Hermann Hertle vom Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) zu beruhigen versuchte.
Thema des Vortrages am Donnerstagabend von Martin Seiffert war die thüringischen Widerstandsgruppe um Theodor Neubauer und Magnus Poser; hierzulande keine Unbekannten, wurden sie doch zu DDR-Zeiten als KPD-Funktionäre und Antifaschisten zu Helden verklärt. Neubauer, KPD-Reichstagsabgeordneter, verbrachte seine Untersuchungshaft in der Potsdamer Lindenstraße und wurde im Gefängnis Brandenburg-Görden im Februar 1945 mit dem Fallbeil hingerichtet. Poser wurde bei seiner Flucht aus dem Gefängnis Weimar angeschossen und starb trotz Notoperation im KZ Buchenwald.
Historiker Seiffert, der eine Magisterarbeit zur Neubauer-Poser- Gruppe schrieb, erklärte, die DDR habe den kommunistischen Widerstand bewusst überhöht, um das eigene Selbstbildnis zu festigen. Der Erfolg der KPD im Kampf gegen Hitler und den Krieg sei gering gewesen, erklärte Seiffert, ohne die Leistung der Widerständler schmälern zu wollen. Unter immensen personellen Verlusten habe die KPD versucht, nach 1933 ihre Strukturen aufrecht zu erhalten: „Bis Sommer 1934 saß die Hälfte ihrer Funktionäre im Gefängnis oder war umgebracht worden.“ Wie Seiffert schilderte, war die Aussichtslosigkeit der KPD-Widerständler auch hausgemacht: Aufgrund des starken Verfolgungsdruckes etwa durch die Geheime Staatspolizei Gestapo sei eine Art „Katakomben-Gesellschaft“ entstanden, „eine Parallelgesellschaft in der Illegalität“, in der aufgrund von Realitätsverlust nicht mehr die richtigen Schlussfolgerungen gezogen wurden. So hätten große Illusionen über die vermeintliche Instabilität des Regimes und seine Erschütterbarkeit durch ideologische Einflussnahme auf die Bevölkerung vorgeherrscht. Daraus resultierte auch, so Seiffert, der enorme und risikoreiche Aufwand, den auch die Neubauer-Poser-Gruppe betrieb, um Flugblätter herzustellen. Darin beschworen sie „in Trost-Metaphern die innere Brüchigkeit des Systems“, wie Seiffert sagte. Immerhin, eine Granatenfabrik in Zella-Mehlis produzierte im Zuge der Aktivitäten der Neubauer-Poser-Gruppe 50 Prozent Ausschuss. Auch zwei Sprengstoff-Anschläge auf Schienen seien der Gruppe zuzuordnen. Neubauer sei der Theoretiker gewesen. Trotz der Folter in Potsdam habe er laut Gerichtsakten nicht ausgesagt.
„Ich sage euch, wie das war.“ Mit diesen Worten überraschte Dietrich Müller die Runde. Müller ist Sohn von Otto Müller, Mitglied der Neubauer-Poser-Gruppe. Aus Angst vor Gestapo-Spionen habe „einer dem anderen nicht getraut“. Wenn sein Vater Besuch bekam, „wurde ich weggeschickt, um Blaubeeren zu suchen“, sagte Müller, „damit ich nicht mitbekam, wer da war.“ Guido Berg
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