Von Jana Haase: Experimente mit Hopfen und Apfel
Schon Bismarck war hier gern: Am Wochenende feiert das Forsthaus Templin 175-jähriges Bestehen als Gaststätte
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Ein Forsthaus war die „Braumanufaktur Forsthaus Templin“ nie. Und auch die Brauerei darin ist noch keine sechs Jahre alt. Trotzdem können die beiden Braumeister und Inhaber Jörg Kirchhoff und Thomas Köhler auf eine beeindruckend lange Gasthaustradition zurückblicken: Am Wochenende feiern sie das 175-jährige Bestehen der Ausflugsgaststätte am Templiner See – vom morgigen Freitagabend bis zum Sonntagabend gibt es unter anderem Musik, einen Auftritt der „Langen Kerls“, Schautanzen und am Samstag ab 16 Uhr auch Freibier.
Ein Dutzend verschiedener Biersorten hat das Brauerduo mittlerweile im Angebot – jüngste „Erfindung“ ist die säuerliche „Potsdamer Weiße“. „Für uns ist es wichtig, immer wieder was Neues auszuprobieren“, erklärt Thomas Köhler.
Folgerichtig kam auch Brandenburgs erstes Bio-Bier 2005 aus der Braumanufaktur. Vor zwei Jahren haben Kirchhoff und Köhler, die ihr Handwerk von 1987 bis 1989 im „VEB Brauerei Potsdam“ gelernt haben, den Betrieb dann komplett auf „Bio“ umgestellt. Durch den Verkauf über Bio-Supermarktketten sind die Bügelverschlussflaschen aus Potsdam heute sogar in Hamburg zu haben.
3000 Hektoliter Bier pro Jahr verlassen derzeit das Haus, erklärt Köhler – und bald es sollen noch mehr werden. Denn für 2010 planen die Bierbrauer den Ausbau der Brauerei. Für die beiden Inhaber, die das Haus 2002 kauften und Ende 2003 eröffneten, könnte es nicht besser laufen. Schon jetzt ist das Forsthaus auch Ausbildungsbetrieb mit derzeit zwei Brauerlehrlingen und drei Kochlehrlingen.
Zum „Forsthaus“ wurde das Lokal allerdings erst Anfang des 20. Jahrhunderts, wie alte Postkarten belegen, auf denen noch vom „Waldrestaurant“ die Rede ist. Tatsächlich habe in dem Haus nie ein Förster gewohnt, erklärt Thomas Köhler. Gebaut wurde es stattdessen um 1800 als Gästehaus des luxuriösen Herrenlandsitzes, der bis 1797 dem französischen Gesandten in Berlin gehört hatte.
1819 geriet das Anwesen, damals noch ohne Wald und mit Seeblick, in den Besitz der Familie Bismarck. Der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck sei in seinen Jugendjahren im Sommer oft mit dem Pferd aus Berlin nach Caputh geritten, um hier seinen Onkel Friedrich Adolph Ludwig zu besuchen, den er um seinen beschaulichen Alterswohnsitz beneidete, berichtet Köhler.
Eine Gaststätte ist das Haus seit 1834: Damals eröffnete der Kaufmann Eduard Reinhardt hier eine „Tabagie“ – laut Internet-Lexikon Wikipedia die damals gängige Bezeichnung für eine Kneipe, in der geraucht werden durfte oder Tabakwaren verkauft wurden. Die Besitzer wechselten danach oft, auch König Friedrich Wilhelm IV. soll Interesse an dem Landsitz gehabt haben.
Nach der Jahrhundertwende hatte sich die Gaststätte zum regelrechten Mekka für Sommerfrischler entwickelt: „Das war eine Art Strandbad“, sagt Thomas Köhler. Mit sagenhaften 4000 Plätzen warben die Betreiber in einer Broschüre, Vogelvolieren und Kleintiergehege wurden geboten, neben dem Forsthaus gab es einen Strandausschank, vier Dampferanlegestellen und sechs Bootsstege am See. 1932 riet der „Wilhelmshorster Bote“ den Einheimischen sogar vom Besuch des Lokals am Wochenende ab, weil es dann „wegen der vielen Ausflügler aus Berlin und den zahlreichen Booten nicht so angenehm“ sei.
Beim Umbau des Forsthauses stießen Köhler und Kirchhoff auch auf ein Reservierungsbuch aus dem Jahr 1939: Am 15. Juli etwa hatte sich die „Auto-Union“ zum Mittag angekündigt. „Ankunft 2600 Personen mit 9 Dampfern“, verzeichneten die Wirte. 2000 Mal Gulasch mit Kartoffeln mussten auf den Tisch, außerdem 1500 Tassen Kaffee und Blechkuchen. „Das war logistisch schon eine Leistung“, sagt Köhler. Heute könne er dagegen nur bis zu 350 Gäste drinnen und draußen gleichzeitig bewirten.
Auch nach 1945 blieb des Restaurant privat, ehe es in den 1960er Jahren verstaatlicht wurde. Filmtischler der DEFA bauten die HO-Gaststätte 1967 dann um. Nach der Wende dümpelte der Betrieb vor sich hin und schloss 1997.
Zu dieser Zeit arbeiteten Thomas Köhler und Jörg Kirchhoff nach ihrem Meisterstudium an der TU Berlin noch im Emsland und in Schleswig und bauten dort Gastwirtbrauereien mit auf. Für ihren Traum einer eigenen Braumanufaktur „in der Heimat“ erwies sich das Forsthaus schließlich als ideal, sagt Köhler.
Zweimal pro Woche setzen die beiden heute je 4000 Liter Sud im historischen Braukessel an – in diesem Jahr konnten sie erstmals auch einen Brandenburger Bauern überzeugen, die Biogerste dafür anzubauen. Der Hopfen komme aus Bayern, erklärt Köhler.
Auch mit Nichtalkoholischem experimentieren die Braumeister neuerdings: „2008 haben wir anderthalb Tonnen Bio-Äpfel gekauft“, erzählt Thomas Köhler. Das Interesse nach frisch gepresstem naturtrüben Saft sei so groß, dass Köhler und Kirchhoff an eine Ausweitung des Angebots denken. Möglicherweise werden die Äpfel dafür bald auch aus den Gärten der russischen Kolonie Alexandrowka kommen: Die Idee dazu sei während der diesjährigen Lebensmittelmesse „Grüne Woche“ entstanden, sagt Thomas Köhler. Weitere Gespräche mit der Stadt habe es bereits gegeben.
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