
© A. Klaer
Korruptionsverdacht bei den Stadtwerken Potsdam: Expertin: Stadtwerke agierten „nicht rechtskonform“
Die Stadtwerke Potsdam haben VIP-Tickets für die Potsdamer Schlössernacht 2014 unter anderem an Geschäftspartner verschenkt. Das hat ein juristisches Nachspiel. Oberbürgermeister Jann Jakobs erwägt nun schärfere Regeln.
Stand:
Potsdam - Der Hinweis auf den Karten für den VIP-Empfang der Stadtwerke auf der Schlössernacht 2014 war eindeutig: „Aus unserer Einladung zur Potsdamer Schlössernacht entstehen Ihnen keine Kosten, da wir selbstverständlich die pauschale Lohnsteuer für den geldwerten Vorteil übernehmen.“ Und die Einladung des kommunalen Konzerns, die den PNN vorliegt, enthielt vorsorglich einen weiteren Hinweis: „Sollten Sie für die Teilnahme an unserer Veranstaltung die Genehmigung durch eine übergeordnete Stelle benötigen, gehen wir bei Annahme unserer Einladung davon aus, dass diese vorliegt.“
Die Schlussfolgerung: Den Verantwortlichen der Stadtwerke war bewusst, dass es nicht ganz unproblematisch sein könnte, die Premiumtickets für die Schlössernacht zu verschenken. Wie berichtet steht Stadtwerke-Geschäftsführer Wilfried Böhme wegen dieses Sachverhalts mittlerweile unter Korruptionsverdacht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Gegen die eigenen Unternehmensregeln
Gisela Rüß kennt die Formulierungen, die sich auf den Premiumtickets fanden. Seit Jahren engagiert sie sich für die Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI), sitzt im Vorstand und ist als frühere Antikorruptionsbeauftragte des Landes Brandenburg auch mit Potsdam vertraut. Auf PNN-Anfrage sagte Rüß zu den Hinweisen auf den Tickets: „Das ist eine Formulierung, die von vielen Firmen benutzt wird, um sich selbst aus der Verantwortung zu nehmen.“ Doch das funktioniere nur bedingt: Die Stadtwerke hätten sich mit dem Verschenken der Tickets „nicht rechtskonform“ und entgegen den eigenen Unternehmensregeln verhalten, so Rüß. „Man müsste bei den Potsdamer Stadtwerken eigentlich wissen, dass eine solche Einladung an einen Amtsträger nicht genehmigungsfähig ist.“
Tatsächlich hat die Einladung der Stadtwerke an einen sogenannten Amtsträger die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Neuruppin wegen des Verdachts auf Vorteilsgewährung ausgelöst. Die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB) stellte die Strafanzeige im September 2014 – etwa einen Monat nach dem Stadtwerke-Empfang auf der Schlössernacht. Eine frühere Einladung für die Großveranstaltung im Park Sanssouci hatte damals für KVBB-Chef Hans-Joachim Helming ein unangenehmes Nachspiel: Bereits im April 2014 ging die Meldung durch die Medien, dass sich der Mediziner wegen Vorteilsnahme am Amtsgericht verantworten muss. Der Grund: Er hatte eine VIP-Karte für die Schlössernacht von einer Firma erhalten, mit der die KVBB zusammenarbeitete. Im November wurde Helming zu 24 750 Euro Strafe verurteilt. Sehr wahrscheinlich ist, dass die Stadtwerke ihre Schlössernacht-Einladung noch an die KVBB schickten, als über die Vorwürfe gegen Helming längst berichtet wurde. Die Aufsichtsratsmitglieder der Stadtwerke zumindest erhielten ihre VIP-Einladungen im Juni 2014.
Expertin irritiert: Keine Lehre aus Stadtwerke-Affäre gezogen?
Die derzeitigen Ermittlungen könnten wie berichtet noch weitere Kreise ziehen: Die Staatsanwaltschaft überprüft mit Hilfe des Landeskriminalamts die Gästeliste der Stadtwerke darauf, ob noch weitere Verdachtsfälle auf Vorteilsgewährung untersucht werden müssen. Damit könnten Besucher in den Verdacht der Vorteilsannahme geraten. Die Stadtwerke hatten als Sponsor der Schlössernacht eine Reihe von Einladungen verschickt. Wer genau die Tickets erhielt, veröffentlichte das Unternehmen bisher nicht. Aus Sicht der Stadtwerke handelte es sich bei den Tickets um Einladungen für einen Empfang am Rande der Schlössernacht, bei dem der Konzern „die strategischen Zielstellungen des Unternehmensverbundes für die Zukunft“ darstellen wollte.
TI-Vorstand Rüß dagegen ist von diesem Vorgehen irritiert, wie sie sagt. Gerade nach der vier Jahre zurückliegenden Stadtwerke-Affäre um intransparentes Geschäftsgebaren des damaligen Chefs Peter Paffhausen habe sie geglaubt, dass in Potsdam entsprechende Lehren gezogen worden seien: „So etwas darf eigentlich nicht mehr passieren. Das betrübt mich.“ Angesichts der Ermittlungen werde sich TI mit der Stadt noch einmal die Transparenzregeln für kommunale Unternehmen ansehen und sie gegebenenfalls deutlicher ausformulieren. Unter anderem müsse geklärt werden, ob Aufsichtsräte zu solchen Empfängen eingeladen werden müssten: „Da wird jemand bevorteilt, der eigentlich das Unternehmen kontrollieren soll.“
Vorwürfe sollen restlos aufgeklärt werden
Auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) kann sich vorstellen, die nach der Stadtwerke-Affäre mit Hilfe einer Transparenz-Kommission ohnehin verschärften Regeln noch einmal zu diskutieren. Den Stadtverordneten schrieb Jakobs am Donnerstagabend in einer E-Mail: „Auch die Landeshauptstadt hat ein Interesse daran, die Vorwürfe restlos aufzuklären. Gegebenenfalls müssten unsere Antikorruptionsbestimmungen dann angepasst werden.“ Jakobs’ Sprecher Stefan Schulz präzisierte auf Anfrage, erst nach Abschluss der Ermittlungen werde man sehen, ob es einen Handlungsbedarf gibt.
Zugleich bestätigte Schulz, dass Stadtwerke-Aufsichtsratschef Burkhard Exner (SPD) und auch Jakobs über die Ermittlungen bei den Stadtwerken schon vor Bekanntwerden in dieser Woche informiert waren. Die anderen Aufsichtsräte hatten davon erst jetzt aus den Medien erfahren. Warum dies so gehandhabt wurde, ist bislang unklar.
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