
© A. Klaer;
Landeshauptstadt: Explosives Erbe
Seit 1990 wurden nur vier Prozent der 5100 Hektar Verdachtsfläche auf Weltkriegs-Blindgänger untersucht
Stand:
Die Suche nach Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg geht in der Landeshauptstadt nur schleppend voran. So seien in den vergangenen zehn Jahren in Potsdam erst 232 Hektar – eine Fläche von rund 330 Fußballfeldern – auf nicht detonierte Fliegerbomben untersucht worden, teilte Wilfried Krämer, Chef des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KMBD) der Polizei, auf PNN-Anfrage mit. Damit sind nur etwas mehr als vier Prozent des Areals, das der KMBD in Potsdam nach 1990 als „Kampfmittelverdachtsfläche“ eingestuft hat, tatsächlich überprüft. Noch 5100 Hektar „Verdachtsfläche“ gebe es in Potsdam, so Krämer – das entspricht einem Viertel der gesamten Stadtfläche.
Ein Grund für das langsame Voranschreiten der von der Stadtverwaltung gestarteten sogenannten „Systematischen Bombensuche“ sind Engpässe bei der Finanzierung. Zuständig ist das Land Brandenburg, das die Kampfmittelräumung bezahlen muss. Geht es weiter wie bisher, dauert es womöglich noch Jahrzehnte, bis im Potsdamer Erdreich keine Blindgänger mehr liegen – obwohl laut Experten die Bedingungen für die Bergung sich verschärfen, je länger die Sprengkörper im Boden stecken.
Bei der Suche, bei der unter anderem Spezialdetektoren zum Einsatz kommen, seien seit 2002 rund 5,8 Millionen Euro ausgegeben worden, so KMBD-Chef Krämer. Die weiteren Kosten ließen sich nicht schätzen. Die Suche sei ein fortlaufender Prozess „im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“.
Doch gehe es nicht nur um Geld. Allgemein sei die Operation sehr komplex, bedürfe eines „aufwendigen Technikeinsatzes“ und sei damit auch zeitintensiv. So müssten sich insbesondere KMBD, Ordnungsamt und private oder kommunale Grundstückseigentümer in jedem Fall sehr intensiv miteinander abstimmen, so Krämer. Zugleich sind bei Bombenfunden oft weiträumige Sperrungen und Evakuierungen notwendig gewesen. Anfang des Monats war bei Baumaßnahmen an der Lenné-Gesamtschule im Zentrum Ost die seit 1990 mittlerweile 122. Weltkriegsbombe entdeckt und entschärft worden. Rund 6000 Potsdamer mussten dafür ihre Häuser und Wohnungen verlassen.
KMBD-Chef Krämer sagte, für die Suche gelte eine von der Stadtverwaltung erarbeitete Prioritätenliste, nach der öffentliche Einrichtungen, insbesondere Schulen, Kitas und Krankenhäuser vorrangig behandelt würden. Auch der unter der Lenné-Schule gefundene Blindgänger sei beim Abarbeiten dieser Liste gefunden worden.
Wann alle verdächtigen Areale der Stadt kontrolliert sind, dazu wollte Krämer keine Prognose geben. Dazu könne keine Aussage getroffen werden, sagte der KMBD-Chef. Allerdings warnen Experten seit Jahren davor, Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg könnten explodieren – denn im Laufe der Zeit würden die vor sich hin rostenden Sprengkörper immer mehr verschleißen. Darauf hatte in Potsdam schon vor Jahren der inzwischen verstorbene Stadthistoriker Hans-Werner Mihan hingewiesen, der sich besonders intensiv mit der Bombennacht von Potsdam auseinandergesetzt hat. Vom 14. auf den 15. April 1945 zerstörten englische Flieger bei einem Angriff große Teile der Innenstadt, rund 2000 Tonnen Bombenlast sollen damals über Potsdam niedergegangen sein, rund 1600 Menschen starben. Grundlage der heutigen Suche bildeten laut Krämer vom KMBD die Auswertung von Kriegsluftbildern der Alliierten, historische Recherchen und die Bewertung von Munitionsexperten vor Ort.
2007 hatte die Stadt für ihre Flächen die „systematische Suche“ nach Bomben ausgerufen. Zuletzt hatte das Rathaus aber eingeräumt, derzeit keine Erkenntnisse darüber zu besitzen, welche Areale in Potsdam bereits nach Blindgängern untersucht wurden, da eine entsprechende Statistik nicht existiere. Auch hat es seit Jahren – obwohl angekündigt - keine Information mehr an die Stadtverordneten zum Stand der Bombensuche gegeben. Verantwortlich für den Bereich ist Ordnungsdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos).
Bisher ist der Umgang mit dem gefährlichen Erbe aus dem Zweiten Weltkrieg für Potsdam glimpflich verlaufen. Auch als vor zwei Jahren ein Baggerfahrer bei Abbrucharbeiten auf dem noch nicht nach Sprengkörpern abgesuchten ehemaligen Gelände des Reichsbahnausbesserungswerkes (RAW) nahe dem Hauptbahnhof auf eine scharfe 250-Kilo-Bombe stieß, explodierte diese glücklicherweise nicht.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: