zum Hauptinhalt
Besucherscharen. Der Andrang im Landtagsschloss hemmt manchmal sogar den Parlamentsbetrieb. Abgeordnete kommen mitunter zu spät zu den Sitzungen, weil sie sich im Treppenhaus an Besuchergruppen vorbeidrängeln müssen. Die Landtagsverwaltung sieht sich an der Grenze der Belastbarkeit.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Fast tausend Besucher pro Tag

Der Landtag ist bei Reisenden so beliebt wie die Welterbeschlösser. Die Schlösserstiftung bleibt gelassen

Von

Stand:

Innenstadt - Mit dieser Resonanz hatte niemand gerechnet. Ein knappes halbes Jahr seit seiner Eröffnung hat sich das neue Landtagsschloss in Potsdams Mitte zu einer Besucherattraktion und einer festen Größe in der Reihe Potsdamer Tourismusmagneten entwickelt. Im Landtag selbst geht sogar die Rede, dass die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) das Interesse der Potsdam-Besucher zu spüren bekommt – im negativen Sinne durch Besucherschwund in ihren Häusern. Die Schlösserstiftung will davon nichts wissen und verweist intern darauf, dass sie Besuchern mit ihren Schlössern gewissermaßen die Originale anbiete.

Dennoch: Die Zahl der Besucher, die den Landtag an Werktagen besichtigen, ist beeindruckend. Pro Tag sind es etwa 900, an Freitagen, wenn Besucher auch ohne Anmeldung ins Gebäude kommen können und Gruppenführungen stattfinden, sind es nach Angaben von Landtagssprecherin Katrin Rautenberg oft mehr als tausend. Hochgerechnet auf ein Jahr wären das – konservativ gerechnet – rund 230 000 Besucher. Um die Bedeutung dieser Zahl für Potsdam zu ermessen, hilft ein Blick auf die Besucherzahlen der Schlösserstiftung für Sanssouci und die vielen anderen Schlösser. Potsdams Hauptattraktion, Schloss Sanssouci, hatte im letzten Jahr exakt 340 439 Besucher, hinzu kommen noch einmal gut 53 000 Menschen, die den Damenflügel des Schlosses und die Schlossküche besichtigt haben. Der Zweitplatzierte in der Besuchergunst, das Neue Palais, wurde von 166 000 Menschen besichtigt – allerdings war das Haus wegen des Abbaus der „Friederisiko“-Ausstellung aus dem Vorjahr auch erst ab Ostern 2013 geöffnet. Dritter in der Rangliste der Schlösserstiftung ist das Schloss Cecilienhof, das 2013 rund 164 600 Besucher zählte.

Die Zahlen zeigen: Potsdams Landtagsschloss rangiert in der Besuchergunst in derselben Liga wie die Welterbe-Attraktionen der Landeshauptstadt. Gerüchte, wonach sich die Schlösserstiftung ernsthafte Sorgen um die neue Konkurrenz in der Potsdamer Mitte macht, werden von der SPSG allerdings ins Reich der Legenden verwiesen. Im Gegenteil: „Dass sich so viele Bürger für einen Ort der Demokratie interessieren, nimmt die SPSG mit Freude zur Kenntnis“, sagte Stiftungssprecher Frank Kallensee den PNN. „Von diesem Interesse können die Landeshauptstadt Potsdam und die Stiftung nur profitieren. Denn das neue ,Landtagsschloss’ ist ein Stück Erinnerungsarchitektur, die auf die zum Unesco-Welterbe gehörende Potsdamer Kulturlandschaft einmal mehr aufmerksam und neugierig macht.“

Dennoch hat die Stiftung in den ersten Monaten dieses Jahres Besucherrückgänge zu verzeichnen. So kamen bis Mai fast 6500 Menschen weniger ins Neue Palais als im gleichen Zeitraum 2013, Schloss Cecilienhof wurde von 2000 Besuchern weniger besichtigt und durch die Neuen Kammern flanierten sogar fast 8000 Neugierige weniger als im Vorjahreszeitraum. Für die Rückgänge macht die SPSG aber nicht die Konkurrenz auf dem Alten Markt verantwortlich. Im Neuen Palais seien die Attraktionen Marmor- und Grottensaal wegen Sanierung geschlossen, das Schloss Cecilienhof werde ebenfalls derzeit saniert und die Neuen Kammern seien 2012/13 auch im Winter geöffnet gewesen, was in diesem Jahr nicht der Fall ist, so die Stiftung.

Dass immer mehr Touristen Potsdam gezielt wegen seiner Altstadt besuchen und nicht wegen des Welterbes, hatte zuletzt auch eine Erhebung gezeigt, die die Stadtverwaltung unter den Besuchern der Stadt durchgeführt hat.

Trotzdem hatte die Landtagsverwaltung nicht mit diesem Ansturm gerechnet: Die 15 Mitarbeiter, die Gruppen durch den Landtag führen, sind voll ausgelastet. Hinzu kommen die Führungen, die die Fraktionen selbst organisieren. Landtagssprecherin Rautenberg sagt: „Wir sind an der Grenze unserer Belastbarkeit.“

Das große Interesse hat noch einen anderen Aspekt, der gerade für das brandenburgische Landesparlament von besonderer Bedeutung ist: Es erweist sich als offenes Haus, als transparenter Sitz der gewählten Volksvertreter. Der Souverän nimmt diese Offenheit voll in Anspruch.

Zuweilen führt das zu Warteschlagen vor dem Fahrstuhl, Abgeordnete berichten, dass sie es an Plenartagen zuweilen nicht rechtzeitig aus der Kantine im Dachgeschoss in den Sitzungssaal schaffen, weil die Besuchergruppen die Treppen blockieren. Oft genug müssen Gruppen vor dem Plenarsaal warten, weil eine Führung anderer Besucher noch nicht beendet ist. Weil es nicht nur weitaus mehr Besucher sind, sondern auch mehr als erwartet, hat sich die Landtagsverwaltung entschlossen, den Informationsstand im Foyer dauerhaft zu besetzen. Auch die Koordination des Besucherandrangs, etwa die Terminabsprache für Gruppenanmeldungen, nimmt die Verwaltung stark in Anspruch. Laut Rautenberg seien auch schon Anmeldungen abgelehnt und auf spätere Termine verlegt worden, weil der Andrang so groß ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })