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Potsdam: Erstmals Prozess wegen Zwangsheirat

Potsdams erster Gerichtsprozess wegen einer Zwangsheirat ist am Montag nach mehreren Stunden Verhandlung vertagt worden. Ein türkischer Vater soll seine Tochter zur Ehe gezwungen haben - sie flüchtete in ein Frauenhaus.

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Potsdam - Der Prozess gegen einen 47-jährigen Potsdamer mit türkischem Pass wird wahrscheinlich im Januar fortgesetzt werden. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, seine Tochter Tülay unter Druck gesetzt zu haben, Yavuz I., den Sohn eines Arbeitskollegen, zu heiraten. Als sie sich weigerte, soll Nahsan B. seine Tochter geohrfeigt und ein Handy nach ihr geworfen haben.

Die Ereignisse sollen sich zwischen Mai und Dezember 2012 abgespielt haben. Damals war Tülay B. aus der Türkei zu ihrem in Potsdam lebenden Vater geflohen, der die Familie verlassen hatte als sie zwei Jahre alt war. Zuvor war die damals 18-Jährige von ihren Onkeln in der Türkei mit dem Tod bedroht worden, weil sie sich ohne deren Zustimmung mit einem gleichaltrigen Jungen verabredet hatte, sagte die Frau in ihrer Zeugenaussage vor Gericht.

Wenige Wochen nach ihrer Ankunft habe man sie zur Heirat gedrängt. „Mein Vater hat gesagt, ich muss Yavuz heiraten“, so Tülay B. Das sei mit der anderen Familie so abgesprochen. Aus Angst habe sie sich gefügt, so Tülay B. Gedroht habe ihr der Vater nicht. „Sein Blick hat ausgereicht“, sagte sie. So kam es am 23. August 2012 zur standesamtlichen Trauung im türkischen Generalkonsulat in Berlin. Danach lebten Tülay und Yavuz I. nicht als Paar zusammen. Er wohnte in Berlin-Schöneberg und sie bei den Eltern in Potsdam-West. Zusammenziehen sollten sie erst nach einer religiösen Hochzeit im Januar. Doch dazu kam es nie. Im Dezember flüchtete Tülay in ein Berliner Frauenhaus. Die Ehe ist inzwischen geschieden.

Nach Angaben des Amtsgerichts gab es bisher in Potsdam noch keinen Prozess wegen einer Zwangsheirat. Der Zwang zur Eheschließung gilt als besonders schwerer Fall der Nötigung und wird mit sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haft bestraft. Einer Studie des Bundesfamilienministeriums zufolge werden überwiegend Menschen mit Migrationshintergrund zur Eheschließung gezwungen. Für die Untersuchung wurden im Jahr 2008 insgesamt 3443 von Zwangsverheiratung Betroffene in 830 Beratungsstellen erfasst. Häufigstes Herkunftsland der Eltern ist die Türkei.

Aus Sicht des Angeklagten gab es keinen Zwang: Er habe die Tochter lediglich mit dem Sohn eines Kollegen aus dem Potsdamer Marktcenter bekannt gemacht. Er räumte jedoch ein, bereits vor der Ankunft seiner Tochter in Deutschland mit seinem Kollegen über eine Hochzeit gesprochen zu haben. Die beiden hätten sich nach wenigen Wochen verlobt. Die Familien häten die Trauung organisiert. Der als Zeuge geladene Yavuz I. sprach von einer Liebesbeziehung und zahlreichen Verabredungen.

Zu einem Urteil kam es am Montag nicht: Nach einer Beratungspause beharrte die Verteidigung auf der Unschuld des Angeklagten und beantragte die Vernehmung weiterer Zeugen – darunter der Mutter von Tülay B. und der Eltern von Yavuz I. Außerdem verlangte sie ein psychologisches Gutachten zur Glaubwürdigkeit von Tülay B. Sollte dieses Gutachten jedoch positiv ausfallen, könnte es den Angeklagten zusätzlich belasten. Darauf wies die Staatsanwaltschaft hin.

Eine Strafe wegen Körperverletzung könnte Nahsan B. möglicherweise erspart bleiben. Seine Tochter machte in diesem Punkt von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und belastete ihren Vater nicht. Von dem geworfenen Handy sei sie nicht getroffen worden.

Konsequenzen könnte der Prozess auch für den Kurzzeitehemann Yavuz I. haben: Er hatte vor Gericht behauptet, mehrere Nächte bei Tülay B. in der Wohnung ihrer Eltern verbracht zu haben, als diese verreist waren. Doch dies bestritten sowohl die Frau also auch der angeklagte Vater. Nun wird gegen den 25-Jährigen wegen Falschaussage ermittelt.

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