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Von Henri Kramer: Familienpartei am Abgrund Spenden-Affäre: Gohlke zieht sich aus Politik zurück, Utting lässt Mandat ruhen

Die bundesweite Parteispenden-Affäre bei der Familienpartei hat in Potsdam personelle Konsequenzen. Gestern meldeten sich die beiden ins Visier der Staatsanwaltschaft geratenen Familienpartei-Stadtverordneten Dieter Gohlke und Brian Utting mit kurzen schriftlichen Erklärungen zu Wort.

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Die bundesweite Parteispenden-Affäre bei der Familienpartei hat in Potsdam personelle Konsequenzen. Gestern meldeten sich die beiden ins Visier der Staatsanwaltschaft geratenen Familienpartei-Stadtverordneten Dieter Gohlke und Brian Utting mit kurzen schriftlichen Erklärungen zu Wort. „Wegen der gegen mich erhobenen Vorwürfe ziehe ich mich aus dem politischen Geschehen zurück“, kündigte Gohlke einen „endgültigen“ Mandatsverzicht an. Utting schrieb, sein Mandat bis zum Ende der Ermittlungen ruhen zu lassen und an der Aufklärung des Skandals mitzuwirken. Konkrete Aussagen zu den Vorwürfen machten beide nicht.

Gegen Gohlke, Utting und acht weitere Beschuldigte aus Potsdam und weiteren Bundesländern ermittelt die Potsdamer Staatsanwaltschaft. Auch ein Verein und die mit Postfachadresse in Potsdam ansässige Elternpartei sind betroffen. Es besteht der Verdacht auf Betrug, auf Urkundenfälschung, auf Untreue sowie auf Verstoß gegen das Parteiengesetz. Nach einer bundesweiten Razzia gingen Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit dem Fall an die Öffentlichkeit. Die Beschuldigten sollen Parteigeld von den Konten abgebucht und als fiktive Spenden zurückgebucht haben. Laut den Ermittlern seien die Parteien so illegal an Zuschüsse vom Staat gekommen, der jeden Spenden-Euro für Parteien mit 38 Cent vergütet. Von 20 000 Euro ist die Rede, die so zwischen Mai 2007 und September 2008 beschafft wurden. Ein Sprecher der Bundestagsverwaltung kündigte an, dass die Ermittlungsakten auf mögliche Strafzahlungen geprüft würden: Laut Parteiengesetz muss bei rechtswidrig erlangten Spenden eine Summe in dreifacher Höhe an den Bund gezahlt werden. Die Bundeszentrale der Familienpartei kündigte für nächste Woche eine Erklärung an.

Wegen des Skandals ist die Zukunft der Fraktion FDP/Familienpartei im Stadtparlament unklar. Zunächst gab es gestern weitere Rückzüge: Gohlke gab sein Amt als Schatzmeister der Fraktion auf. Uttings Lebensgefährtin Manuela Berlich ließ ihr Amt als Geschäftsführerin der Fraktion ruhen – obwohl laut Staatsanwaltschaft nicht gegen sie ermittelt wird. Zugleich ging die Potsdamer FDP per Pressemitteilung deutlich auf Distanz zu ihrem bisherigen Partner. FDP-Fraktionschefin Martina Engel-Fürstberger bat das Rechnungsprüfungsamt und das Büro des Oberbürgermeisters, die Finanzen der Fraktion zu überprüfen. Denn über einen Teil der Fraktionsmittel habe die Familienpartei eigenverantwortlich verfügt, so die FDP-Politikerin. „Wenn die Vorwürfe stimmen, wird es keine Zusammenarbeit mehr geben“, kündigte FDP-Chef Marcel Yon an. Es werde keine Rücksicht auf die Vorteile als Fraktion geben, die die FDP im Stadtparlament verlieren würde, sollte die Familienpartei als Partner wegfallen.

Auch andere politische Reaktionen fielen deutlich aus. So sprach CDU-Kreisvorsitzende Katherina Reiche von einer „Belastung“ für die Rathauskooperation, in der SPD, CDU, Grüne und FDP/ Familienpartei seit einem Jahr Stadtpolitik bestimmen. Am schärfsten fiel die Reaktion von Die Andere aus. Ihr Stadtverordneter Gregor Voehse sagte, er lehne die mögliche Neubesetzung der Mandate durch Nachrücker der Familienpartei ab: „Diese Partei hat ihre Sitze vor allem durch massive Plakatierung vor der Kommunalwahl errungen – nach jetzigem Stand wurde dies durch kriminelle Handlungen finanziert.“

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