
© Andreas Klaer
PNN-INTERVIEW: „Es ist viel passiert, was das Publikum nicht sieht“
Am Mittwoch feiert Hartmut Dorgerloh sein zehnjähriges Jubiläum als Generaldirektor der Schlösserstiftung. Im PNN-Interview spricht er über Probleme bei Sanierungsvorhaben, das Verhältnis zur Stadt und die Notwendigkeit von mehr Personal
Stand:
Herr Dorgerloh, Sie sind jetzt zehn Jahre Generaldirektor der Schlösserstiftung. Ihr größter Coup war es, den Stiftungsgebern 155 Millionen Euro für die Rettung des Potsdamer Welterbes abzutrotzen. Andererseits haben sich viele angekündigte Sanierungsprojekte um Jahre verzögert. Fühlen sich sich eher auf der Soll- oder auf der Habenseite?
Ich sehe die Bilanz außerordentlich positiv. Einige Projekte sind bereits fertig geworden. Bei anderen sind wir auf einem guten Weg und grundsätzlich muss es gerade bei unseren alten Bauten immer zuallererst um Qualität gehen. Der Masterplan war der wichtigste Erfolg, wobei es nicht allein um die Höhe des Budgets geht, sondern darum, dass wir zehn Jahre lang verlässlich planen und bauen können. Wir sind bei dem einen oder anderen Projekt ein oder zwei Jahre hinter den ursprünglichen Zeitplänen, bei den Kolonnaden am Neuen Palais etwa ...
... beim Schloss Babelsberg ist es sehr viel mehr. Auch die Besucherzentren am Neuen Palais und am Schloss Sanssouci sollten längst stehen, ebenso das Restaurant am Neuen Palais.
Erst der Masterplan hat es überhaupt möglich gemacht, mit der Sanierung von Schloss Babelsberg zu beginnen. Da gab es immer den Wunsch, aber nie das Geld. Wir haben die Zwischenzeit aber gut genutzt und noch einmal untersucht, wie wir mit dem gesamten Areal des Parks von Babelsberg und seinen vielen Gebäuden umgehen wollen. Der Restaurantneubau am Neuen Palais ist Bestandteil eines ÖPP-Verfahrens (öffentlich-private Partnerschaft – Anm.d.Red.), das extrem anspruchsvoll und langwierig ist. Und wir sind mit vielen Projekten gleichzeitig beschäftigt. In den 90er Jahren standen vor allem einzelne Bauvorhaben im Vordergrund, etwa die märkischen Schlösser. Wir haben jetzt die Anzahl der Bauplätze extrem vergrößert. Zum Teil bringt das die Stiftung bereits an die Kapazitätsgrenzen. Und es gab auch infrastrukturell erstmal eine Menge zu tun. Bevor wir etwas den Besuchern zeigen können, müssen wir oft erst Brandschutzprobleme und andere technische Fragen lösen. Es ist viel passiert, was das Publikum nicht sieht.
Sie sprachen das ÖPP-Verfahren bereits an. Wann fällt denn die Entscheidung?
Derzeit befinden wir uns in der Schlussphase des Ausschreibungsverfahrens. Die Ergebnisse werden wir mit dem Stiftungsrat im September auswerten und dann fällt auch die Entscheidung. Es geht um ein Paket von sehr kleinteiligen Maßnahmen an neun Objekten mit hohem denkmalpflegerischen Anspruch und einem Bauvolumen von ungefähr 20 Millionen Euro. Das ist wenig im Verhältnis zu anderen großen neuen Infrastrukturprojekt.
Sie betreuen Welterbestätten, vor allem in Potsdam, die zum Teil mitten in der Stadt liegen, was immer wieder zu Konflikten führt, auch mit der Stadt. Ist das Verhältnis in den letzten zehn Jahren besser oder schlechter geworden?
Das Verhältnis ist gut und hat sich ziemlich schnell nach meinem Amtsantritt eingespielt. Wir führen nicht nur mit der Stadtspitze regelmäßig Gespräche. Die Abstimmung zwischen Stadt- und Stiftungsmarketing etwa hat sich sehr gut entwickelt, zum Beispiel bei Veranstaltungen wie dem Welterbetag. Auch bei Bauvorhaben im Welterbeumfeld hat sich die Situation sehr entspannt. Da gab es in den zehn Jahren keinen großen Konflikt.
Nun ja, wenn man an das Gezerre um die Pufferzonenvereinbarung zum Schutz des Welterbes denkt oder an den Streit um den Wiederaufbau der Matrosenstation Kongsnaes...
Bei Kongsnaes ging es uns vor allem um die Steganlagen. Das haben wir gemeinsam mit der Stadt und dem Landesdenkmalamt geklärt. Außerdem wurden regelmäßige Gespräche mit den Welterbeberatern von Icomos vereinbart, um potenzielle Streitfälle künftig möglichst früh zu klären. Das lässt sich alles ganz gut an.
Wie stehen Sie eigentlich zu Wiederaufbauprojekten verloren gegangener Häuser im Welterbeumfeld, etwa die Villa Persius an der Ecke Hegelallee/Schopenhauerstraße?
Zunächst einmal finde ich es großartig, dass sich die Stadt mit der TLG über den Ankauf des ehemaligen Intershop-Grundstücks verständigt. Das zeigt auch, wie sehr sich das Verhältnis mit der Stadt zum Positiven verändert hat, weil die Stadt selbst etwas für den Umgebungsschutz des Welterbes tut. Und was den Imbiss angeht – ich ärgere mich jeden Tag, wenn ich da vorbeikomme. Die Bude gehört da nicht hin. Ich kann mir dort alles Mögliche vorstellen, aber ob es ein 1:1-Nachbau der Villa Persius sein muss? Aus meiner Sicht nicht unbedingt, aber eine interessante Adaption dieser Villa könnte ich mir an dieser Stelle schon vorstellen.
Sie stehen auch in dem Ruf, sich gern mit den Einheimischen anzulegen, etwa was die Durchsetzung der Parkordnung angeht oder das Radfahren in den Parks.
Beim Thema Parkordnung müssen wir die Interessen der Anwohner mit den Interessen der Besucher und des Welterbeschutzes in Einklang bringen. Das haben wir in der Stadt auch kontrovers diskutiert. Doch auch in der Stadtpolitik gibt es dazu unterschiedliche Ansichten. Selbst bei den Bürgern gibt es ein ziemlich breites Spektrum. Es ist ein schwieriger und langer Prozess. Was wir hier bewahren und vermitteln, hat nicht nur lokale Bedeutung. Wir erbringen auch eine Servicefunktion für die Stadt, sind aber nicht nur für die Einwohner da.
Könnte es sein, dass Sie den Potsdamern die Bedeutung des hiesigen Weltkulturerbes noch nicht ausreichend vermittelt haben?
Ich glaube, grundsätzlich lieben die Potsdamer ihre Schlösser und Gärten und wissen, dass die Besucher vor allem deswegen in ihre Stadt kommen. Es wird immer dann schwierig, wenn man vor Ort liebgewonnene Gewohnheiten hinterfragt. Das Welterbe ist ein öffentliches Gut für die Allgemeinheit, aber das heißt eben nicht, dass auch alles möglich ist. Es erfordert vielmehr ein besonderes Maß an Rücksichtnahme und Verantwortung und manchmal auch Verzicht. Ich glaube, durch die öffentliche Diskussion der letzten Jahre hat sich das Bewusstsein dafür durchaus geschärft.
Viele fordern, im Park Sanssouci auch eine Strecke von der Maulbeerallee zur Lennéstraße für Radfahrer, also eine Nord-Süd-Querung, freizugeben.
Wir haben mit der Erlaubnis, den Ökonomieweg im Park Sanssouci für das Radfahren zu nutzen, eine Regelung gefunden, die sich sehr bewährt hat und auch den Bedürfnissen der allermeisten Potsdamer und Touristen entspricht. Dabei will ich es auch bewenden lassen. Auf den zunehmenden Radfahrtourismus reagieren wir aber auch mit neuen Angeboten.
Zum Beispiel?
Wir achten darauf, welche Radtouren angeboten werden, wir haben mehr Abstellmöglichkeiten für Fahrräder geschaffen, auch im Park von Sanssouci und am Besucherzentrum an der Historischen Mühle werden noch weitere dazukommen. Wir denken auch darüber nach, auf den Parkplätzen abschließbare Boxen aufzustellen, in denen Radwanderer ihre Räder mit dem Gepäck sicher abstellen können. Was aber immer bleiben wird, ist angesichts knapper Ressourcen eine Güterabwägung. Das alles sind Investitionen, die sich auch rentieren müssen.
Haben Sie sich eigentlich je Rat von Ihrem Vorgänger geholt?
Ich habe hier eine gut funktionierende Stiftung vorgefunden. Die Gründungsphase war abgeschlossen und es war klar, dass es Veränderungen geben würde. Wir mussten darüber nachdenken, wie die Stiftung organisiert werden muss, damit sie zukunftsfähig bleibt. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zur Hans-Joachim Giersberg. Und ich habe es immer ganz außerordentlich geschätzt, dass er immer seine Meinung gesagt hat, wenn man ihn gefragt hat, er sich aber nie in den Vordergrund gedrängt und erklärt hat, was jetzt wie gemacht werden müsste. Die Entwicklung im letzten Jahrzehnt war rasant. Denken Sie an alles, was mit dem Internet zusammenhängt, das ganze Thema Marketing oder auch die Gründung der Servicegesellschaft „Fridericus“. Giersbergs bleibender Verdienst ist es, die Berliner Anlagen mit denen in Potsdam und der Mark wieder zusammengebracht zu haben. Das war eine gute Ausgangslage. Aber es reicht nie, auf dem Erreichten stehenzubleiben.
Für die Gründung von Fridericus sind Sie sehr stark kritisiert worden. Es gab Streiks von betroffenen Mitarbeitern, und bis heute gibt es immer wieder Gerüchte über den hohen Druck, der dort herrscht.
Wir haben mit Fridericus einen exzellenten Partner, der eine hervorragende Arbeit macht, ohne die die Stiftung überhaupt nicht mehr funktionieren würde, vor allem in den Bereichen Sicherheit, Reinigung, Schlossführungen und Kassen. Unsere Besucher profitieren davon immens. Wir haben auch einen deutlich gestiegenen Anteil von festen Arbeitskräften, der auch möglichst hoch bleiben soll. Es wird aber immer auch viele befristete Arbeitsverträge geben, weil wir ein Saisongeschäft betreiben. Wir brauchen im Sommer deutlich mehr Mitarbeiter als im Winter und das war auch schon vor der Gründung von Fridericus so. Wir freuen uns, dass wir inzwischen einen festen Stamm von Kolleginnen und Kollegen haben, die ganz regelmäßig in der Saison von Ostern bis Ende Oktober bei uns arbeiten. Viele würden gerne mehr arbeiten, aber im Winter müssen wir leider viele Häuser geschlossen halten.
Droht in Zukunft ein Stellenabbau?
Durch die Strukturreform mit „Fridericus“ konnten wir in den letzten Jahren in zentralen Bereichen sogar mehr Personal einstellen, ungefähr 50 Stellen seit 2004, im IT-Bereich, im Marketing, bei den Schlossassistenten, die es vorher nicht gegeben hat, in der präventiven Konservierung, im Dokumentationszentrum, in der Baudenkmalpflege – alles Beispiele, wo es eine personelle Verstärkung gab. Wir haben übrigens auch eine ganz geringe Fluktuationsquote. Unser jetziger Personalstamm ist das absolute Minimum, es geht also eher um weitere Einstellungen, etwa im Bereich der Gartenpflege oder der kulturellen Bildung. Unser klares Ziel ist es, mehr Beschäftigung zu ermöglichen.
Womit wird sich die Stiftung schwerpunktmäßig in den nächsten Jahren beschäftigen?
