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Potsdam im Umbruch: Erschütterungen im Machtgefüge

In Potsdams Chefetagen bahnt sich ein Führungswechsel an. Neben zwei neuen Beigeordneten läuft im Rathaus bereits die Suche nach einem neuen Konzernlenker für die Stadtwerke-Holding.

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Potsdam - Zwei, bald sogar drei vakante Beigeordneten-Posten in Potsdams Stadtregierung, dazu vier Chefs auf Abruf beim städtischen Konzern Stadtwerke. Und in knapp zwei Jahren wählt Potsdam einen neuen Oberbürgermeister. Das Machtgefüge der brandenburgischen Landeshauptstadt ist in Bewegung wie lange nicht mehr.

Vor allem anhand der Personalien bei den Stadtwerken wird das derzeit offenbar. Erst vor zwei Wochen hat ein Nachläufer der einstigen Affäre um Ex-Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen die beiden Top-Manager Enrico Munder und Holger Neumann ereilt. Sie sind suspendiert wegen des Verdachts, einer leitenden Angestellten eigenmächtig Gehaltserhöhungen und Sonderzahlungen bewilligt zu haben. Eine Rückkehr ist ungewiss bis unwahrscheinlich. Und das vor dem Hintergrund eines in absehbarer Zeit vakanten Stadtwerke-Throns: Wilfried Böhme, derzeitiger Chef der mächtigen Holding, wird in diesem Jahr 65. Für einen Übergangszeitraum soll er noch weitermachen – wie lange, daraus machen Stadt und Stadtwerke ein Geheimnis.

Bei den Stadtwerken wird neu sortiert

Böhme ist ein Stadtwerke-Eigengewächs, seit 1997 in Potsdam – und übernahm die Führung, nachdem Paffhausen gehen musste. Dass er sich einen eigenen Machtzirkel aufgebaut hat, ist zumindest nach außen kaum ersichtlich. Und lässt ihn nun, da hinter den Kulissen offenbar verstärkt Druck gemacht wird, ziemlich allein dastehen. Zumal nun auch noch Martin Grießner, Chef des Potsdamer Verkehrsbetriebs (ViP), verkündet hat, dass er seinen Posten räumen wird – Anfang nächsten Jahres. Auch beim ViP also werden die Dinge neu sortiert – vor dem Hintergrund des geplanten massiven Ausbaus des Potsdamer Verkehrsnetzes kein unkritisches Vorgehen.

Politische Akteure und Beobachter in der Stadt fragen sich angesichts der Personalien, ob nicht ein großer Plan hinter dem Ganzen steckt – dessen Urheberschaft nicht selten bei Burkhard Exner vermutet wird. Exner, der eher unscheinbare Sozialdemokrat, seit 2002 Potsdams Finanzdezernent, ist der Mann hinter Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Die beiden haben ein gutes Verhältnis, aber, so weit bekannt, auch kein überragendes. Wäre Exner, nur viereinhalb Jahre jünger als Jakobs, der Ende 2018 seinen 65. Geburtstag feiert, nun der neue SPD-Oberbürgermeister-Kandidat? Eher nein.

Könnte Exner Stadtwerke-Chef werden?

Könnte Exner also Stadtwerke-Chef werden wollen – oder sollen? Immerhin ist er bereits Aufsichtsratschef der Holding, hat sie nach der Entlassung von Paffhausen interimsweise auch schon geführt. Während viele einen Stadtwerkechef Exner für gut möglich halten, dementieren entscheidende Quellen vehement. Klar ist: Exner wird im Rathaus gebraucht. Er ist ein Mann der zweiten Reihe – fachlich versiert, Herr der Zahlen, Jurist. Exner hält dem Oberbürgermeister den Rücken frei, ist loyal. Zudem läuft seine Amtszeit – es ist die zweite – noch bis Ende 2021.

Freilich sieht auch Exner nicht jede Personalie gern. Ihm wird nachgesagt, nicht viel zu halten von der Bewerbung seines Parteifreundes Mike Schubert als neuer Beigeordneter für Soziales, Jugend, Gesundheit und Ordnung. Der 43-jährige Schubert ist Potsdams SPD-Unterbezirkschef, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Stadtparlament, arbeitet seit 2009 im Brandenburger Innenministerium als Leiter des Referats für Brand-, Katastrophenschutz und Militärangelegenheiten, gilt als Ziehsohn der einstigen SPD-Größen Rainer Speer und Matthias Platzeck und als Vertrauter der SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz. Und jetzt will Schubert Beigeordneter werden. Schon am Montag will Jakobs den Fraktionschefs drei Kandidaten für diesen Posten präsentieren, die vorher ein Auswahlverfahren des renommierten Personalberatungsbüros Kienbaum durchlaufen haben. Kenner sagen, die Stadt habe noch nie mit einem solchen Aufwand Beigeordnete ausgesucht – aber das sei vor dem Hintergrund der jüngsten Erfahrungen, siehe auch die Causa Matthias Klipp, durchaus richtig.

Wird Schubert Sozialdezernent?

Gegen Schubert als Beigeordneten opponierten einige in der SPD. Richtig laut wurden sie aber bislang nicht. Das kann daran liegen, dass Jakobs Schubert gern als Beigeordneten sähe – und als seinen möglichen Nachfolger. Klar ist: Die SPD braucht für die Post-Jakobs-Ära einen Generationswechsel. Schubert könnte, vielleicht auf halber Strecke der achtjährigen Oberbürgermeister-Amtszeit, von Jakobs übernehmen – vorausgesetzt, dieser tritt 2018 noch einmal an. Der Vorteil: Schubert müsste nicht aus dem Stand gewählt werden, würde als Beigeordneter Erfahrung sammeln, amtstauglich werden.

Interessant für das empfindliche Gleichgewicht zwischen den starken Potsdamer Linken unter Hans-Jürgen Scharfenberg sowie CDU und Grünen, die in der Rathauskooperation bekanntlich mit der SPD koalieren, sind die Besetzungen der zwei weiteren Beigeordnetenposten in der Stadtregierung: Ebenfalls am Montag soll Jakobs die qualifizierten Kandidaten für die Klipp-Nachfolge als Baubeigeordneter – oder Baubeigeordnete? – präsentieren. Wenn Grüne und CDU ihren Favoriten durchbringen können, stimmen sie dann für Schubert?

Bald braucht Potsdam außerdem einen neuen Beigeordneten für Bildung, Kultur und Sport. Die Amtszeit der CDU-Frau Iris Jana Magdowski endet im Sommer 2017. Bleibt das Kräfteverhältnis im Stadtparlament, würde der Posten wieder den Christdemokraten zufallen – praktisch, um das Machtgefüge auszubalancieren.

Für Potsdams Machtgefüge stehen weitere Entscheidungen an. So wird 2018 nicht nur ein neuer Oberbürgermeister gewählt, auch die städtische Bauholding Pro Potsdam muss sich neu aufstellen. Denn 2018 geht Pro-Potsdam- Chef Horst Müller-Zinsius in den Ruhestand. Wie Stadtwerke-Chef Böhme wird er in diesem Jahr 65, auch sein Vertrag war auf Wunsch von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) noch einmal verlängert worden. Doch auch wenn Müller-Zinsius als einflussreicher Konzernchef gilt – der Übergang dürfte dort wesentlich reibungsloser vonstatten gehen als bei den Stadtwerken. Mit Bert Nicke und Jörn-Michael Westphal gibt es bei der Pro Potsdam ein Führungstrio, das auf Augenhöhe agiert. pee

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