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LER-UNTERRICHT IN BRANDENBURG: „Es fehlt an qualifizierten LER-Lehrern“

Johann Ev. Hafner und Peter Kriesel über zehn Jahre LER-Studium an der Uni Potsdam und die steigende Zahl der LER-Abmeldungen an Brandenburgs Schulen (12.02.14)

Stand:

Herr Hafner, in Brandenburg haben sich 2013 rund 12 Prozent der Schüler vom Pflichtfach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) befreien lassen, um am Religionsunterricht teilzunehmen. Das sind doppelt so viele wie 2006. Überrascht Sie die Entwicklung?

HAFNER: Eigentlich nicht. Der Trend ist schon länger zu beobachten. Parallel dazu zeigt sich, dass der Einsatz fachfremder Lehrer in LER vor allem in den Gymnasien dazu führt, dass LER zu einem stiefmütterlich unterrichteten Fach wird. Vertretungslehrer bringen eine andere Identifikation mit dem Fach mit als jemand, der LER grundständig fünf Jahre studiert hat. Je mehr fachfremden Unterricht es gibt, desto mehr Schüler wandern ab.

Wir haben es also nicht mit einem allgemeinen Trend zur Religion zu tun?

HAFNER: Vielleicht ist auch ein Grund, dass wir in Brandenburg rund 20 Prozent konfessionell gebundene Bürger haben, die wünschen, dass ihre Kinder den konfessionellen Religionsunterricht besuchen. So entsprechen die Zahlen der Religionsschüler in den Gymnasien – hier gibt es die höchsten Werte – in etwa dem Anteil der Protestanten und Katholiken.

Das gesamte Interview lesen Sie in der Mittwochsausgabe der POTSDAMER NEUESTEN NACHRICHTEN

Vielleicht doch die viel beschworene Renaissance der Religion?

HAFNER: Im Gegenteil. Wir haben es in Mitteleuropa nach wie vor mit einem Abschmelzungsprozess von gesinnungsfester Religiosität zu tun. Ob die Talsohle erreicht ist, wissen wir nicht. In Deutschland gibt es mittlerweile über 30 Prozent Konfessionslose. Bemerkenswert ist aber, dass gleichzeitig die Religion im öffentlichen Diskurs immer bedeutender wird. Die Medien reflektieren das Thema zunehmend, das Interesse an Religion nimmt zu – aber nicht das Bindungsverhalten. Das kann natürlich daher kommen, dass Menschen vom Religionsunterricht eine Erklärung der Religionen erwarten. Das muss noch nichts mit spiritueller Sinnsuche und Orientierungsbedürfnis zu tun haben. Das ist vielmehr eine erhöhte Aufmerksamkeit auf das öffentliche Phänomen Religion.

Wie steht das Fach LER zehn Jahre nach Beginn des grundständigen Studiums an der Universität Potsdam da?

HAFNER: Die Studierendenschaft hat an der Fakultät die höchste Zufriedenheit mit ihrem Fach, ihr Zusammenhalt ist sehr groß, die Quote der Abbrecher- und Studienfachwechsler ist am geringsten, wir haben eine hohe Auslastung und Nachfrage und beste Ergebnisse bei der Akkreditierung. Die Mischung aus Ethik, Religionswissenschaft und Psychologie stimmt.

KRIESEL: Die hohen Studienbewerberzahlen sprechen für das Studium. Aber auch für die Beliebtheit des Faches bei Schülern. Denn Schüler würden sich ja nicht für das Fach bewerben, wenn es ihnen persönlich nichts gebracht hätte. Die Universität zehrt heute noch von Schülern, die von qualifizierten LER-Lehrern unterrichtet wurden. Das spricht für das Fach. Aber die Rahmenbedingungen müssten geändert werden. Es sind zum Beispiel bei gegenwärtig 340 fehlenden LER-Lehrkäften im Lande wesentlich höhere Einstellungszahlen von Absolventen aus dem Vorbereitungsdienst erforderlich. Auch andere Unstimmigkeiten gibt es noch.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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