
© A. Klaer
Von Henri Kramer: Ermittlungen gegen „Rückenwind“
Staatsanwaltschaft untersucht Geschäftspraktiken bei Potsdamer Sozialträger
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Der gemeinnützige Verein „Rückenwind – Arbeits- und Sozialprojekte Brandenburg“ e. V. gerät ins Zwielicht: Gegen den Sozialträger, der sich seit Jahren auch über die Grenzen der Landeshauptstadt hinweg engagiert, ermittelt die Potsdamer Staatsanwaltschaft.
Laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Ralf Roggenbuck werde „gegen Verantwortliche des Vereins“ ermittelt. Konkret gehe es um den Verdacht des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt. Dieser wird laut Justizexperten häufig im Zusammenhang mit möglicher Schwarzarbeit erhoben. Roggenbuck sagte, die Staatsanwaltschaft untersuche einen vermuteten Tatzeitraum von vier Jahren zwischen 2006 und 2010. Im vergangenen Herbst habe es eine Durchsuchung der Geschäftsräume des Rückenwind-Vereins gegeben, die beschlagnahmten Akten würden noch ausgewertet.
Der Rückenwind e.V. gehört zu den größeren Sozialträgern in Potsdam und Umgebung. Laut Vereinsangaben können „förderungsbedürftige Personen“ dort Aus-, Fort- und Weiterbildungen in Sozialmaßnahmen und betreuten Beschäftigungsprojekten absolvieren. Ein-Euro-Jobber würden beschäftigt, so der Verein, ebenso könnten Straffällige gemeinnützige Arbeitsstunden ableisten, dazu gebe es Ehrenamtler und Helfer. Nach PNN-Informationen geht es bei den aktuellen Ermittlungen gerade um geringfügig Beschäftigte. Mehr als 100 von ihnen sollen vom Verein Extra-Zahlungen erhalten haben, vermutet werden versteckte Löhne. Dadurch könnten Beiträge zur Sozialversicherung vorenthalten worden sein. Das Gesetz sieht dafür eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor, in schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahre Haft.
Zu den Ermittlungen wollte man sich im Verein gestern nicht weiter äußern. In einer Erklärung von Vereinsvorstand Klaus Hechler und Eugenia Maassarani, einer der aktuell drei eingesetzten Geschäftsführer, hieß es, zu dem „schwebenden Verfahren“ dürfe man sich „noch“ nicht äußern. „Sobald es uns möglich ist, zum Sachverhalt Erklärungen abzugeben, sind wir dazu gern bereit“, hieß es in der Vereinserklärung. Keine Angaben machte der Verein gestern zu der Frage, ob und in welcher Höhe nun Rückforderungen, etwa von Krankenkassen, an den Verein drohen. „Wir bitten um Verständnis für die Mitarbeiter des Vereins, deren Rufschädigung die fleißige Arbeit für den sozialen Zweck zunichte machen würde.“ Einzig verwiesen beide auf ein Gerichtsverfahren beim Arbeitsgericht Potsdam, wonach der Rückenwind-Verein erfolglos von einem ehemaligen Mitarbeiter wegen „Lohnwuchers“ verklagt worden sei. Ob der Ex-Angestellte dann Strafanzeige gegen den Verein stellte und um wen es sich handelt, blieb gestern unklar.
Schon vor einem Jahr hatte es laut einem Zeitungsbericht Querelen bei Rückenwind gegeben, dem langjährigen Geschäftsführer Michael B. war demzufolge nach Vereinsangaben gekündigt worden – wegen Differenzen in der Personalführung, wie es damals hieß. Monate zuvor, Anfang 2010, hatte sich B. wegen Betrugsverdachts vor dem Potsdamer Amtsgericht verantworten müssen. Ihm wurde damals vorgeworfen, für zwei halbe Betreuerstellen rund 8000 Euro von Brandenburgs Justizministerium erhalten zu haben – die geförderten Beschäftigten aber mit „anderen als den förderungswürdigen Tätigkeiten“ beauftragt zu haben. B. hatte die Betrugsvorwürfe bestritten, das Verfahren wurde gegen eine Zahlung von 1500 Euro eingestellt.
In Potsdam und in Teltow betreibt der Rückenwind-Verein drei Möbelbörsen mit Einrichtungsgegenständen aus zweiter Hand, in Neuruppin steht ein Jugendrechtshaus. Zu den Förderern gehören die Arbeitsagentur, die Landesministerien für Justiz und für Soziales, die Stadt Potsdam, der Landkreis Potsdam-Mittelmark sowie Handels- und Handwerkskammer.
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