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Mitfahren rechnet sich für beide Seiten und schon Ressourcen.

© Foto: Bernd Weißbrod/dpa

„Fahre jeden Morgen nach Teltow“: Wie funktioniert das Potsdamer Pendlerportal?

Die neue Online-Plattform für Fahrgemeinschaften soll helfen, den Verkehr zu reduzieren. Etwa ein Dutzend Fahrten werden bereits angeboten.

Wer frühmorgens auf dem Weg zu Arbeit mal wieder im Stau steht ist und sich auf der Straße umschaut, sieht in den meisten anderen Autos fast überall das gleiche: Einzelne Personen am Steuer, ohne Mitfahrer:innen. Laut ADAC finden die meisten Fahrten innerhalb der Region alleine statt, der Durchschnitt liegt bei 1,3 Personen pro Kraftfahrzeug.

An diesem Zustand möchte Potsdam etwas ändern: Seit Mittwoch ist das sogenannte Pendlerportal online (www.mobil-potsdam.de/de/pendlernetz), auf dem sich Berufspendler:innen zu Fahrgemeinschaften zusammenschließen können. Wer auf die Seite geht, sieht eine Liste von mehr als 40 Angeboten und einem guten Dutzend Gesuchen nach Fahrgemeinschaften. Dabei handelt es sich allerdings um alle möglichen Fahrten im Großraum Berlin; wer in der Suchmaske etwa als Startpunkt „Potsdam“ (mit einem Umkreis von fünf Kilometern) und als Zielort „Berlin“ eingibt, dem zeigt das Portal acht Angebote inklusive einer Karte, auf der die Routen verzeichnet sind.

Mitfahren kostet zwischen einem oder fünf Euro - oder gar nichts

„Fahre jeden Morgen nach Teltow zu meiner Arbeitsstelle und am Nachmittag zurück. Konkrete Zeiten können abgesprochen werden“, schreibt dort etwa der Nutzer „Ralf“, der von der Berliner Vorstadt aus losfährt. „Fahre von Waldstadt zum Flughafen“, schreibt ein anderer Nutzer namens „Martin“. „Kann bis zu acht Mitfahrer mitnehmen oder sperriges Gepäck. Fahre grundsätzlich gegen 14 und 16 Uhr.“

Kleine Symbole zeigen an, wie viele Plätze frei sind, ob das Rauchen im Auto erlaubt ist, und wieviel die Mitfahrt kostet. Die Preise halten sich in Grenzen: Meist liegen sie bei einem bis fünf Euro pro Person, manche geben auch gar keinen Preis an. Kommerzieller Gewinn darf mit Fahrgemeinschaften nicht gemacht werden. Um mit den Fahrer:innen Kontakt aufzunehmen, muss man sich anmelden, auch eigene Inserate können dann erstellt werden.

Stadt hofft auf Reduzierung des Verkehrs

Dass schon nach kurzer Zeit so viele Angebote auf der Seite zu sehen sind, ist nicht verwunderlich: Potsdam nutzt die bereits seit einigen Jahren bestehende Plattform von Fahrgemeinschaft.de, die das Angebot in Zusammenarbeit mit dem ADAC bereitstellt. Es werden also viele bereits bestehende Fahrten angezeigt. Aktuell gibt es auf Fahrgemeinschaft.de täglich insgesamt etwa 40.000 Suchanfragen und circa 1000 neu eingehende Fahrtinserate. Auf der Webseite gibt es neben Hinweisen zur Versicherung im Schadensfall auch einen Preisrechner, um die Spritbeteiligung der Mitfahrenden auszurechnen.

Aus Sicht der Stadtverwaltung bergen Fahrgemeinschaften enorme Vorteile: „Gemeinschaftsfahrten können zu einer Reduzierung des Verkehrs auf unseren Straßen beitragen, senken den CO2-Austoß und die Schadstoffbelastung, aber auch die eigenen Fahrtkosten“, sagt Bernd Rubelt (parteilos), Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bauen, Wirtschaft und Umwelt.

Die Hälfte der berufstätigen Potsdamer:innen pendelt

Das Einsparpotential ist groß: Laut dem Pendlerportal der Arbeitsagentur (nicht zu verwechseln mit dem Potsdamer Pendlerportal) pendeln täglich rund 36.500 Berufstätige aus Potsdam heraus, das sind knapp 50 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Landeshauptstadt. Mehr als die Hälfte davon pendelt nach Berlin. Umgekehrt pendeln täglich über 50.000 Berufstätige aus anderen Landkreisen nach Potsdam.

Doch trotz gestiegener Spritpreise, Inflation und höherer Energiekosten sind Fahrgemeinschaften nach wie vor wenig populär: „Ich denke, es sind um die ein bis zwei Prozent der Pendler, die Fahrgemeinschaften bilden“, sagt Sven Domroes, der Gründer von Fahrgemeinschaft.de. Viele Fahrer:innen seien nicht bereit, Komforteinbußen durch Mitfahrer:innen in Kauf zu nehmen, sagt Domroes, außerdem gebe es in der Bevölkerung nur ein geringes Bewusstsein für Fahrgemeinschaften als Mobilitätsform.

Corona hat Fahrgemeinschaften stark reduziert - bis heute

Doch auch Corona hat dazu beigetragen, dass sich das ändert: „Während der Hochzeiten der Corona-Pandemie ist das Mitfahren stark eingebrochen, sowohl auf Langstrecken als auch im Berufspendlerverkehr“, sagt Domroes. Eine erste Wiederbelebung erfuhr der Mitfahrmakt im Frühjahr 2022 durch die stark gestiegenen Benzinpreise: „In Summe liegen die Nutzerzahlen aber auch jetzt noch deutlich unterhalb der vor Corona üblichen Zahlen - es sind circa 60 Prozent weniger“, sagt Domroes.

Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, das Fahrgemeinschaften anderswo wesentlich normaler sind: Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 2019 nutzten zum Beispiel 28 Prozent der 16- bis 74-Jährigen in Estland digitale Mitfahrangebote, in Irland waren es 25 Prozent und in Kroatien 17 Prozent. In Deutschland hingegen waren es nur drei Prozent, der EU-Durchschnitt lag bei sechs Prozent. Die Zahlen stammen zwar aus dem Jahr vor Corona, zeigen aber dennoch, dass Fahrgemeinschaften in anderen Ländern mit größerer Selbstverständlichkeit genutzt werden, als in Deutschland.

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