Wir werden auf jeden Fall auf eine Weiterführung des Masterplans zur Rettung bedrohter Schlösser drängen und darüber ab 2015 mit den Zuwendungsgebern verhandeln, weil wir in vielen, vor allem kleineren Häusern nach wie vor einen hohen Sanierungsbedarf haben. Auch am Neuen Palais und am Schloss Babelsberg muss es weitergehen. Und es ist mein großes Ziel, mittelfristig eine gewisse Kontinuität in der Pflege zu erreichen und wegzukommen von der Situation, wo man jahrzehntelang nichts tut und dann mit einem Riesenaufwand etwas sanieren muss. Deshalb steht auch das Thema Gartenpflege ganz obenan, weil wir dort schon jetzt den erreichten Zustand nicht halten können. Wir verhandeln über ein neues Finanzierungsabkommen, das uns ermöglicht, mehr Geld für all die vielen kleinen Reparaturen und die dauerhafte Pflege der Anlagen einzusetzen. Und es wird natürlich auch darum gehen, unsere Einnahmen weiter zu erhöhen. Dazu müssen wir die Servicequalität für die Besucher weiter verbessern, zum Beispiel durch Webshops.
Das Angebot in den Besuchershops wirkt oft sehr elitär. Müssten Sie das nicht mehr auf den Massengeschmack ausrichten?
Die Museumshops werden von einer eigenen GmbH betrieben, hinter der die Kulturstiftung der Freunde der Schlösser und Gärten steht. Sie haben sich in den letzten zehn Jahren fantastisch entwickelt und sind ja auch Hauptfinanzier der „Friederisiko-Ausstellung“. In den nächsten Jahren werden wir die Verkaufsflächen deutlich ausweiten, etwa im neuen Besucherzentrum am Neuen Palais und wenn der Neubau steht, auch an der Historischen Mühle. Das Angebot muss eine gute Balance sein aus Information und Souvenirs. Ich halte nichts davon, nur auf das schnelle Geld zu gucken und alles in Gips oder Plastik zu pressen, was keinen Bezug zu unseren Anlagen hat.
In diesem Jahr steht die Stiftung ganz im Zeichen des 300. Geburtstags Friedrichs II. Eine halbe Million Besucher haben Sie prognostiziert, zur Halbzeit sind es 150 000. Sind Sie zufrieden?
Ja, sehr. Wir haben an vielen Tagen die Höchstlast im Neuen Palais erreicht. Es gibt ein unerwartet schönes Phänomen, nämlich dass die Leute länger bleiben als erwartet. Und das hat eben auch zur Folge, dass wir manchmal auch während der Woche das Haus kurzzeitig zumachen mussten und keine Besucher mehr einlassen konnten. Nachmittags ist es immer entspannter. Ich freue mich über die so positive Besucherresonanz und abgerechnet wird zum Schluss. Bislang sieht es so aus, als ob wir gut kalkuliert haben.
Im nächsten Jahr könnten Sie das 300. Jubiläum des Regierungsantritts Friedrich Wilhelms I. feiern.
Also es gibt ja kaum ein Jahr ohne ein Hohenzollernjubiläum und auch das von Ihnen angesprochene wird nicht unbemerkt vorübergehen. Aber eine große Ausstellung wird es so schnell nach dem Friedrich-Jahr nicht geben können. Der nächste große Anlass für eine Ausstellung wird 2015 sein: 600 Jahre Hohenzollern in der Mark Brandenburg, und es gibt gute Anhaltspunkte dafür, dass wir uns mal nicht vorrangig mit den männlichen Hohenzollern, sondern auch mit den Frauen beschäftigen, die ja schließlich die Dynastie gesichert haben.
Das Interview führte Peer Straube
Hartmut Dorgerloh, 50, wurde in Berlin geboren, wuchs aber in Potsdam auf. Bereits als Schüler verdiente er sich Taschengeld als Schloss- und Parkführer bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Potsdam-Sanssouci. An der Humboldt-Uni studierte Dorgerloh Kunstgeschichte und Klassische Archäologie. Als Konservator am DDR-Institut für Denkmalpflege war er unter anderem für die Berliner Museumsinsel zuständig. Nach der Wende wechselte Dorgerloh ins neu gegründete Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg und übernahm das Referat für Denkmalpflege. Als Gründungsbeauftragter für das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte oblag ihm die Verantwortung für die Eröffnungsausstellung. Am 1. August 2002 wurde er zum Generaldirektor der Schlösserstiftung ernannt.
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