zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Erklärungsversuche

Bei SPD und Linke beginnt nach der Kommunalwahl die Suche nach den Ursachen für die Niederlagen

Stand:

Nach der Kommunalwahl bemühen sich Politiker und Experten um eine Interpretation der teils überraschenden Ergebnisse in Potsdam – so zum Beispiel das mit 23,4 Prozent zweitschlechteste Wahlergebnis der Potsdamer Sozialdemokraten seit der Wende, mit Verlusten von 3,7 Prozentpunkten. SPD-Vizefraktionschef Pete Heuer erklärte den PNN am Mittwoch, möglicherweise sei die von Linken und SPD gemeinsam getragene Erhöhung der Grundsteuer kurz vor der Wahl ein Erklärungsansatz für die Verluste beider Parteien. Auch seien kleinere Wählergruppen wie Die Andere – die sich etwa klar gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche positionierte – offensichtlich stärker honoriert worden als Parteien, die ein breites Themenspektrum anböten.

Dieser Einschätzung stimmt auch der Politologe Jochen Franzke von der Universität Potsdam zu. Gerade auf kommunaler Ebene hätten es Volksparteien schwerer, da sie bei Streitfragen innerparteilich häufig einen Konsens zwischen verschiedenen Strömungen herstellen müssten und dadurch Themen nicht zuspitzen könnten. „Wählergruppen können dagegen Themen wie etwa die Garnisonkirche auf die Tagesordnung setzen und so eigenes Klientel mobilisieren“, sagte Franzke den PNN. Mitglieder von Die Andere hatten vor der Wahl das laufende Bürgerbegehren gegen den Wiederaufbau der in der DDR gesprengten Kirche maßgeblich unterstützt, die Wählergruppe steigerte ihr Ergebnis von fünf auf 7,7 Prozent. Und das, obwohl die Potsdamer Linke unter ihrem Chef Sascha Krämer seit etwa drei Jahren versucht, speziell Mitglieder aus dem linksalternativen Milieu zu gewinnen, die inhaltlich auch bei Die Andere kandidieren könnten. Doch es nützte nichts, die Linke verlor Stimmen. Zwar blieb die Partei mit 25,3 Prozent die stärkste Kraft – allerdings hatte sie bisher bei Kommunalwahlen stets Ergebnisse zwischen zuletzt 31 und 38 Prozent erreicht.

Linke-Chef Krämer sagte dazu, der Spagat seiner Partei, zugleich im bürgerlichen und im linken Lager von Die Andere zu fischen, sei teilweise misslungen: „Als Volkspartei muss man sich um viele Themen kümmern statt um ein Kernklientel.“ In einer Wahlanalyse für seine Partei schreibt Krämer auch, dass die Zuzügler nach Potsdam nicht in dem Maß Stammwähler seien wie alteingesessene Potsdamer. Auch sei die Partei nicht mehr in dem Maße in Vereinen und Verbänden verankert wie noch vor fünf oder zehn Jahren: „Hier zeigen sich die Effekte der Alterung der Mitgliedschaft.“ Auch hätten Zugpferde wie etwa der frühere Bauausschusschef Rolf Kutzmutz gefehlt, der nicht noch einmal kandidierte – 2008 aber 11 000 Stimmen holte. Doch selbst Stimmengaranten versagten bei der Wahl: Gesundheitsministerin Anita Tack bekam in der Innenstadt nur 2750 Stimmen, 2200 weniger als 2008. Die Kulturausschussvorsitzende Karin Schöter erreichte in Potsdam-West 3115 Stimmen – 1300 weniger als zuletzt. „Solche Einzelergebnisse analysieren wir noch“, sagte Krämer.

Politologe Franzke sagte, ihn habe der Umfang der Verluste bei den Linken überrascht. Es gebe mehrere Erklärungsmuster – etwa der sich vollziehende Generationenwechsel in der Partei, aber auch Wähler, die von der Regierungsbeteiligung der Linken im Land enttäuscht seien.

Für das SPD-Ergebnis – die Partei stellt seit 1990 in Potsdam den Oberbürgermeister – sieht Franzke ein weiteres Erklärungsmuster: Während der Legislatur seien immer neue Probleme in Potsdam aufgetaucht. Er nehme daher eine starke Unzufriedenheit wahr, wie die Stadt regiert werde – das zeige sich im Wahlergebnis ebenfalls, so der Politikexperte.

Insgesamt sei das bürgerliche Lager in Potsdam etwas stärker geworden. So kletterte die CDU von 11,8 auf 15,5 Prozent. „Allerdings verbürgerlicht die Stadt nicht so schnell, wie man es angesichts des Zuzugs hätte erwarten können“, sagte Franzke. Zudem habe etwa die CDU auch Konkurrenten gehabt – etwa von der europakritischen Alternative für Deutschland (AfD), die aber auch Protestwähler aus anderen Parteien wie der Linken oder der SPD mobilisiert habe. „Entscheidend wird für die AfD sein, wie nachhaltig das Engagement sein wird – denn Kommunalpolitik ist anstrengend.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })