Zweigstelle für Flüchtlinge in Brandenburg: Erster Halt: Potsdam
Am ehemaligen Regierungsstandort an der Heinrich-Mann-Allee wird eine Zweigstelle für die Flüchtlings-Erstaufnahme eingerichtet. Hunderte Menschen sollen dort bald ein erstes Zuhause finden. Doch heimelig sieht es dort noch nicht wirklich aus.
- Katharina Wiechers
- Alexander Fröhlich
Stand:
Potsdam - Der Putztrupp ist schon fertig, der rote Linoleum-Boden im Gang des ehemaligen Sozialministeriums glänzt und die braunen Teppichböden in den leeren Büros sind frisch gesaugt. Jetzt sind noch Elektriker im Haus unterwegs, anschließend sollen die Feldbetten kommen. Alles muss sehr schnell gehen an diesem Montag, denn binnen Stunden werden mehrere ehemalige Ministeriumsgebäude an der Heinrich-Mann-Allee zu Flüchtlingsunterkünften umgebaut. Angesichts der Überbelegung in Eisenhüttenstadt und den immer weiter nachkommenden Flüchtlingen musste das Land eine Notlösung finden – und hat sich für Potsdam entschieden.
Potsdam ist eine Zweigstelle der Aufnahmestelle in Eisenhüttenstadt
Ab sofort ist Potsdam deshalb eine Zweigstelle der eigentlichen Zentralen Aufnahmestelle in Eisenhüttenstadt – ähnlich der Einrichtungen in Ferch oder Doberlug-Kirchhain. Zunächst 500 Menschen – vermutlich bald aber noch viel mehr – sollen künftig hier ihr erstes Zuhause finden, nachdem sie nach Deutschland eingereist sind. Erst wenn sie in Potsdam registriert sind, werden sie auf die eigentlichen Flüchtlingsheime in den Kommunen verteilt.
Doch nach einem Zuhause sieht es an der Heinrich-Mann-Allee bislang nicht aus. Bis vor wenigen Wochen haben in den Räumen noch Brandenburgs Beamte gearbeitet, bevor sie in die Neubauten an der Henning-von-Tresckow-Straße zogen – sogar die Namensschilder hängen noch an den Türen. Zwar gibt es Toiletten und relativ viele kleinere Räume, die ein gewisses Maß an Privatsphäre versprechen. Doch Kochgelegenheiten fehlen ebenso wie Duschen. Letztere sollen noch besorgt werden – wahrscheinlich werden wie andernorts Duschcontainer neben den Gebäuden aufgestellt. Und für das Essen wird eine Catering-Firma zuständig sein.
Viele Gerüchte am Montag
Völlig unklar blieb am Montag aber noch, wann die ersten Flüchtlinge in die Häuser an der Heinrich-Mann-Allee einziehen sollen. Noch am Vormittag war man offiziell davon ausgegangen, dass 500 Flüchtlinge am Abend mit einem Sonderzug aus München in Schönefeld ankommen und dann mit Bussen nach Potsdam gebracht werden. Später war das Gerücht im Umlauf, mehrere Hundert Menschen würden direkt am Hauptbahnhof ankommen. Letztlich sollten am Montag aber gar keine Flüchtlinge mehr ankommen – sicher aber noch in dieser Woche, wie Innenministeriumssprecher Ingo Decker den PNN sagte.
Er zeichnete ein durchaus dramatisches Bild von der Lage in Brandenburg. Eisenhüttenstadt samt aller Außenstellen sei voll, gleichzeitig würden aber alle paar Tage Sonderzüge aus München losgeschickt, wo derzeit Tausende Flüchtlinge stranden, die über die sogenannte Balkanroute nach Deutschland kommen. „Brandenburg kann derzeit keine Sondertransporte mehr aufnehmen“, sagte Decker. Deshalb sei die Potsdamer Zweigstelle so wichtig. „Es geht jetzt darum, Obdachlosigkeit und wilde Camps zu vermeiden.“
Helfer organisieren sich schnell
Dass Potsdam Hunderte Flüchtlinge aufnehmen wird, hatte sich am Sonntagabend über das Internet rasend schnell verbreitet. Bereits am Montagvormittag um 9.30 Uhr kamen rund 150 Freiwillige zu einem Treffen im Kulturzentrum Freiland zusammen, um ehrenamtliche Hilfe zu koordinieren. Sie gründeten mehrere Arbeitsgruppen, die sich zum Beispiel um Sprachkurse für Flüchtlinge oder rechtliche Beratung kümmern wollen. Außerdem stellten sie spontan ein Netzwerk auf die Füße, das die Freiwilligenarbeit koordiniert. Unter refugeesinpdm.tumblr.com werden die aktuellen Informationen zusammengetragen.
Einige der Helfer kamen kurz nach dem Spontantreffen im Freiland zur Heinrich-Mann-Allee, um dort beim Saubermachen beziehungsweise Einrichten der Häuser zu helfen. Allerdings gab es zunächst kaum etwas zu tun – die angekündigte Betten- und Möbellieferung aus Eisenhüttenstadt ließ auf sich warten. Zumindest Bettwäsche konnte aber schon ausgepackt und sortiert werden.
Jakobs will Flüchtlinge willkommen heißen
Vor Ort wird sich das Deutsche Rote Kreuz um die Flüchtlinge kümmern. Schon jetzt können sich Freiwillige in Haus 28 registrieren lassen. Auch Spenden werden an der Heinrich-Mann-Allee schon angenommen. Unter anderem werden wetterfeste Kleidung, Schuhe und Windeln gebraucht.
Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sicherte dem Land am Montag seine Unterstützung zu. „Die Menschen sind in absoluter Not. Wir müssen alles dafür tun, dass sie ein Dach über dem Kopf bekommen und hier willkommen geheißen werden“, teilte er mit.
Bislang hatte die Stadt eigentlich auf eine dezentrale Unterbringung mit unter 200 Menschen pro Unterbringung gesetzt. Doch nun hat die Entscheidung des Landes die Pläne durchkreuzt. Jakobs kündigte für die kommenden Tage eine Anwohnerversammlung an. Seinen Ungarn-Besuch sagte er ab. Außerdem verwies er auf die Webseite www.nn-potsdam.de. Unter „Bedarf“ werden dort weiterhin konkrete Dinge aufgelistet, die die Menschen in den verschiedenen Einrichtungen benötigen.
Wer helfen will:
Eine Bedarfsliste für die Unterkunft in der Heinrich-Mann-Allee >>
Aktuelle Informationen der Refugees Welcome-Initiative Potsdam:
Hintergründe und ausführliche Informationen auf dem Blog: http://refugeesinpdm.tumblr.com/
Infos und Koordination von Hilfe über Facebook: https://www.facebook.com/groups/1462977020678317/?fref=ts
Aktuelle Infos über Twitter: https://twitter.com/inpdm
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