Landeshauptstadt: „Faires Brandenburg“ kämpft um Geld
Schwul-lesbisches Bündnis übt Kritik an Förderpraxis des Sozialministeriums
Stand:
Steven Riedel sorgt sich. Der 18-Jährige fürchtet, dass er tagsüber bald nichts mehr zu tun hat: „Dabei habe ich hier so viele positive Erfahrungen gemacht.“ Er spricht vom Bündnis Faires Brandenburg (BFB), bei dem er für eine Berufsqualifizierung angestellt ist. Bei dem Verein, der sich für gleichgeschlechtliches Leben in Potsdam und Brandenburg einsetzt, kümmert sich Riedel um die Buchhaltung, organisiert Ausstellungen, knüpft Kontakte. „Ich bin längst nicht mehr so schüchtern wie damals in der Schule“, sagt er. Damals sei er massiv ausgegrenzt worden. Beim BFB habe er solche Erfahrungen vergessen können.
Auch Jirka Witschak hält die Arbeit des BFB für bedroht, weil demnächst das Geld ausgehen könnte. Dann müssten die Geschäftsräume des Vereins in der Posthofstraße geräumt werden – es wäre das Ende von Projekten wie der „Queer Factory“, sagt der bekannte Schwulen-Aktivist, der bis vor Kurzem noch SPD-Mitglied war. „Queer Factory“ führt Menschen, die wegen Lebenskrisen keinen Job finden, mit Unterstützung des Jobcenters wieder an den Arbeitsmarkt heran. Auch weitere BFB-Vorhaben wie der Christopher Street Day in Potsdam könnten nicht mehr durchgeführt werden. Witschak macht das SPD-geführte Sozialministerium für das drohende Aus des BFB- Büros verantwortlich. Denn im Ministerium sei eine beantragte regelmäßige Förderung als Spitzenverband abgelehnt worden. Mit den BFB-Projekten werde unsensibel umgegangen, kritisiert Witschak. Der BFB hat inzwischen Widerspruch eingelegt und einen Anwalt eingeschaltet.
Hintergrund ist wie berichtet ein seit Jahren schwelender Konflikt zwischen dem Bündnis und dem Verein Andersartig, der sich ebenfalls für die Belange Homosexueller einsetzt und vom Land für eine Landeskoordinierungsstelle mit knapp 50 000 Euro gefördert wird. Das Ministerium will „eine inhaltlich gute, landesweite und politisch starke Arbeit der Szene“, sagt Sprecher Florian Engels. Für das Projekt des Vereins Andersartig habe man sich auch wegen dessen Zuverlässigkeit, etwa bei den Abrechnungen, entschieden. Aber man habe dem BFB angeboten, ihn selbstverständlich wie bisher mit Lottomitteln zu unterstützen.
Witschak hält dagegen, die Lottoförderung sei nicht rechtssicher und nicht dazu geeignet, fortlaufende Kosten zu decken. Dem Verein Andersartig wirft er vor, öffentlich kaum wahrnehmbar zu agieren. Eine Evaluation der Arbeit finde nicht statt. Tatsächlich scheint das Verhältnis untereinander nachhaltig gestört zu sein. Engels bestätigte, eine Mediation zwischen BFB und Andersartig sei im November gescheitert. Andersartig-Sprecher Lars Bergmann wollte sich nicht im Detail äußern. Er verwies aber auf eine gemeinsame Erklärung von Schwulen- und Lesbenverbänden, in denen die Entscheidung des Ministeriums für Andersartig ausdrücklich begrüßt wird: Dies sei ein richtiger und konsequenter Schritt.
Längst hat die Diskussion auch die Stadtpolitik erreicht. Am heutigen Dienstag wird im Sozialausschuss erstmals ein Antrag der Linken beraten, wonach die Stadt den BFB finanziell unterstützen soll. Von rund 600 Euro pro Monat ist die Rede, damit der Verein sein Büro fortführen könne. Letztlich müssen die Stadtverordneten die Entscheidung treffen. Henri Kramer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: