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Landeshauptstadt: Ewiger Unterschied: Ossi, Wessi? Ein Stadtteilgespräch im Café „Zweitwohnsitz“

Brandenburger Vorstadt – Jörg aus den Niederlanden wohnt seit mehr als zwei Jahren in der Nansenstraße. Die DDR habe er vor dem Mauerfall nur von den Briefmarken, die er sammelte, gekannt.

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Brandenburger Vorstadt – Jörg aus den Niederlanden wohnt seit mehr als zwei Jahren in der Nansenstraße. Die DDR habe er vor dem Mauerfall nur von den Briefmarken, die er sammelte, gekannt. „Das Land war für mich ganz, ganz weit weg“, sagte der junge Mann. Als er hierher kam, war das „Briefmarkenland“ längst verschwunden. Zu seiner neuen Heimat sagt Jörg: „Mir gefällt es hier und ich will mich gerne engagieren.“ Diese Bereitschaft widerspricht ein wenig der Wahrnehmung von Ulrike Bleyl, Vorsitzende des Stadtteilnetzwerkes Potsdam-West: „Mir ist bei allen unseren Aktionen aufgefallen, dass es eher Ostdeutsche sind, die sich einbringen“. Der Verein wolle das nachbarschaftliche Engagement im Stadtteil, der vom Luisenplatz bis zur Stadtheide reicht, fördern. Dazu gehörten alle Bewohner, Alteingesessene und Zuzügler.

„Ost-West – es lebe der kleine Unterschied“ lautete das Diskussionsthema, zu dem Bleyl und der 26 Mitglieder starke Netzwerk-Verein am Samstag in das noch ziemlich neue Café „Zweitwohnsitz“ in die Geschwister-Scholl-Straße 89 eingeladen hatten. Die Diskussion um Ost-West stieß auf viel Interesse. In der zwanzigköpfigen Gesprächsrunde saßen am Samstag mehr Zuzügler aus dem Westen als angestammte Ostdeutsche. „Manche wohnen schon zwanzig Jahre hier und bezeichnen sich immer noch als Neu-Potsdamer“, war zu hören. Eine junge Frau, die mit ihrem Mann vor über drei Jahren aus Hessen nach Potsdam gezogen war, fühlt sich schon voll als Potsdamerin. „Aber ich bin vorsichtig geworden, es zu sagen, weil die Ur-Potsdamer mir das nicht abnehmen.“ Eine Erfahrung, dass die Ostdeutschen „anders ticken“ als die Westdeutschen, habe sie nicht gemacht. Thomas, der in Tübingen aufgewachsen ist, sagt: „Das Familiäre gefällt mir hier.“

Von den 159 000 Potsdamer Einwohnern leben nach der aktuellen Statistik 18 579 in der Brandenburger Vorstadt plus Potsdam-West. Nach der Wiedervereinigung war der Altbaubestand der Wohnhäuser von Rückübertragungen, Grundstücksveräußerungen und von einem drastischen Wandel der Bewohner-Klientel gekennzeichnet. Viele Menschen aus dem Westen kamen hierher; die Wohnungsgenossenschaft 1903 baute für Westbedienstete in der Hans-Sachs-Straße eine ganze Dachgeschoss-Strecke aus.

Insgesamt verlief die Einbeziehung der „Wessis“ in den Kiez ohne Probleme. Als Fazit der Diskussion könnte gelten, was eine Frau aus Tübingen, wie sie sagt „aus dem tiefsten Westen“, mit den Worten auf den Punkt brachte: „Ich komme super gut mit den Menschen hier aus.“ Kulturelle Unterschiede seien kaum der Rede wert, diese gebe es in ganz Deutschland.

Netzwerk-Geschäftsführer Daniel Zeller verweist aktuell auf den Ostermarkt am kommenden Samstag von 13 bis 19 Uhr auf dem alten Marktplatz in der Stadtheide. Laut Bleyl könne sich an diesem Tag über Projekte wie Tauschbörse und Trödelmarkt sowie die Nutzung des Tschäpe-Platzes als kulturellen Treff informiert werden. G.S.

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