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Homepage: Es lebe das Klischee

Die in Polen geborenen HFF-Absolventin Monika Wojtylla und ihr Film ?Polska Love Serenade?

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Witze sind wie schwarze L?cher, sagt Monika Anna Wojtyllo. ?Man wei? nie, wo man herauskommt?. Lachschwellen, genauso wie Schmerzgrenzen, sind bei jedem anders. Sie beschreibt das anhand einer Skala: Bei 20 schmunzelt man, bei 40 lacht man, bei 70 ist man sauer. Ihre Filme siedelt sie kurz vor der 70 an, zwischen Lachen und Wut. Weil die Skala immer eine pers?nliche ist, kann man die Wirkung eines Witzes schwer planen. Die 30-J?hrige muss es wissen. Gerade hat sie ihre Diplomarbeit an der Potsdamer Hochschule f?r Film und Fernsehen (HFF) beendet, Thema: ?Die Regie und das Komische am Beispiel von Billy Wilder und Woody Allen?. Und k?rzlich pr?sentierte sie ihren ersten Langfilm, ihr Diplomprojekt: ?Polska Love Serenade?, eine Kom?die am Rande der 70.

Als ein naseweiser Kritiker Monikas Erstling als ?klischeebeladen? beschimpfte, musste sie lachen. ?Genau darum geht es doch. Klischees kann man nur bek?mpfen, wenn man mit ihnen spielt.? Das wusste schon Billy Wilders ?Eins, zwei, drei?. Ein Vergleich w?re zwar ?Blasphemie?, aber Monika glaubt wie er, dass gerade klischeehafte Bilder eine Gesellschaft gut portr?tieren. Tats?chlich ist ?Polska Love Serenade? ? die Geschichte um zwei Deutsche, die wider Willen gemeinsam in der polnischen Provinz verloren gehen ? ein ?berm?tig lustvoller Reigen von deutsch-polnischen Klischees. Polen konsumieren hier ohne Ende fette Wurst und Wodka, Deutsche kommen nur nach Polen, weil sie entweder Eigentum zur?ck klagen (Sebastian Schwarz als Max) oder ihr Auto klauen lassen wollen (Claudia Eisinger als Anna). Alle Seiten kommen von ?ngsten und veralteten (Feind-) Bildern nicht los. ?Die helfen uns nur, weil wir ihnen helfen sollen?, sagt Max ?ber die Polen. Die Deutschen sind nur ?die aus dem Reich?.

Monikas Hang zum Lachen, zum politisch unkorrekten zumal, ist ungef?hr so alt wie ihre Laufbahn als Schauspielerin. Fr?h schon steht sie mit ihren Schauspieler-Eltern auf der B?hne, sp?ter ?bernimmt sie neben ihrem Regiestudium an der HFF in Babelsberg Filmrollen. Ihren ersten Auftritt hat sie so in Erinnerung: Sie steht neben ihrem Vater auf der B?hne eines Zirkuszeltes, sagt ungeheuer komplizierte Texte auf und versteht nicht, warum das Publikum sich die B?uche h?lt vor Lachen. Sie war damals vier. Heute wei? sie, dass es politische Satire war, und dass die Leute ?ber sich selbst lachten, bis die Tr?nen kamen. Warum Lachen gerade zur damaligen Zeit am damaligen Ort so wichtig war, hat sie erst sp?ter begriffen.

Um 1980, zur Zeit der Zirkuszelt-Szene, lebt Monikas Familie noch im polnischen Wroclaw (Breslau). Solidarnosz feiert die ?ffnung der Grenzen und K?pfe. Wenig sp?ter verh?ngt die Regierung das Kriegsrecht und st?rzt Polen in eine Phase der Restauration, in deren Folge tausende Menschen das Land verlassen. 1983, Monika ist sechs, auch ihre Familie. Sie landet in Hamburg, wo die Eltern noch heute leben. ?Ich bin ein Migrantenkind zweiter Generation,? sagt sie selbstironisch. Weder deutsch noch polnisch, und irgendwie beides: ?Eine Art Scheidungskind?. Wie alle Scheidungskinder darf man nicht nach dem pr?genderen Elternteil fragen. Sie spricht und denkt in beiden Sprachen, schreibt aber nur deutsch. ?Vielleicht ist das so: Mein Kopf ist in Deutschland, mein Bauch in Polen.? Bleibt das, was beide L?nder gemeinsam haben. ?Ich bin Europ?erin?.

?Polska Love Seranade? ist f?r Monika also nicht nur kom?diantische Finger?bung, sondern die Ann?herung an ein Land, das sie nur aus ihrer Kindheit kennt. Vater und Cousins sind im Cast vertreten, Bekannte halfen beim Dreh, wo sie konnten. ?Meine pers?nliche Reimmigration? nennt sie den mit nur 28 000 Euro finanzierten Film. Bewusst zeigt er das d?rfliche, unber?hrte Polen, eine romantisierte Sicht. Das Land sei so ?komplexbeladen? in Bezug auf die eigene Provinzialit?t, die es ? neben allem Fortschritt ? noch immer gebe, dass sie gerade den Charme des br?ckelnden Polens zeigen will. Sie empfindet den Film als Liebeserkl?rung. Er sei voller Bilder, die sie als sentimentale Kindheitserinnerungen in sich tr?gt: das zw?lfg?ngige Weihnachtsessen, der Karpfen in Gelee und der traditionell leere Platz f?r unerwartete G?ste an der Weihnachtstafel.

Im Film ger?t genau diese zum Klischee gewordene polnische Gastlichkeit f?r Anna und Max zur Rettung: Im Kreis einer verr?ckten ? freilich nicht vorurteilsfreien ? Familie feiern sie den Weihnachtsabend. Das Happy End des Films ist zwar noch nicht in Sicht, sein augenzwinkerndes Anliegen aber l?ngst sp?rbar: ?Polen und Deutsche, habt euch lieb!? Monika lacht, als sie das sagt. Dass das so einfach nicht ist, wei? sie. Auf der Schule in Hamburg wurde sie als Polin verpr?gelt. Aber das ist lange her. Lieber h?lt sie es mit Billy Wilder: ?When you have something important to say, dip it in chocolate?. Dann rutschen auch die bitteren Pillen besser.

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