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Landeshauptstadt: Es geht auch einfacher

Eine Arbeitsgruppe der Fliedner-Stiftung übersetzt Amtskauderwelsch in „leichte Sprache“

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Das Gefühl kennen sicher viele: Ein Brief vom Finanzamt oder der Bank liegt im Briefkasten. Aber um zu begreifen, was drin steht, braucht man mehrere Anläufe, wünscht sich am besten jemanden, der das Kauderwelsch übersetzen kann. Etwas Ähnliches macht jetzt eine Arbeitsgruppe bei der Theodor-Fliedner-Stiftung: Menschen mit und ohne Behinderungen übertragen gemeinsam Texte in die sogenannte „leichte Sprache“. Das soll zum Beispiel Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Lese-Rechtschreibschwäche zugute kommen.

Ein erstes Ergebnis dieser Arbeit ist auf der Internetseite der Stadtverwaltung nachzulesen: Dort wird in einfachen Sätzen und ohne Fremdworte erklärt, was es mit dem Teilhabeplan auf sich hat. „Teilhabe heißt, dass Menschen mit Behinderung überall in der Gesellschaft mitmachen können“, steht da als erster Satz. Und weiter: „Ein schweres Wort dafür ist Inklusion.“ Das komplizierteste an dem Text ist, ihn zu finden: Auf www.potsdam.de muss man sich dafür durch die Menü-Schlagworte „Potsdam entdecken“, „Leben in Potsdam“, „Chancengleichheit“ und „Teilhabeplan“ klicken. Martina Trauth-Koschnick, Potsdams Gleichstellungsbeauftragte, lobte die Gruppe am Montag für ihre „unheimlich wichtige gesellschaftliche Arbeit“: „Das kann eigentlich erst der Anfang sein.“

Tatsächlich will die Fliedner-Stiftung, die in Potsdam rund 150 Menschen mit psychischen Problemen oder geistigen Behinderungen betreut, die Arbeit ausbauen. Mit Fördermitteln von der „Aktion Mensch“ soll eine Art Werkstatt aufgebaut werden, erklärt Lajana Resch, Fachbereichsleiterin bei der Stiftung. Sollte der Förderantrag bewilligt werden, könnte damit auf bis zu vier Jahre eine Mitarbeiterin finanziert werden. Auch mit dem Museumsverband und der Schlösserstiftung wolle man zusammenarbeiten. „Wir wollen der Ansprechpartner für leichte Sprache in Potsdam werden“, sagt Resch.

Konkrete Pläne gibt es für das Projekt „Potsdamer Schlösser erleben“, wie Evelyn Lindow, Fliedner-Mitarbeiterin und Stadtführerin, erklärt: Nach Berliner Vorbild könnte es auch in Potsdam Führungen in einfacher Sprache geben. Für die große Ausstellung „Friederisiko“ im Neuen Palais habe die Arbeitsgruppe bereits Texte übertragen. Ob und wie die Schlösserstiftung die einfachen Texte in die Schau über Preußenkönig Friedrich II. aufnimmt, sei aber noch unklar.

Bei der Übertragung hält sich die Arbeitsgruppe an Regeln, wie sie unter anderem das bundesweit aktive Netzwerk leichte Sprache empfiehlt: Fremdworte sollen vermieden werden, Sätze möglichst kurz sein, schwere Wörter angekündigt und erklärt werden – wie im Beispiel oben die „Inklusion“. Um zu prüfen, ob die Sprache tatsächlich leicht ist, werden die Texte Abschnitt für Abschnitt einer Prüfgruppe von Menschen mit Lernschwierigkeiten vorgelesen – ist irgendetwas unklar, halten sie eine rote Karte hoch. Dann wird nach einer besseren Formulierung gesucht.Jana Haase

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